AfD-Fraktionschefin Alice Weidel wird intern scharf kritisiert. Foto: dpa/Michael Kappeler

Sie trafen sich in der „Quasselbude“, chatteten über die „Ratte Merkel“ und die eigene „Chaostruppe“ – nun wurden 40 000 Nachrichten der AfD-Fraktion an ein Investigativteam von WDR und NDR geleakt.

Neue Enthüllungen aus dem Innenleben der AfD: Die ARD hat Protokolle einer Chatgruppe aus der Bundestagsfraktion ausgewertet, die einen tiefen Einblick in die Weltsicht der Parlamentarier geben. Mindestens 76 der 92 Abgeordneten aus der letzten Legislaturperiode tauschten sich demnach über Jahre in der so genannten „Quasselgruppe“ aus, wie die Investigativteams von NDR und WDR am Freitag berichteten.

Die Protokolle mit insgesamt mehr als 40 000 Nachrichten aus vier Jahren Parlamentsarbeit waren den öffentlich-rechtlichen Sendern zugespielt worden und werden nun in einer TV-Dokumentation und einem Podcast ausgewertet.

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Es ist zwar nicht das erste Mal, dass Inhalte eines Gruppenchats der Partei öffentlich werden – und auch hier finden sich dem Rechercheprojekt zufolge wieder rassistische und verschwörungsideologische Inhalte sowie Umsturzrhetorik. Aber die Fülle der Nachrichten direkt aus der Fraktion über einen so langen Zeitraum offenbart vor allem die Binnensicht der gewählten Abgeordneten auf den Parlamentarismus, den politischen Gegner – und auf Streit, Macht- und Flügelkämpfe in der eigenen Fraktion und Partei.

Die AfD als letzte Chance

„Die Ratte Merkel“, schreibt beispielsweise ein Abgeordneter und wünscht sich ein Gerichtsverfahren gegen die „Volksverräterin“. Ein anderer sinniert, es gebe die Möglichkeit eines „Siegertribunals (Nürnberg 2.0)“. Selbstbewusst schätzt ein Angehöriger der Oppositionsfraktion zu Beginn der Legislaturperiode die eigene Rolle ein: „Wir sind die letzte Chance, die dieses Land hat, und das meine ich bitter ernst!!!“

Der interne Richtungsstreit kulminiert an dem Tag, als der Verfassungsschutz die parteiinterne Strömung „Flügel“ als rechtsextremistische Bestrebung einstuft. „Wir haben zu spät den Stecker gezogen“, schreibt damals das heutige Bundesvorstandsmitglied Joana Cotar dazu.

Allerdings macht sich unter den Abgeordneten mit den Jahren auch Frust über die eigene Fraktion breit, die teils als „Chaostruppe“ empfunden wird. Im Fokus steht die heute noch amtierende Fraktionschefin Alice Weidel. In einem Interview in der Dokumentation zeigt sich Weidel gelassen wegen der Angriffe auf ihre Person. „Wenn Sie in der AfD in der ersten Reihe stehen, ist das völlig normal. Das berührt mich nicht“, sagte sie.