Boris Palmer provoziert mit AfD-Vorschlag bei Markus Lanz. (Archivfoto) Foto: IMAGO//teutopress GmbH

Am Dienstagabend diskutiert Markus Lanz in seiner ZDF-Talkshow mit seinen Gästen über die Asylpolitik der Ampelkoalition. Boris Palmer sorgt mit einem Vorschlag für Irritationen.

Wie sich eine Talkshow im Laufe des Abends entwickelt, lässt sich nicht vorhersagen. Auf eines ist aber Verlass: Wenn Boris Palmer, ehemaliger Landtagsabgeordneter der Grünen, unter den Gästen ist, wird es garantiert provokant.

So auch am Dienstagabend, als Palmer bei Markus Lanz zu Gast war. Gleich zu Beginn zitierte der Moderator bei der Vorstellung seiner Gäste Palmer mit den Worten: „Ich gehöre […] nicht zu denen, die AfD-Wählern moralische Vorhaltungen machen. Ich finde, das ist nicht die Aufgabe von Politikern. Die Aufgabe von Politikern ist es, zu verstehen, was ihre Wähler wollen. Wäre es deshalb nicht klüger, wenn die CDU unter einem Ministerpräsidenten Vogt in Thüringen der AfD Koalitionsgespräche anbieten würde?“

Dort stehe man vor der Situation, dass die CDU einen Unvereinbarkeitsbeschluss mit der Linken und der AfD habe. „Wenn sie beide Beschlüsse durchhält, kann sie nicht regieren“, so Palmer.

Eine Viererkoalition aus Linken, BWS und SPD wäre in Palmers Augen in den nächsten fünf Jahren mindestens so erfolgreich wie die Ampelkoalition in den letzten drei Jahren in Deutschland. Das wiederum hätte zur Folge, „dass die nicht kleiner werden von der AfD, sondern, dass die letzte Brandmauer der Altparteienkoalition abgewählt wird und die AfD die absolute Mehrheit hat.“

So könne man prüfen, ob die AfD tatsächlich Nazis seien

Eine Überlegung sei, so Palmer, ob es nicht einen Weg gäbe, zu sagen: „Den Innenminister kriegt ihr nicht, den Ministerpräsidenten auch nicht.“ So könne man prüfen, ob die AfD tatsächlich Nazis seien oder vielleicht nur Menschen, die eine sehr restriktive Migrationspolitik vertreten, ähnlich wie die Schweden oder Dänen.

Auf die Frage von Eva Quadbeck, Chefredakteurin des Redaktionsnetzwerks Deutschland, die die Thüringer AfD zuvor als eindeutig rechtsextrem bezeichnet hatte, ob er zugehört habe, antwortete Palmer: „Ich bin nicht der Meinung, dass man einfach sagen kann, das sind Nazis und damit hat sich’s“. Wenn man die AfD wirklich als Nazis begreife, müsse man den Weg eines Parteiverbots gehen, so Palmer weiter.

Zu einer möglichen politischen Zusammenarbeit der CDU mit der AfD in Thüringen fand die RND-Journalistin Quadbeck klare Worte: „Höcke ist ein Faschist. Man kann mit Faschisten nicht gemeinsame politische Sache machen.“ Stattdessen warnte Quadbeck davor, dass sich die CDU nicht mit einer Partei verbünden dürfe, die als rechtsextrem eingestuft werde und gegen den Rechtsstaat agiere.

Palmer: „Wir haben keine SA auf den Straßen“

Die Journalistin betont: „Es wäre wirklich verhängnisvoll für die Demokratie, wenn die CDU mit der AfD in Thüringen zusammenginge.“ Den Tübinger Oberbürgermeister fordert sie auf, „Geschichtsbücher über die 20er und 30er Jahre in Deutschland“ zu lesen. Palmer, der sich über den Weimar-Vergleich ärgerte, sagte, er habe selbst Geschichte studiert und könne 20 Gründe nennen, warum dieser Vergleich nicht zutreffe: „Wir haben keine SA auf den Straßen, wir haben keine Weltwirtschaftskrise mit umgerechnet 18 Millionen Arbeitslosen“, sagte Palmer. „Aber wir haben Social Media“, unterbrach ihn Quadbeck. Doch Palmer ließ sich davon nicht beeindrucken und sprach von einem unhistorischen Vergleich. „Und das hat auch so etwas von einem Totschlagargument, als ob ich jetzt irgendwie den Faschisten den roten Teppich ausrollen wollen würde, dass die die Macht übernehmen.“ In der Politik gehe es auch darum, Alternativen zu beschreiben.

„Ich bin nicht davon überzeugt, dass so eine Entzauberungsstrategie zum Erfolg führt“, griff Michael Roth in die Diskussion ein. Er findet es schade, dass man sich nicht darauf konzentriert, wie die demokratischen Parteien der Mitte wieder „so interessant, so spannend und überzeugungsfähig werden können, dass wir stabile Mehrheiten in Deutschland […] bilden können – ohne Nationalpopulisten.“

Kritik an „rückwärtsgewandten Diskussionen“ um das Sicherheitspaket

Im Laufe des Abends ging Palmer immer wieder auf Konfrontationskurs und kritisierte die Asylpolitik der Ampelkoalition. So äußerte er Unverständnis über die Abschiebe-Verfahren der aktuellen Bundesregierung und die aus seiner Sicht rückwärtsgewandten Diskussionen um das Sicherheitspaket: „Also diese Entwicklung, die verblüfft mich jetzt auch, weil ich den Eindruck hatte, dass das kurz nach Solingen doch weitgehend unbestritten war, dass das jetzt notwendige Maßnahmen sind, bei denen eigentlich alle signalisiert haben, sie tragen diese mit.“

Palmer kritisierte, dass das Sicherheitspakte nicht schon viel früher eingeführt wurde und der Staat lange Zeit nicht gegen kriminelle Asylbewerber vorgegangen sei.

Stattdessen seien häufig nur die Personen abgeschoben wurden, „die leicht zu greifen waren“, um die Statistiken zu verbessern. Er betonte, dass der aktuelle Wandel in der Abschiebepolitik politisch schlecht getimt sei. Hätte man früher damit begonnen, die Schwerkriminellen abzuschieben, hätte das zum Vertrauensaufbau beigetragen. Stattdessen wurde jahrelang argumentiert, dass rechtliche und menschenrechtliche Bedenken eine Abschiebung unmöglich machten.

Wenn diese Maßnahmen nun plötzlich umgesetzt werden, so Palmer, wirke das wie ein Eingeständnis, dass die vorherigen Argumente nur vorgeschoben waren. „Dann muss natürlich der Eindruck entstehen, eigentlich geht es ja nur darum, AfD-Wahlergebnisse zu beeinflussen“, so Palmer. Den Druck so lange ansteigen zu lassen, bis die Situation kurz vor der Explosion stehe, und dann nur mit symbolischen Maßnahmen zu reagieren, bezeichnete Palmer als grundlegenden Fehler.