Die Metall- und Elektroindustrie im Rems-Murr-Kreis steht unter Druck. Foto: dpa/Jens Kalaene

Aufträge brechen ein, Bürokratie lähmt – die Wirtschaft im Rems-Murr-Kreis steckt in der Rezession. Die Hälfte der Autozulieferer ist in Kurzarbeit. Warum die Unternehmen Alarm schlagen und welche Forderungen sie an die Politik stellen.

Die wirtschaftlichen Aussichten für die Metall- und Elektroindustrie im Rems-Murr-Kreis bleiben düster. „Wir sind mittlerweile im dritten Rezessionsjahr – und ein Ende ist nicht in Sicht“, konstatiert Michael Prochaska, der Vorsitzende der Bezirksgruppe des Arbeitgeberverbands Südwestmetall, auf einer Pressekonferenz in Waiblingen. Die aktuelle Umfrage unter den Mitgliedsbetrieben zeichne ein alarmierendes Bild: Sinkende Auftragszahlen, zunehmende Bürokratie und politische Unsicherheiten dominierten die Sorgen der Unternehmen. Besonders in der Metallbranche und bei den Automobilzulieferern gibt es keine Anzeichen für eine Trendwende.

„Wir befinden uns in einer gefährlichen Abwärtsspirale, die nicht allein mit einer temporären Konjunkturschwäche erklärt werden kann“, warnt Prochaska. Besonders die politischen Rahmenbedingungen seien mitverantwortlich für die anhaltende Krise. „Es fehlt an allen Ecken und Enden. Es ist überfällig, dass die Politik die Wirtschaft wieder priorisiert.“ Der Fachkräftemangel, der jahrelang als größtes Problem galt, spielt nun plötzlich eine eher untergeordnete Rolle. Stattdessen stehen hohe Arbeitskosten, Energiepreise und ein lähmender Bürokratiedschungel im Fokus.

Bürokratie als Wachstumsbremse

Michael Prochaska warnt vor einer „Deindustrialisierung. Foto: Gottfried Stoppel

Steigende Sozialabgaben sind Problem

Ein weiteres wachsendes Problem sind die steigenden Sozialabgaben. „Mit dem Renteneintritt der Babyboomer-Generation stehen uns erhebliche Belastungen bevor“, warnt Prochaska. Die Finanzierung des Sozialstaats werde zunehmend zur Herausforderung für Unternehmen und Beschäftigte. Die Einführung der Rente mit 63 bezeichnet er als nicht mehr tragfähig: „Wir können es uns nicht mehr leisten, Fachkräfte vorzeitig in den Ruhestand zu schicken, während gleichzeitig ein massiver Arbeitskräftemangel droht.“

Doch nicht nur externe Faktoren setzen der Branche zu. Viele Unternehmen kämpfen mit strukturellen Problemen und einer unklaren Transformationsstrategie. Selbst Vorzeigeunternehmen wie Stihl, das sich mit der Strategie „Batterie first“ klar auf Akkubetrieb statt Verbrennungsmotoren ausrichtet, spüren den Druck.

Zum ersten Mal seit Jahren müsse man Stellen abbauen, räumt Prochaska ein, der im Stihl-Vorstand für Personal und Recht verantwortlich ist. Das Unternehmen müsse seine Struktur anpassen, um langfristig wettbewerbsfähig zu bleiben. Statt des bisher gewohnten Umsatzwachstums wäre man 2025 mit einer „Seitwärtsbewegung“ zufrieden. Besonders unter Druck ist indes die Automobilzulieferindustrie, die unter dem schleichenden Wandel hin zur Elektromobilität leidet. Unternehmen, die sich auf klassische Verbrennungsmotoren spezialisiert haben, stehen vor der Herausforderung, ihre Produktion umzustellen – doch die Investitionskosten sind hoch, und politische Unsicherheiten erschweren langfristige Planungen.

Kurzarbeit als Notlösung

Um betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden, setzen viele Unternehmen auf Kurzarbeit. Etwa die Hälfte der Maschinenbau- und Automobilzulieferer-Betriebe im Rems-Murr-Kreis nutze dieses Instrument aktuell, sagt Michael Kempter, der Geschäftsführer der Südwestmetall-Bezirksgruppe, auf Nachfrage. Kurzarbeit sei zwar ein bewährtes Mittel, könne aber keine langfristige Lösung sein.

Die Arbeitgeber haben klare Forderungen an die Politik. Neben einem konsequenten Bürokratieabbau und einer Reform der Sozialsysteme fordern sie bessere Rahmenbedingungen für die Vereinbarkeit von Familie und Beruf. „Wir brauchen mehr Frauen in Vollzeit, um den Fachkräftemangel abzufedern. Doch dafür fehlen nach wie vor zehntausende Kita-Plätze“, so Prochaska.

Droht eine Deindustrialisierung?

Ein weiteres zentrales Thema sind die hohen Energiepreise. Die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands leide massiv unter den Kosten für Strom und Gas. „Während andere Länder gezielt ihre Industrie entlasten, stehen wir im globalen Wettbewerb zunehmend unter Druck“, warnt Prochaska. Hinzu komme eine marode Infrastruktur, die viele Investitionen hemme.

Die wirtschaftliche Lage bleibt angespannt, und die Forderungen der Unternehmen nach schnellen politischen Maßnahmen werden lauter. „Wenn wir den Standort Deutschland nicht stärken, droht eine weitere Deindustrialisierung“, warnt Prochaska. Besonders die Konkurrenz aus den USA und China setze europäische Unternehmen zunehmend unter Druck. „Wir brauchen eine wirtschaftsfreundliche Politik und eine stärkere Zusammenarbeit innerhalb Europas, um nicht weiter ins Hintertreffen zu geraten.“

Südwestmetall

Verband
Südwestmetall zählt zu den größten industriellen Arbeitgeberverbänden Deutschlands. In Baden-Württemberg vertritt er mehr als 1600 Unternehmen der Metall- und Elektroindustrie in arbeitsrechtlichen, tariflichen und bildungspolitischen Fragen. Die Bezirksgruppe Rems-Murr betreut 113 Betriebe mit rund 20 600 Beschäftigten. Ihr Vorsitzender ist Michael Prochaska, Vorstand für Personal und Recht des Waiblinger Motorsägen- und Gartengeräteherstellers Stihl.

Umfrage
Eine Umfrage, die jährlich unter den Mitgliedsunternehmen der Bezirksgruppe durchgeführt wird, zeigt Standortprobleme auf. So erwarten 45,5 Prozent (Vorjahr 37,9 Prozent) der Unternehmen für 2025 eine rückläufige Geschäftsentwicklung. Diese Einschätzung resultiert unter anderem aus dem aktuellen Auftragsbestand. Hier sprachen 51,5 Prozent von einem schlechten und nur 18,2 Prozent von einem guten Auftragsbestand.