Hat das Einfamilienhaus in Zeiten von Flächenfraß und Klimawandel als Wohnform ausgedient? Ja, sagen Kritiker. Nein, meint der Esslinger Architekt Thomas Sixt Finckh. Hier nennt er die Gründe.
Bauland ist knapp und bauen ist teuer. Darf man da überhaupt noch Einfamilienhäuser planen? Welche Antworten hat darauf Thomas Sixt Finckh, der Vorsitzende der Architektenkammer Esslingen I mit Blick auf die Schau „Beispielhaftes Bauen“, die in Plochingen prämierte Ideen vorstellt? Bei der Eröffnung der Ausstellung hatte der Heidelberger Daniel Christian Lindemann, der Vorsitzende der Jury, die die Beispiele aussucht, gesagt, eigentlich könne man kaum noch Einfamilienhäuser prämieren, es sei denn solche in Holzbauweise
Herr Finckh, welche Einfamilienhauskonzepte sind denn weiterhin preisverdächtig?
Ich finde es nicht ganz richtig, wenn ein Preisgericht so argumentiert wie dargestellt. Meiner Meinung nach sind Einfamilienhäuser, die Konzepte hinsichtlich zukunftsfähiger Wohnstrukturen anbieten und mit den dafür geeignetsten Materialien realisiert wurden, sehr preisverdächtig. Das Einfamilienhaus ist eine von vielen Wohnformen, die sich auch dem Wandel des Wohnens anpassen und weiterentwickeln muss, hinsichtlich ökologischem Fußabdruck, sinnvoller Wohngröße und so weiter.
Welche Konzepte sind eher nicht so gut?
Wenn man Einfamilienhäuser neu baut wie vor 50 Jahren. Also nach dem klassischen Modell: unflexibel, uninnovativ und unveränderbar. Das kann man meiner Meinung nach heute nicht mehr vertreten und ist auch im Alter Quatsch. Ein Ansatz wäre ein modulares Konzept, das mit der Familie mitwachsen und im Alter kleiner werden könnte, beispielsweise für eine Extrawohneinheit. Eine an den Lebenszyklus anpassbare dritte Haut.
Lässt sich auf diese Weise auch Flächenfraß eindämmen?
Hier im urbanen Raum ist ein Einfamilienhaus purer Luxus, weil Bauland so teuer geworden ist. Das kann sich eigentlich niemand mehr leisten, auch wenn ein eigenes Haus für die meisten Menschen immer noch als erstrebenswert gilt, denn selbstbestimmtes Wohnen besitzt eine große Lebensqualität. Deshalb bietet Nachverdichten auf kleinen Grundstücken da einen extremen Mehrwert. Wir müssen kompakter bauen. Wir haben das in Stuttgart-Sillenbuch umgesetzt: Dort wurde eine Doppelgarage abgerissen und auf der Fläche entstand ein neues Haus mit gerade mal 3,3 Meter breit, genannt „skinny wohnskulptur“.
Ist Aufstocken sinnvoller als versiegeln?
Absolut. Aber da sind die Bauämter in den Kommunen gefragt. Gut wäre eine Einzelfallprüfung, damit nicht der Bebauungsplan in einem langwierigen Verfahren geändert werden muss. Wir haben schon Geschosse in Holzbauweise aufgestockt um Gewicht zu sparen, da war Holz das richtige Material.
Heißt das, Holz ist der bessere Baustoff?
Das wird häufig so kommuniziert, aber was heißt besser? Man muss immer den Einsatzzweck prüfen. Holz ist ein toller, nachwachsender Baustoff. Aber nur, wenn das Holz aus nachhaltiger Waldwirtschaft stammt und die Transportwege nicht zu lang sind.
Alle Infos zur Schau
- „Beispielhaftes Bauen Landkreis Esslingen 2018-2024“
- Dauer: bis 27. November
- Öffnungszeiten: montags bis freitags von 8 bis 16 Uhr
- Ort: Musikzentrum Baden Württemberg, Eisenbahnstraße 59 in Plochingen
Zu sehen sind etliche ausgezeichnete Wohnkonzepte aus dem gesamten Kreis. Mit dem Auszeichnungsverfahren soll das öffentliche Bewusstsein für die Baukultur im Alltag geschärft werden.