„Mein ganzes Herz ist dein“ – im Rahmen der Kulturwochen zum CSD wurden auf dem Alten Friedhof in Ludwigsburg queere Liebesbriefe gelesen.
Welch ein romantischer Ort. Auf dem Alten Friedhof von Ludwigsburg steht inmitten von viel Grün, Linden, Kiefern und Thuja das kleine, klassizistische Zeppelin-Mausoleum. Gewidmet, so steht es über dem Eingang, „dem vorangegangenen Freunde“. Dahinter verbirgt sich nichts Geringeres als die steingewordene, unerfüllte Sehnsucht von Friedrich I., dem ersten König von Württemberg.
Ein Großonkel des Luftschiffpioniers
Im Mausoleum ruht Johann Karl von Zeppelin, Reichsgraf von Württemberg und Adjutant Friedrichs. Dieser Zeppelin, 1766 geboren – ein Großonkel des Mannes, der später Luftschiffe entwickelte - starb mit 35 Jahren. Friedrich ließ ihm dieses Grabmal errichten. Die beiden verband viel mehr als Freundschaft: Die in Teilen erhaltene Korrespondenz verrät ein leidenschaftliches Liebesverhältnis. Die Tanz- und Theaterwerkstatt hat im Rahmen des Buergertheaters L’Utopia an diesem Ort unter dem Titel „Liebe ist Liebe“ nun eine Lesung von Liebesbriefen queerer Menschen veranstaltet. Anlass waren auch die Kulturwochen im Rahmen des Christopher Street Days (CSD).
Gesine Mahr und Bettina Gonsiorek vom Buergertheater berichteten, wie ihnen die Idee zu dieser Lesung gekommen war. Als sie in der Corona-Zeit loszogen, ihre nähere Umgebung, die Stadtteile Ludwigsburgs zu erkunden, stießen sie auch auf das Mausoleum. Und machten die Entdeckung, welch eine Geschichte mit diesem Bauwerk verbunden ist.
Axel Brauch, Manuel Krstanovic und Ronja Schweikert lasen ausdrucksstark und mit viel Einfühlungsvermögen die Liebesbriefe und sangen. Anni Bork als Tänzerin setzte eigene Schwerpunkte, in intensiven, wechselnden Figuren, den unterschiedlichen Stimmungen und Gefühlen entsprechend. Alexander Mahr begleitete auf der Gitarre. Das Ensemble nahm die Zuschauerinnen und Zuschauer mit auf eine einstündige Reise, in der vieles anklang: Glück und Sehnsucht, Hoffnung, Einsamkeit und Verzweiflung, und immer wieder starke Liebe.
„Mein ganzes Herz ist dein“
So etwa, wenn Friedrichs Worte an den geliebten Grafen zitiert wurden. 1788 schrieb er „Ich liebe Sie wie niemanden sonst…“ Später dann: „Mein ganzes Herz ist dein.“ Das Gefühl muss ihn überwältigt haben, denn in einem weiteren Brief hieß es: „Ich bin gar nicht mehr zu gebrauchen…Mein einziges Vergnügen ist, von dir zu reden…“. Und es folgte das Bekenntnis, der Geliebte sei „mein erster Gedanke, wenn ich aufwache, und mein letzter, wenn ich zu Bett gehe.“
Sehr bewegend auch die Intensität der Liebe zwischen der deutschen Hausfrau Lily Wust und der Jüdin Felice Schragenheim, in den frühen 40er Jahren, schon tief im Schatten des Nationalsozialismus. Schragenheim wurde von den Nazis verschleppt und kam vermutlich im Inferno der Konzentrationslager um. Wust hat die Beziehung wie auch Briefe nach dem Krieg öffentlich gemacht. Die Vortragenden ließen mit ihrer Lesung die ganze Verzweiflung, das Hoffen und die Tragik dieser Liebe sehr lebendig werden. 1942 schrieb Lily, „Du darfst mich nicht so ansehen, Felice. Wann werden wir allein sein? ...Ich will nicht nur träumen, ich will leben.“ Felice, obwohl schon verfolgt und versteckt, versprach „Ich werde dich immer lieben, ich werde dich nie allein lassen…“
Queere Liebesbriefe von Oscar Wilde und Peter Tschaikowsky
Weitere queere Liebesbriefe wurden zitiert, nicht überraschend von Oscar Wilde und Peter Tschaikowsky, aber auch von der US-Lyrikerin Emily Dickinson und den finnischen Künstlerinnen Tove Jansson und Tuulikki Pietilä. Mit „Geh mit mir ins Cinema“, einem vertonten Gedicht von Else Lasker-Schüler, endete die Lesung.
Es blieb eine Empfindung der Melancholie zurück, neben dem Eindruck ungestümen Lebens- und Liebeswillens. Eines Willens, der oft nicht an sein Ziel kam. So auch in der Geschichte des Mausoleums. Denn Friedrich von Württemberg wollte ursprünglich im Tod dort an der Seite des „vorausgegangenen Freundes“ liegen. Die Familie hat nach seinem Ableben anders entschieden. Zeppelin ruht nun schon seit 222 Jahren alleine in seiner Gruft.