Um einen Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz Baden-Württemberg gibt es Wirbel. Foto: dpa/Marijan Murat

Der Fall sorgt für einigen Wirbel. Ein Verfassungsschützer soll seine Behörde um Geld betrogen haben. Der Mann sagt, der Vorwurf sei eine Retourkutsche.

Stuttgart - Ein Betrugsfall, bei dem es um wenige Hundert Euro geht, wird in der Regel per Strafbefehl erledigt. Oder er landet beim Amtsgericht. Das ist dort Tagesgeschäft – nicht aber, wenn ein operativer Mitarbeiter des Landesamts für Verfassungsschutz (LfV) Baden-Württemberg angeklagt ist.

„Ich weise die Vorwürfe zurück“, sagt der Regierungsamtmann vor dem Amtsgericht Bad Cannstatt, wo Einzelrichterin Melanie Dawidowsky für den Fall zuständig ist. Sie merkt bald: Der Prozess hat es in sich.

Der Angeklagte war von 2009 bis 2015 ein sogenannter VP-Führer. Er betreute Vertrauenspersonen (VP), die ihm Informationen aus dem Bereich Islamismus lieferten. Vertrauenspersonen sind in aller Regel Kleinkriminelle aus der jeweiligen Szene, die ihr Budget mit Geld vom LfV aufbessern. Bei der Bezahlung dieser Quellen soll der VP-Führer Geld für sich abgezweigt haben. Er habe sich die Zahlungen von den VP quittieren lassen, habe aber nicht den gesamten Betrag ausbezahlt, so die Anklage. Beispiel: Ende Juni 2013 habe er einen Informanten 980 Euro abzeichnen lassen, ihm aber nur 800 Euro ausbezahlt. In einem zweiten Fall soll der Angeklagte 91,46 Euro für sich behalten haben. Gegen einen Strafbefehl wegen Betrugs gegen ihn hat er Einspruch erhoben. Deshalb trifft man sich vor Gericht.

Der Angeklagte beteuert seine Unschuld

„Ich habe über die Jahre sechs Vertrauenspersonen geführt. Nie wurde auch nur eine Abrechnung beanstandet“, sagt der 50-Jährige. „Alles, was mein Mandant an Geld für die VP verwendet hat, ist belegt“, sagt sein Verteidiger Axel Sauer. Diese Dokumente habe er aber vom Verfassungsschutzamt nicht bekommen, so der Verteidiger weiter. „Bei jedem VP-Führer muss alles bis auf den letzten Cent stimmen“, ergänzt der Angeklagte.

Er sagt, man habe ihn in seiner Behörde kaltstellen wollen, weil er interne Kritik an dem System zur Bezahlung der Informanten geübt habe. Dieses System sei intransparent und würde nur in Baden-Württemberg und in Sachsen angewandt. Nach seiner Kritik sei ihm die Dienstwaffe abgenommen und er intern versetzt worden. „Das fand ich nicht rechtmäßig“, so der Mann. Das habe er auch der LfV-Präsidentin Beate Bube mitgeteilt.

Ende November 2015 habe er dann von der Strafanzeige gegen ihn erfahren. Der einstige VP-Führer befindet sich im Krankenstand, er ist bei vollen Bezügen suspendiert, gegen ihn läuft ein Disziplinarverfahren. Der Angeklagte mutmaßt, es handle sich um eine Retourkutsche gegen ihn. Er jedenfalls habe sich nichts zuschulden kommen lassen.

„Retourkutsche ist absurd“

„Dass es sich bei der Strafanzeige gegen den Mitarbeiter um eine Retourkutsche handelt, ist absurd“, sagt ein Sprecher des Landesamts für Verfassungsschutz. Von interner Kritik des Mitarbeiters an dem Bezahlsystem der VP sei nichts bekannt. Es seien vielmehr Unregelmäßigkeiten bei der Bezahlung der Quellen aufgefallen. Nach Überprüfung sei ein Disziplinarverfahren wegen eines internen Regelverstoßes des Mitarbeiters eingeleitet worden. „Die Kontrollmechanismen innerhalb des LfV haben funktioniert“, so der Sprecher weiter.

Vor dem Amtsgericht lässt sich der Betrugsvorwurf indes nicht erhärten. Die Vertrauenspersonen stehen als Zeugen nicht zur Verfügung, der Angeklagte unterliegt nach wie vor einer gewissen Geheimhaltungspflicht.

Am Ende wird das Verfahren gegen eine Zahlung von 4000 Euro eingestellt. „Aber ohne Anerkennung einer Schuld“, betont Verteidiger Axel Sauer.