Die schönen Zeiten sind längst vorbei: Gab es zur Wahl zur Ersten Bürgermeisterin noch Blumen für Josefa Schmidt, ist das Tischtuch zu OB Cohn längst zerschnitten. Foto: Simon Granville/Repro: StZN

Nach der Anzeige von Leonbergs Bürgermeisterin Josefa Schmid gegen ihren Chef, den Oberbürgermeister Martin Georg Cohn, ist der Aufruhr in der Stadt groß. Cohn wehrt sich, aber wie es nun weiter gehen kann, ist völlig unklar.

Das Gewitter, das sich derzeit im Leonberger Rathaus entlädt, sorgt für mächtig Gesprächsstoff in der Stadt. Und es beschäftigt die Gemeinderäte, die eigentlich genügend andere Themen in der momentan turbulenten Zeit zu bewältigen haben. Und es wird wohl noch einige Zeit dauern, bis die Hintergründe aufgeklärt sind. Fakt ist bislang: Leonbergs Erste Bürgermeisterin hat ein Schreiben an die Regierungspräsidentin Susanne Bay (Grüne) und an die Staatsanwaltschaft geschickt. Darin erhebt Josefa Schmid (FDP) schwerwiegende Vorwürfe gegen ihren Chef, Oberbürgermeister Martin Georg Cohn (SPD).

Er soll sich in ein Bußgeldverfahren gegen seine Person wegen zu schnellen Fahrens eingemischt und dieses zu stoppen versucht haben. Cohn widerspricht: „Hier wurde von mir kein Einfluss genommen. Ich habe meine Rechte im Bußgeldverfahren, das bereits abgeschlossen ist, wie jeder andere Bürger nutzen dürfen. Meine Stellung als Oberbürgermeister habe ich hierbei nicht ausgenutzt.“

Dass bei der Staatsanwaltschaft eine Anzeige gegen ihn vorliege, das werde von einigen Medien kommuniziert. „Mir liegen jedoch hierzu nach wie vor derzeit keinerlei Informationen vor. Ich werde transparent und allumfassend mit den Behörden kooperieren. Ich bitte um Verständnis, dass ich deshalb weitere Ausführungen nicht machen kann.“ Die Erste Bürgermeisterin kritisiert zudem Cohns Umgang mit einigen Mitarbeitern. Von verbalen lautstarken Drohungen gegen Mitarbeiter ist die Rede. Auch von persönlich anmaßenden Bemerkungen.

Liste der Mitarbeiter, die gegangen sind, ist lang

Das Regierungspräsidium Stuttgart werde als zuständige Kommunalaufsicht den Inhalt des Schreibens von Josefa Schmid vom 28. September 2022 sorgfältig prüfen, hieß es auf Anfrage. Zur Dauer einer solchen Prüfung könne keine konkrete Antwort gegeben werden, da diese von vielen Faktoren abhängig sei. Beim Staatsministerium wird parallel geprüft, ob es einen Anhaltspunkt für eine Straftat gibt und ob ein Ermittlungsverfahren eingeleitet werden muss. Bis dahin gilt die Unschuldsvermutung.

Die Liste der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die seit Cohns Amtsantritt im Dezember 2017 das Rathaus verlassen haben – aus welchen Gründen auch immer – ist lang. Mit Norbert Geissler (Stadtplanung), Dominik Heni, Birgit Albrecht, Hubertus Borrmann (alle Gebäudemanagement), Bärbel Sauer (Ortsvorsteherin und OB-Referentin für Verkehrsplanung) oder Peter Herrle (persönlicher Referent des OB) sind hier nur einige erwähnt.

Im Oktober des vergangenen Jahres wurde die CDU-Fraktion im Gemeinderat mit einem Schreiben an den OB aktiv, um die Gründe für die hohe Fluktuation zu erfahren und um Lösungen zu finden. „Neben den reinen Akquise-Kosten für Stellenanzeigen, Führen von Einstellungsgesprächen und Ähnliches leidet vor allen Dingen eine effektive und arbeitsfähige Verwaltung unter einer zu hohen Fluktuation“, heißt es in dem Schreiben des CDU Stadtverband-Vorsitzenden und stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Oliver Zander. In dieser Untersuchung solle es nicht darum gehen, den oder die Schuldigen zu finden, sondern Lösungen aufzuzeigen, wie die Gesamtsituation im Sinne von Leonberg und den Bürgerinnen und Bürgern verbessert werden könne.

Fachkräftemangel betrifft auch die Rathäuser

Ottmar Pfitzenmaier, SPD-Fraktionsvorsitzender und Mitglied im Ältestenrat, hat große Sorge, dass eine öffentliche Schlammschlacht die Atmosphäre im Rathaus völlig vergiftet. Auch ihm bleiben die hohe Mitarbeiter-Fluktuation und die Vakanzen auf mancher Stelle in der Verwaltung nicht verborgen. „Ich möchte den Oberbürgermeister nicht überdimensional in Schutz nehmen, mein Verhältnis zu ihm ist nicht ganz unkritisch, doch einen Arbeitswechsel an einem Vorgesetzten festzumachen, finde ich schwierig.“ Gründe, weshalb Menschen den Job wechselten, gebe es viele, seien es eine bessere Bezahlung oder auch andere persönliche Umstände. „Und momentan haben wir auf vielen Gebieten einen Fachkräftemangel.“ Der SPD-Gemeinderat macht keinen Hehl aus seinem Ärger darüber, dass Josefa Schmids Schreiben an die Staatsanwaltschaft und an das Regierungspräsidium „zu einem recht späten Zeitpunkt erfolgte und öffentlich durchgesteckt wurde, das ist indiskutabel und schädlich für die Stadt, so ein Vorgang wird nur Verlierer produzieren“. Er hätte sich gewünscht, dass sich die Erste Bürgermeisterin an den Ältestenrat gewandt hätte. „Es hätte doch andere Wege gegeben, egal wie die Sache mit der Strafanzeige jetzt ausgeht, es bindet innerhalb der Verwaltung jetzt Zeit und Energie“, so Pfitzenmaier.

SPD: Beschwerde kommt zu spät

Axel Röckle, Fraktionsvorsitzender der Freien Wähler, möchte sich zu diesem Zeitpunkt kein Urteil erlauben. „Ich weiß nur das, was in den Zeitungen stand, man müsste die Beteiligten hören, ein objektives Bild kann ich mir nicht machen.“ Für die Stadt sei diese Entwicklung nicht sonderlich gut.

„Wir Fraktionen haben über die Sommergespräche versucht, das zerrüttete Verhältnis in der Rathausspitze anzusprechen, mehr können wir als Gemeinderat nicht tun.“ Der Oberbürgermeister sei Wahlbeamter und für acht Jahre gewählt – fast fünf Jahre ist er bereits im Amt. Die Erste Beigeordnete sei durch den Gemeinderat gewählt. „Auch da haben wir keinerlei Einfluss.“

Grüne stehen nicht bedingungslos hinter dem OB

Bernd Murschel, der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Gemeinderat, ist der Meinung, dass dringend etwas passieren müsse, um ein arbeitsfähiges Umfeld im Rathaus zu schaffen. „Dass die Chemie zwischen Herrn Cohn und Frau Schmid nicht stimmt, ist dem Gemeinderat schon länger bekannt, das ist katastrophal und schadet der Kommunalpolitik. Es hilft doch nichts, wenn man sich das Leben schwermacht und sich gegenseitig verklagt, deshalb sehen wir das Vorgehen von Frau Schmid auch kritisch.“ Murschel macht aber auch deutlich, dass die Grünen-Fraktion nicht bedingungslos hinter Martin Georg Cohn steht. „Wir haben Schnittmengen, wenn es darum geht, weg von der autogerechten Stadt die Mobilität in der Stadt voran zu bringen und die Lebensqualität zu steigern. Doch die Strukturen und die Organisation im Rathaus müssen besser werden.“