Antisemitische Vorfälle haben laut einer Studie massiv zugenommen. Deutschland muss sicherstellen, dass auch die nächste Generation von Juden in diesem Land sicher leben kann, meint Hauptstadtkorrespondent Tobias Heimbach.
Es sind Fakten, die erschüttern. Im vergangenen Jahr ist die Zahl der antisemitischen Vorfälle in Deutschland um 83 Prozent angestiegen. Das sind rechnerisch 13 pro Tag. Das geht aus dem Jahresbericht des Rias, des Bundesverbands Recherche- und Informationsstellen Antisemitismus, hervor. Der am Dienstag vorgestellte Bericht zeigt deutlich, dass die Welle des Antisemitismus nach dem Angriff der Hamas vom 7. Oktober rasant angeschwollen ist. Besonders schmerzlich ist die Lage für junge Menschen. Das muss jeden im Land mit Sorge erfüllen – und stellt in Frage, ob auch jüdisches Leben in Deutschland für kommende Generationen sicher möglich ist.
Noch eindrücklicher als die Zahlen, sind manche Berichte: Beleidigungen von Mitschülern am Holocaustgedenktag. Schilderungen, dass jüdische Kinder die Schule wechseln, weil sie antisemitisch gemobbt wurden. Schockierend ist auch, dass jüdische Studenten es aus Furcht vor Anfeindungen vorziehen, sich digital in Lehrveranstaltungen zuzuschalten, statt in den Hörsaal zu gehen.
Viele junge Jüdinnen und Juden wachsen mit einem starken Unsicherheitsgefühl auf. Auf der Straße, im öffentlichen Nahverkehr, aber auch im Internet. Das alles ist ein sich selbst verstärkender Prozess. Nicht-jüdische Schüler wachsen in einer Umgebung auf, in der Antisemitismus häufiger vorkommt. Antisemitische Vorfälle werden immer mehr als normal wahrgenommen, warnen auch die Autoren der Studie.
Klar ist: Ein einzelner Antisemitismus-Workshop in der Schulzeit allein wird nicht helfen. Lehrer müssen einschreiten, null Toleranz gegen Antisemitismus zeigen. Gerade in Stadtteilen mit hohem Anteil an muslimischen Menschen ist die Herausforderung oft noch größer. Und auch der steigende Rechtsextremismus in der Gesellschaft ist ein Problem.
Bislang gibt es keine Berichte, dass Juden oder Israelis Deutschland verlassen. Damit das so bleibt, muss etwas passieren. Und zwar schnell.