Zeit(ung) fürs Tagebuch. Foto: Johannes M. Fischer

Es ist eine außergewöhnliche Zeit, die es verdient hat, dokumentiert zu werden. Johannes M. Fischer fordert in der Kolumne „Aufgespießt“ die Leser*innen auf: „Seien Sie Abenteurer Ihres eigenen Lebens, Ethnologe ihres eigenen Alltags.“

Esslingen - Dienstag, 17. März, 14 Uhr. Liebes Tagebuch! Ich notiere: Eine Zeit, in der Verdecktes sichtbar wird, in der sich Verhaltensweisen ändern, in der Gier und Hilfsbereitschaft kontrastreich abheben. Zeit zum Nachdenken, zum Bilanzieren, zum Neuentscheiden. Zeit für einen Tapetenwechsel! Zeit für Abenteuer? Zeit zum Innehalten. Zeit, neue Arbeitsformen zu erproben. Zeit, alte Bekanntschaften aufzufrischen oder neue zu schließen. Nachrichten verfolgen! Informationen sammeln, interpretieren. Schlaumeierei und Mansplaining aushalten. Zeit zum Abdrehen, Zeit zum Weghören.

Zeit der Leere, in der das soziale Leben scheinbar stirbt. Menschen gehen sich gegenseitig aus dem Weg. Zeit der Einsamkeit, der Zurückgeworfenheit. Eine Zeit der Lächerlichkeit: Wo das Klopapier zum Symbol der Existenzangst wird. Zeit für Bücher, Hörbücher, Musik. Es ist Zeit für religiöse Gefühle und spirituelle Momente. Zeit zum Zeichnen, Zeit zum Schreiben.

Es ist Zeit für die Wiederkehr des Tagebuchs!

Das ist ein Aufruf an alle, die Lust darauf haben: Schreiben Sie wieder Tagebuch, machen Sie sich Notizen. Die Kleinigkeiten des Alltags – sie entpuppen sich im Nachhinein oft als besonders wichtig, lassen das Gesamtbild in einer neuen Perspektive erscheinen. Notieren Sie Dialoge – egal ob traurig, lustig oder scheinbar banal. Seien Sie Abenteurer Ihres eigenen Lebens, Ethnologe ihres eigenen Alltags.

Und dann schicken Sie mir Schnipsel dieses Tagebuchs (maximal 1000 Zeichen pro Tag), Fotos, kleine Videos (maximal 1 Minute) – Schreiben Sie dazu, ob Sie mit einer Veröffentlichung einverstanden sind, ob Ihr Name genannt werden darf, oder ob Sie anonym bleiben wollen. Stichwort: Tagebuch.

Und das passiert mit Ihren Notizen

Und was geschieht dann damit? Ehrlich gesagt: Ich weiß es nicht. Es wird eine Montage werden, das ist gewiss, aber wie wir diese dann online und in der Zeitung abbilden, hängt von den Tagebucheintragungen an. Es ist unbekanntes Terrain, untypisch für ein Medienhaus, aber es könnte ziemlich interessant werden. Die Idee stammt übrigens von einer Freundin, die in Erfurt Kinder-Stadtführerin ist. Insofern am Schluss ein Danke an Franzi: Ich weiß ja, dass du das liest. Und klar, Menschen aus dem Osten dürfen auch mitmachen. Jeder darf mitmachen.

Mitmachen per E-Mail an: johannes.fischer[at]ez-online.de