Trinkt jetzt Champagner statt Prosecco: Annett Louisan auf dem Killesberg. Foto: Lichtgut/Ferdinando Iannone

Bei ihrem Auftritt am Donnerstagabend auf der Stuttgarter Freilichtbühne Killesberg verpackt Annett Louisan bekannte Songs in ihren ureigenen Easy-Listening-Lounge-Sound. Im Zentrum stehen Stücke ihres neuen Albums „Kitsch“.

Stuttgart - Vor 16 Jahren machte das Lied vom Spielen Annett Louisan bekannt. Mit ihm eröffnet sie ihr Konzert auf der Freilichtbühne im Höhenpark Killesberg am Donnerstagabend, und das hat einen Grund. „Ich will doch nur spielen“ – das dachte die Sängerin in den vergangenen Monaten oft, verzweifelt und in ganz anderem Zusammenhang. Mit ihr dachten es viele Bühnenkünstler: Sie wollten nur spielen – allein: Sie durften nicht.

Am Donnerstag ist das Publikum, das Louisan auf dem Killesberg erwartet, klein; knapp 250 Menschen füllen die bestuhlten Reihen nur sehr locker. Später wird sie ein Stück der österreichischen Band Bilderbuch singen, „Bungalow“ heißt es. „Endlich hab’ ich mal ein Lied zum Tanzen“, sagt sie, schmollt. „Und dann dürfen wir nicht!“ Corona verweist die Fans auf ihre Plätze, nur die Füße wippen mit. Natürlich schwindelt Annett Louisan dabei ein wenig: Tanzen lässt sich auf all ihrer Stücke, wenn auch nicht wild; Tanzrhythmen gehören bei ihr immer dazu, Tango, Walzer, Bossa.

„Kitsch“ heißt Annett Louisans jüngstes Album, vor einer Woche kam es auf den Markt. Schon auf „Berlin – Kapstadt – Prag“ von 2016 sang sie die Stücke anderer Interpreten; dieses Mal nun hat sie sich Lieder ausgesucht, die sämtlich das titelgebende Kriterium erfüllen, dabei aber aus ganz unterschiedlichen Richtungen der pophistorischen Landschaft kommen. Sie beginnt mit „Bittersweet Symphony“ von The Verve, sie macht weiter mit Lionel Ritchies ewigem Seufzer „Hello“. Zu jedem dieser Lieder hat Annett Louisan einst selber geschwärmt, gelitten, geträumt. Sie versichert glaubhaft: „Das ist meine musikalische DNA.“

Songs von „Eternal Flame“ bis „Just the Way you are“

Louisan, geboren im April vor 43 Jahren in Sachsen-Anhalt, lange schon zu Hause in Hamburg, eignet sich diese Songs an, verwandelt sie gemeinsam mit ihrer Band in ihren ureigenen, hingehauchten Easy-Listening-Lounge-Kuschelpop. Das funktioniert hervorragend bei „Eternal Flame“, dem Hit der Bangles von 1987, bei „I just died in your Arms“ von Cutting Crew, bei „I Want it that Way“ von den Backstreet Boys.

Der Düsseldorfer Dave Anderson an den Keyboards, Florian Holubek am Schlagzeug und Martin Kelly an der Gitarre umschmeicheln Annett Louisans Gesang mit diskreter Raffinesse. Bei „Nights in white Satin“ , ihrem „ultimativen Liebeskummerlied“, spielt Anderson zugleich Melodika und Keyboard, schneidert so das orchestrale Gewand des Originals klein; bei „Somewhere over the Rainbow“ streut er mit ganz leichtem Anschlag die Melodie von Billy Joels „Just the Way you are“ in den Latin-Rthythmus, mit dem Kelly auf der Gitarre begleitet.

Und Annett Louisan steht da in einem Jeansjäckchen, singt „Torn“ von Natalie Imbruglia, singt „Marleen“ von Marianne Rosenberg als langsame Ballade, schwärmt von Sophie Marceau und singt schließlich auch das für immer kitschigste aller Lieder: „Dreams are my Reality“. In der Coronazeit müssen Konzerte kürzer sein, deshalb stellt Annett Louisan nicht alle Stücke ihres neuen Albums vor, singt aber einige eigene und ältere. Älter ist sie selbst geworden, und der Lockdown, das gibt sie heiter zu, hat ihren Alkoholkonsum gehoben. Den Prosecco allerdings verträgt sie nicht mehr; stattdessen hole sie sich nun Champagner für 14,99 Euro beim Discounter. Trotzdem singt sie noch, wie damals, 2007: „Das wär’ alles nicht passiert – ohne Prosecco.“