Nicht alles, was in der blauen Tonne landet, gehört dort hinein. Warum mangelnde Trennung im Altpapier zum echten Problem werden kann – und was sich nach Ansicht des neuen Alba-Chefs Andreas Wendt ändern muss.
Eine riesige Halle im Gewerbegebiet Eisental. Ein Radlader schiebt Altpapier zu gewaltigen Haufen zusammen. Nicht nur die blauen Tonnen aus dem Rems-Murr-Kreis werden hier ausgeleert, sondern aus weiten Teilen der Region Stuttgart: Zeitungen von vorgestern, zerknüllte Briefe, Hochglanzprospekte, Kartonreste dominieren das Bild. Doch mittendrin finden sich auch Dinge, die hier nichts zu suchen haben: Plastik, Kleidung, Haushaltsgegenstände, selbst Kochtöpfe. Arbeiter und Maschinen sortieren das Material penibel, damit am Ende nur das bleibt, was tatsächlich recycelt werden kann.
Andreas Wendt, seit wenigen Monaten neben Christian Waiss und Michael Stutz der neue Primus inter Pares in der Regionalleitung der Alba Baden-Württemberg, erklärt: „Drei Viertel der deutschen Papierproduktion besteht aus recyceltem Material. Das spart Wasser, schont Ressourcen und senkt die Umweltbelastung. Doch damit der Kreislauf funktioniert, muss das Material so rein wie möglich sein.“
Von Bioabfall bis Stahlschrott wird alles verwertet
Alba ist weit mehr als ein Entsorgungsunternehmen. „Wir machen alles außer Kernbrennstäben“, sagt Wendt mit einem Schmunzeln. Von Bioabfall bis Stahlschrott wird alles verwertet. Gewinnbringend sei das sowohl für die Wirtschaft als auch für die Umwelt. „Recycling von Stahl etwa spart bis zu 80 Prozent Energie im Vergleich zur Primärproduktion, Aluminiumrecycling sogar 95 Prozent.“ Der Kundenstamm reicht neben Kommunen von der Dönerbude bis Daimler. Sogar die Spielbank Stuttgart liefert ausgediente Jetons, die als hochwertiger Kunststoff in den Kreislauf zurückgeführt werden.
Tickende Zeitbomben im Müll
Ein wachsendes Problem sind Lithium-Ionen-Batterien. „Das sind tickende Zeitbomben, denn die sind hochgefährlich, wenn sie falsch entsorgt werden“, warnt Wendt. Der Grund: Diese Akkus bestehen aus zwei Kammern, die durch eine dünne Membran getrennt sind. Wird sie beschädigt, etwa durch Druck oder Hitze, kann es zur explosionsartigen Reaktion kommen. Das Resultat: ein Batteriebrand, der kaum zu löschen ist.
Das Gefährliche daran: Die Akkus stecken heute überall drin. Von der Knopfzelle in Grußkarten bis zur E-Zigarette, von Spielzeugen bis zu Werkzeugakkus. „Die Dinger sind überall versteckt. Wenn so ein Akku im Papiermüll landet und ein Radlader drüberfährt, kann im Nu die ganze Halle in Flammen stehen“, sagt Michael Stutz, der schon seit mehr als 30 Jahren im Unternehmen tätig ist. Tatsächlich häufen sich Brände in Recyclinganlagen in den vergangenen Jahren massiv. In Waiblingen musste Alba allein zwischen 2018 und 2022 viermal mit Großfeuern kämpfen.
Das Unternehmen hat zuletzt 1,8 Millionen Euro in den Brandschutz investiert, ein Viertel der gesamten Investitionssumme. „Versicherungen springen uns ab, weil das Risiko einfach zu hoch ist“, sagt Andreas Wendt, der unter anderem kommunale Umwelttechnik studiert hat, und fordert, dass sich Hersteller, Handel und der Staat gemeinsam um eine sichere Entsorgung kümmern und einen Risikofonds einrichten. Ein umfassendes Rücknahmesystem mit Pfand könnte seiner Meinung nach ein Teil der Lösung sein.
Die Politik bleibt hinter ihren Zielen zurück
Zwar gibt es seit Juni 2022 eine gesetzliche Rücknahmepflicht für Elektroschrott. Und theoretisch müssten alle größeren Händler Annahmestellen einrichten. „In der Praxis passiert das aber kaum. Wer kontrolliert das eigentlich?“, fragt Wendt. Auch die Mülltrennung bleibe ein Problem. „Kommunen haben zu viel Freiheit, wie sie das handhaben. Es müsste viel klarere Vorgaben geben.“ Die beste Möglichkeit wäre eine konsequente Trennung schon an der Quelle: Je früher sortiert werde, desto besser lasse sich das Material auch recyceln.
Mehr Recycling, weniger Umweltbelastung
Neben einer besseren Kontrolle fordert auch Alba strukturelle Reformen. Zum Beispiel:
- Vorrang für Recyclingbaustoffe: Kommunale Bauprojekte sollten Recyclingmaterialien bevorzugen.
- Verbesserte Produktgestaltung: Elektrogeräte sollten so gebaut werden, dass sie leichter zerlegt und recycelt werden können.
- Pfandsystem für Batterien: So könnte verhindert werden, dass Lithium-Ionen-Akkus im Hausmüll landen.
- Bürokratieabbau: Schnellere Genehmigungen für den Bau neuer Recyclinganlagen. „Wir brauchen diese Anlagen, wenn wir tiefer schürfen wollen“, sagt Andreas Wendt.
„Wir haben als Gesellschaft noch viel zu tun“, lautet Wendts Fazit. „Aber wenn wir den Kreislaufgedanken ernst nehmen, können wir enorm viel Energie sparen und Ressourcen schonen.“
Waiblingen ist nur ein kleines Puzzlestück in einem riesigen System. Doch es zeigt, wie Recycling funktionieren kann – und welche Gefahren dabei lauern.
Das Unternehmen Alba
Konzern
Das bundesweit agierende Entsorgungs- und Recyclingunternehmen wurde 1968 von Franz Josef Schweitzer gegründet. Fünf Jahre später führte der Konzern das sogenannte „Berliner Modell“ ein und stellte haushaltsnah farbige Wertstofftonnen für Glas oder Papier auf.
Süd
Der Regionalzweig ist an 25 Standorten in Baden-Württemberg vertreten. 1300 Mitarbeiter haben zuletzt einen Umsatz von rund 230 Millionen Euro erwirtschaftet. 350 Fahrzeuge sind aktuell im Einsatz, pro Jahr werden rund 1,1 Millionen Tonnen Abfall verarbeitet. Verwaltungssitz von Süd ist Waiblingen.