Die Kurbel sorgt für Licht und Luft bei Stromausfall. Michael Grimm hat den Bunker unterm Haus von seinem Vater geerbt. Foto: Steve Przybilla

Bunker galten lange als Hobby von exzentrischen Promis und Weltuntergangsspinnern. Seit dem Überfall Russlands auf die Ukraine hat sich das geändert.

Ein Einfamilienhaus in einer süddeutschen Kleinstadt. Vor der Tür parkt ein Kombi, im Garten döst ein Schäferhund zwischen Wäschespinne und Plastikstühlen. Doch unter dem Garten, der von außen so unscheinbar wirkt, lauert ein betondickes Geheimnis: Dorthin könnten bis zu 20 Personen im Kriegsfall flüchten, geschützt vor Bomben und atomarer Strahlung. Das hoffte zumindest der Erbauer.

Michael Grimm (67) hat den Privatbunker vom Vater geerbt, der ihn 1985 erbauen ließ. „Ich habe in dieser Zeit meine Diplomarbeit geschrieben“, erinnert sich Grimm, ein fröhlicher Rentner mit grauem Bart und festem Blick. „Wenn ich Ablenkung brauchte, habe ich auf die Baustelle geschaut.“ Grimms Vater hatte im Zweiten Weltkrieg die Bombardierung von Dresden miterlebt und war Zeit seines Lebens traumatisiert. „Er hat dem Frieden nie getraut“, erinnert sich Grimm. „Er wollte auf alles vorbereitet sein.“

Die Luft ist kühl und ein bisschen modrig

Das Produkt dieser Wachsamkeit ist bis heute erhalten. Man kommt über eine schmale Treppe hinein, die vom Wohnhaus unter den Garten führt. Die erste Überraschung: Wirkt gar nicht wie ein Bunker. Der 28 Quadratmeter große Schutzraum erinnert an einen normalen Keller. Die Luft ist kühl und ein bisschen modrig. „Ich habe hier früher E-Gitarre gespielt“, erzählt Grimm. „Super-Akustik.“ Zum Lagern von Wein und Bier sei der Raum hervorragend geeignet.

Der ursprüngliche Zweck wird erst deutlich, wenn man genauer hinsieht. Der Eingang besteht aus zwei versetzt gebauten Stahltüren – eine Schleuse, die Druckwellen abhalten soll. Im inneren Bereich fällt eine Pressspanplatte auf, die einen Teil des Raums abtrennt. Dahinter befindet sich ein Plumpsklo.

In zwei, drei Tagen wäre der Bunker wieder einsatzfähig

Die Luft im Bunker wird über einen speziellen Sand gefiltert; es gibt einen Notausstieg, der in den Garten führt und eine Handkurbel, damit bei Stromausfall Licht und Lüftung weiter funktionieren. In der Ecke steht ein Plastikfass mit 700 Litern Wasser.

Jahrelang hatte Grimm den Bunker nicht betreten. Seit Ausbruch des Ukraine-Kriegs denkt er wieder öfter über das Bauwerk nach. Die schwere Eingangstür klemmt, das Trinkwasser müsste getauscht und das Inventar abgestaubt werden. „In zwei bis drei Tagen wäre er aber wieder einsatzfähig“, schätzt er. Schon einmal, nach dem Atomunfall in Tschernobyl 1986, wäre der Bunker fast zum Einsatz gekommen. Nachbarn, die vorher darüber gelästert hatten, wollten hier ihre Kinder plötzlich in Sicherheit bringen.

Beim Bunkerbauer steht das Telefon nicht mehr still

Während es bei Grimm dem Zufall geschuldet ist, dass er einen bombensicheren Keller besitzt, legen sich andere ganz bewusst einen solchen Raum zu. Dabei klang allein der Gedanke bis vor Kurzem noch abwegig. Ein Bunker unter dem eigenen Haus: Wer macht so etwas? Abgesehen von exzentrischen Promis und Spinnern, die sich auf den Weltuntergang vorbereiten?

Doch offenbar gibt es mehr Interessierte, als man denkt – aber wenige Anbieter. Das Berliner Bauunternehmen BSSD ist eine von wenigen Firmen in Europa, die private Bunker bauen. „Vor dem Ukraine-Krieg hatten wir vielleicht fünf Anrufe pro Tag“, sagt Mitinhaberin Katrin Piejde. Heute stehe das Telefon nicht mehr still. „Viele unserer Kunden haben wirklich Angst aufgrund der weltpolitischen Lage“, sagt Piejde. „Die denken, ‚der Russe’ steht gleich vor der Tür.“

Einen Panikraum gibt’s schon ab 11 000 Euro

Viele Produkte, die die Firma anbietet, kosten deutlich über 100 000 Euro – bis hin zur Luxusvariante mit Kochnische und vierfachem Stahlkörper. Neben Bunkern bietet BSSD aber auch sogenannte Panikräume an, die ab etwa 11 000 Euro erhältlich sind.

Laut Piejde gehören nicht nur Superreiche zum Kundenstamm. Leute, die sich schützen oder etwas verbergen wollen, gebe es schließlich immer. Ein Krieg sei dabei nur eine von vielen Gefahrenlagen. Auch vor Amokläufen oder normalen Einbruchdiebstählen sollen die Bollwerke schützen.

Bei Michael Grimms geerbtem Privatbunker ist indessen noch nicht ganz klar, wie es weitergeht. Noch wirkt der Schutzraum wie ein Provisorium. Ein Waschbecken liegt auf dem Boden, ein einsamer Holzstuhl lehnt an der Wand. Wird der Raum in Zukunft als Abstellkammer dienen? Oder doch wieder flottgemacht?

Michael Grimm will diese Entscheidung seinen Kindern überlassen, die demnächst in das Haus einziehen. „Eins ist jedenfalls klar“, sagt der 67-Jährige, als er den schmalen Notausstieg betrachtet. „Für adipöse Menschen wurde dieser Bunker nicht gebaut.“

Vom Versteck zur Wohnung

Staatseigentum
  Jahrelang hat die Bundesrepublik versucht, alte Luftschutzbunker loszuwerden. Die Bundesanstalt für Immobilienaufgaben betreibt sogar eine eigene Website („Faszination Bunker“). Vielerorts griffen Investoren zu, um die Betonbauten in Museen, Hotels oder Luxus-Wohnungen umzubauen.

Verkauf
Seit dem russischen Angriff auf die Ukraine hat die Bundesregierung umgesteuert. Wer heute auf die Website schaut, findet nur noch Links zu verkauften Bunkern. Neue sind nicht mehr im Angebot.