Aktuell spricht aus medizinischer Sicht nichts gegen den Besuch einer Fan-Zone. Foto: Lichtgut/Julian Rettig

Die Zahl der Corona-Fälle steigt und mit ihr auch die Inzidenz. Kliniken und Gesundheitsämter erklären, woher das rührt und ob man besondere Schutzmaßnahmen ergreifen soll.

Die Fußball-Europameisterschaft treibt derzeit viele Menschen in die Fanzonen und bringt dort zahlreiche Sportfreunde oft auf engstem Raum zusammen. Das weckt Erinnerungen an Fußballspiele im Jahr 2020, die zu Superspreader-Ereignissen mutierten. Wie viele Fans damals Opfer ihrer Leidenschaft fürs runde Leder wurden, lässt sich nur schwer beziffern.

Auch jetzt fällt im Bekanntenkreis im Zusammenhang mit Erkältung-Symptomen immer wieder das Wort Corona. Zwar testet sich heute längst nicht mehr jeder. Aber die Zahl der sommerlichen Infektionen scheint höher zu sein als in den Vorjahren. Ist also eine neue Corona-Welle im Anmarsch? Und sollte man sich besonders schützen?

Leicht erhöht, aber auf niedrigem Niveau

Die Kliniken in der Region Stuttgart und in der Landeshauptstadt selber reagieren auf die Anfrage gelassen. Jan Steffen Jürgensen, Medizinischer Vorstand und Vorstandsvorsitzender des Klinikum Stuttgart, formuliert es so: „Im Klinikum Stuttgart sehen wir keine schweren Verläufe, die wegen Covid stationär behandelt werden müssten.“ Sporadisch komme Covid-19 als erschwerende Nebendiagnose bei kritisch Kranken hinzu. Jürgensen: „In den Notaufnahmen ist nur eine leichte Erhöhung der diagnostizierten Fälle auf niedrigem Niveau zu verzeichnen.“

Sein Kollege im Robert-Bosch-Krankenhaus, Mark Dominik Alscher, nimmt zwar ein „gewisses Grundrauschen“ in Form von minimal steigenden Zahlen und einer steigenden Zahl an Krankmeldungen der Beschäftigten wahr. Von einer Welle könne aber keine Rede sein. Die Rems-Murr-Kliniken haben derzeit lediglich einen aktuellen Corona-Fall – und der liegt auf der Normalstation.

Probleme gibt es in Göppingen

Früher als die Kliniken müssten ein Anschwellen der Corona-Zahlen die für die Kreise in der Region zuständigen Gesundheitsämter spüren. Dort läuten zumindest im Landkreis Göppingen die Alarmglocken. Die Zahlen seien in der vergangenen Woche deutlich gestiegen. Aktuell habe man 27 Erkrankte. Das habe aber vor allem mit dem Corona-Ausbruch in einer Einrichtung des Landkreises zu tun – und nichts mit der Fußball-EM.

Entspannter sieht es in Böblingen aus: Die Meldungen über positive Corona-Tests seien im Juni zwar auf 35 gestiegen. Das sei aber eine Zahl auf niedrigem Niveau, heißt es dort. Ähnlich ist die Situation im Kreis Esslingen. Die Sprecherinnen beider Landkreise betonen aber, dass es bisher überhaupt noch keine Meldung gegeben habe, die den direkten Bezug zwischen dem Besuch eines EM-Spiels oder einer Fanzonen und der Erkrankung an Covid-19 herstelle. Simone Hotz vom Böblinger Landratsamt formuliert es so: „Die Infektionsgefahr für Corona besteht bei viel körperlicher Nähe und Massenveranstaltungen immer, jedoch findet bei der EM das meiste im Freien statt, was die Übertragungsgefahr wieder reduziert.“

Inzidenz ist von 1,6 auf 2,3 gestiegen

Das alles deckt sich mit den Zahlen, die das Sozialministerium nennt: In der vergangenen Woche seien aus ganz Baden-Württemberg 260 Covid-Fälle gemeldet worden. Die Inzidenz sei damit zwar von 1,6 auf 2,3 gestiegen: „Wir befinden uns aber nicht in einer sommerlichen Corona-Welle“, betont eine Sprecherin des Ministeriums. Dennoch sei es sinnvoll, die Empfehlungen zum Infektionsschutz bei allen Veranstaltungen stets zu beachten. Dies gelte aber auch für andere respiratorische und gastrointestinale Erreger. Zum Schutz vor schweren Krankheitsverläufen seien für Menschen mit Grunderkrankungen, Schwangere und Personen ab 60 Jahre Impfungen entsprechend der Empfehlungen der Ständigen Impfkommission besonders wichtig.

Das unterschreibt auch Jan-Steffen Jürgensen und verweist auf „hygienische Selbstverständlichkeiten“. Jürgensen: „Insbesondere sollten Sie sich aber nicht den Spaß nehmen lassen, etwa indem sie auf das Public Viewing verzichten“. So ernst kann die Lage also nicht sein.