Spektakuläre Aktion, aber kein Rettungseinsatz: Der Hubschrauber Christoph 22 aus Ulm am Donnerstag vor dem Stuttgarter Staatstheater. Foto: Lichtgut/Leif Piechowski

Ein Rettungseinsatz zwischen Landtag und Staatstheater? Mitnichten. Was am Donnerstag für Aufsehen in Stuttgart gesorgt hat, gehört zu einem Auftritt der ADAC Luftrettung. Und der kommt nicht zufällig.

Es knattert am Himmel. Verwundert schauen die Passanten am Donnerstagmorgen im Schlossgarten nach oben. Von dort schwebt ein knallgelber Rettungshubschrauber herab. „Notarzt“ steht darauf. Er landet direkt vor dem Staatstheater am Eckensee. Womöglich ein Unfall? Ein Rettungseinsatz direkt im Schlossgarten?

Nicht ganz. Denn die spektakuläre Aktion begleitet einen Auftritt der ADAC Luftrettung im benachbarten Landtag. Dort stellt das gemeinnützige Rettungsunternehmen aus München seine Jahresbilanz für Deutschland und mehrere besondere Projekte in Baden-Württemberg vor. Im großen Rahmen, bei der Landespressekonferenz. „Der ADAC wurde ja vor 120 Jahren in Stuttgart gegründet“, sagt Geschäftsführer Frédéric Bruder, während draußen Kamerateams filmen, scharenweise die Leute den Helikopter beäugen und die Crew mit Fragen bestürmen. Christoph 22, wie alle Rettungshubschrauber in Deutschland nach dem Schutzheiligen der Reisenden benannt, kommt von der Station in Ulm und dient für einige Stunden als Schauobjekt.

Das ist durchaus ungewöhnlich – denn die ADAC Luftrettung spielt bisher in Baden-Württemberg nicht die ganz große Rolle. Sieben der acht Stationen im Land werden vom zweiten großen deutschen Anbieter betrieben, der DRF Luftrettung mit Sitz in Filderstadt (Landkreis Esslingen). Die feiert zudem derzeit ihren 50. Geburtstag. Die ADAC Luftrettung betreibt bisher nur die Station am Bundeswehrkrankenhaus in Ulm.

Man muss dazu wissen, dass es derzeit große Diskussionen um die Rettungshubschrauber in Baden-Württemberg gibt. Aufgrund eines Gutachtens sollen die Standorte verändert werden. Zwei zusätzliche soll es geben, außerdem werden die Helikopter in Leonberg und Friedrichshafen trotz Widerstands vor Ort verlegt. Das bedeutet: viele interessante Ausschreibungen. Beobachter sehen den ADAC-Auftritt in Stuttgart deshalb auch in diesem Zusammenhang.

Der Markt ist in Bewegung

Das will Bruder gar nicht abstreiten. „Wir sind interessiert daran, den Menschen Hilfe zu bringen“, sagt er. Natürlich seien die Veränderungen im Südwesten dabei interessant. Bruder kritisiert allerdings grundsätzlich, dass die Vergabeverfahren in Deutschland „sehr preisgetrieben“ seien, was im medizinischen Bereich nicht sinnvoll sei. Das verursache Konkurrenz und Preisdruck.

Der ADAC hat dann aber doch mehr zu bieten als nur eine Werbeaktion mit Hubschrauber. Zum einen sind das die bundesweiten Einsatzzahlen im vergangenen Jahr. Die sind mit 55 675 auf einen Rekordwert gestiegen, ein Plus im Vergleich zu 2021 von fast sieben Prozent. Das liegt wohl am zurückgekehrten öffentlichen Leben nach der Coronapandemie. 2144 Einsätze haben die ADAC-Retter in Baden-Württemberg geflogen, die meisten von Ulm aus. Dort lag das Plus sogar bei acht Prozent – was einen zusätzlichen Grund hat.

Multikopter als Zukunftsprojekt

Dort wird nämlich seit gut einem Jahr eine Technik erprobt, die sich künftig vielerorts durchsetzen könnte. Bisher fliegen Rettungshubschrauber vorwiegend bei Tageslicht, an wenigen Standorten mit Nachtsichtgeräten auch rund um die Uhr. Mit Genehmigung des Innenministeriums wird in Ulm die Ausweitung des Tagflugs auf die Abendstunden getestet. Sprich: Im Winter, wenn es früh dunkel wird, wird bis 20 Uhr weitergeflogen. Das deckt eine Tageszeit ab, zu der auf den Straßen noch viel los ist. Das erhöht die Einsatzzahl.

Es ist nicht das einzige ADAC-Projekt im Land. In Ulm wird seit einiger Zeit auch mit Blutreserven an Bord geflogen. Und nun sogar per Drohne: Die Flüge pendeln zwischen der DRK-Blutbank und der Chirurgie des Universitätsklinikums. Doch das soll nur der Anfang sein. Gemeinsam mit der Firma Volocopter aus Bruchsal arbeitet man intensiv am künftigen Einsatz von elektrischen Multikoptern. Sie könnten Notärzte schnell zu Patienten bringen, wenn kein Patient transportiert werden muss. Noch im Sommer soll der erste öffentliche Probeflug am Flughafen Lahr über die Bühne gehen.

Viel Wirbel also bei der Luftrettung. Bis Christoph 22 vor der Stuttgarter Oper wieder abhebt, hat er viele Neugierige angezogen. Mission erfüllt – auch ohne Rettungseinsatz.