Der Mensch steht bei ihr im Mittelpunkt: Achtsamkeitstrainerin Mandy Schlegel im Gespräch. Foto: Roberto Bulgrin

Wie finde ich mit kleinen alltäglichen Übungen meine innere Mitte? Die Achtsamkeitstrainerin Mandy Schlegel aus Nürtingen hat es zu ihrem Beruf gemacht, anderen Menschen Wege zu mehr Zufriedenheit aufzuzeigen.

„Sich bewusst wahrnehmen. Im Hier und Jetzt sein und darin aufgehen.“ Ein Satz, der immer wieder fällt, wenn Mandy Schlegel mit einem Klienten spricht. Meist ist ihr Gegenüber an einem Wendepunkt in seinem Leben angelangt. Aus irgendeinem Grund ist der eigene Kompass verloren gegangen. Dann ist es der Job der 31-Jährigen, ihm zu helfen, mit sich ins Reine zu kommen. Schlegel ist Achtsamkeitstrainerin. Das heißt, sie leitet dazu an, wieder ins Gleichgewicht zu kommen und zufriedener durchs Leben zu gehen.

Jeder hat schon Erfahrung mit solchen Situationen gemacht: Ob in der Familie oder im Beruf - man fühlt sich wie in einem Hamsterrad gefangen. Das Leben gleitet an einem vorbei, man spürt sich selbst gar nicht mehr. Mit seinem Schicksal hadern, sei dann der falsche Weg, sagt sie. „Damit verschwende ich nur unnötig Energie.“ Statt nach den Ursachen zu fragen, solle man besser das Was und das Wie ergründen. Was tue ich gerade? Und wie gebe ich mich in dieser Situation? Allein in dieser akzeptierenden Wahrnehmung stecke bereits Veränderung.

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Die Gegenwart bewusst akzeptieren

Viele beschäftigen sich gedanklich mit der Vergangenheit, sind belastet mit Sorgen oder blicken bange in die Zukunft. Immer in der Hoffnung, dass alles irgendwann besser wird und sich Zufriedenheit einstellt. Achtsamkeit bedeute, sich auf das Jetzt einzustellen, ohne es zu bewerten, erklärt Schlegel. Die Gegenwart bewusst zu beobachten und zu akzeptieren. Mit hellwachen Sinnen bei sich sein und den Moment erleben – genau das helfe, den Alltag zu entschleunigen.

Ursprünglich stammt Achtsamkeit aus dem Buddhismus. Viele Elemente wurden in die Medizin übernommen. Heute sind auch viele Wissenschaftler überzeugt, dass Achtsamkeit ein natürliches Mittel gegen Stress und Zerstreuung im Alltag sei.

Der Mensch stand schon immer im Mittelpunkt ihrer Arbeit. Elf Jahre war Mandy Schlegel als Ergotherapeutin in einer Klinik tätig und hat dabei Patienten aller Altersgruppen aus Krisen heraus zu mehr Balance und Lebensqualität begleitet. Sie hat dabei erlebt, dass das Niveau der Zufriedenheit bei vielen von der Arbeitssituation abhängig ist. Gleichzeitig habe sie beobachtet, dass Wirtschaft und Arbeit gerade einen tief greifenden Wandel erfahren, erklärt die 31-Jährigen. Und darin sieht sie große Chancen für mehr persönliche Erfüllung und menschlichere Arbeitsumfelder. Um diese Zusammenhänge besser nachvollziehen zu können, entschied sie sich, mit ihren therapeutischen Erfahrungen den Weg in die Wirtschaft einzuschlagen. Sie studierte Betriebswirtschaft und Wirtschaftspsychologie mit den Schwerpunkten Changemanagement und Führungspsychologie. Und sie machte eine Ausbildung zur Achtsamkeitstrainerin. Dabei wählte sie nicht den spirituellen, sondern einen neurowissenschaftlichen Ansatz nach Jon Kabat-Zinn. Der amerikanische Mediziner und Molekularbiologe lehrt eine achtsamkeitsbasierte Stressreduktion. Seine Methode vereint wissenschaftliche Erkenntnisse mit fernöstlichen Erfahrungen aus Buddhismus, Yoga und Zen. Schlegel sagte dem öffentlichen Dienst Ade und entschied sich für die Selbstständigkeit. In einem Startup-Hub in der Stuttgarter Innenstadt bietet sie nun Achtsamkeitstraining und wirtschaftspsychologische Beratung an, in Einzel-, aber auch Gruppensitzungen. Zu ihren Kunden gehören mittlerweile auch große Unternehmen, die darauf setzen, mit Achtsamkeitstraining die Zufriedenheit ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und damit auch deren Leistungsfähigkeit zu verbessern.

„Multitasking das Gegenteil von Achtsamkeit“

Jedem Klienten rät die 31-Jährige, wenigstens einmal am Tag bewusst bei sich ankommen. Die Frage „Wie bin ich?“ meine „Wie konzentriert, annehmend und wirkungsvoll bin ich gerade?“ Bei der Frage nach dem eigenen Tun helfen die fünf Sinne und zudem die beiden inneren Kanäle Atmung und Körperempfindung. Ein Tipp für den Alltag: „In Situationen, in denen ich in ein erhöhtes Tempo gerate, sollte ich schauen, dass ich meine Atmung vertiefe. In einer Haltung, in der ich gut atmen kann und bei der die Füße geerdet sind“, erklärt Schlegel.

Die Sinneskanäle lassen sich mit einfachen Übungen weiten. Ein paar Beispiele: zehn Dingen aufzählen, die rot sind; sein Frühstücksmüsli so zubereiten, dass sich mindestens drei Farben darin finden; sich erinnern, wie ein Apfel schmeckt.

Achtsamkeit üben, bedeute auch, sich immer wieder mal zu vergegenwärtigen: Stopp, was wollte ich gerade? Gezielt den Fokus auf etwas legen und einen achtsamen Rhythmus finden. „Multitasking ist das Gegenteil von Achtsamkeit“, stellt sie unmissverständlich fest. Ratsam sei zudem sei, sich bei anstehenden Aufgaben zu fragen: Wie viel Zeit und wie viel Energie habe ich? Wie viel dieser geistigen und psychischen Energie bin ich bereit zu investieren?

Achtsame Momente im Alltag

Auf den Tag verteilt
 Statt einer täglichen Meditation von mindestens 30 Minuten empfiehlt der Psychiater und Psychotherapeut Michael Huppertz, achtsame Momente auf den gesamten Tag zu verteilen. Das kann schon beim Aufstehen sein.

Beispiele
 Sich beim Duschen auf das wärmende Wasser konzentrieren und nicht gleich in Gedanken den Tag durchgehen. Genauso beim Frühstück: den Fokus auf den Geschmack des Essens richten und nicht auf den Einkaufszettel. Beim Joggen bewusst die frische Luft wahrnehmen und auf die Umgebungsgeräusche achten.