Quelle: Unbekannt

Besser oder zumindest weniger schlecht als noch im vergangenen Herbst - so zeigt sich das Konjunkturklima in der regionalen Wirtschaft Anfang 2020.

StuttgartNach der steilen Negativkurve des regionalen Konjunkturklimas in den vergangenen Monaten folgt wieder eine Verschnaufpause – vielleicht sogar, um Luft zu holen für einen besseren Geschäftsverlauf mittel- bis langfristig. Die Umfrage der Industrie- und Handelskammer (IHK) Region Stuttgart unter 800 Mitgliedsbetrieben, die am Dienstag vorgestellt wurde, zeigt wieder einen neuen, wenn auch verhaltenen Optimismus zum Beginn des neuen Jahrzehnts.

Branchenübergreifend schätzen rund 40 Prozent der Unternehmen in der Region ihre Lage als gut ein – während es im Herbst nur ein Drittel war – und 14 Prozent als schlecht. Doch es gibt Unterschiede. Verbessert hat sich die Geschäftslage nach Einschätzung der Befragten in allen Branchen außer der Bauwirtschaft – die aber weiterhin boomt. Besonders zufrieden zeigen sich die Dienstleister mit ihrer aktuellen Situation (49 Prozent), drei von zehn blicken optimistisch auf die nächsten zwölf Monate. Im Handel melden 36 Prozent gute Geschäfte – allerdings erwarten hier mehr Betriebe eine Verschlechterung als im Herbst.

Auch geografisch zeigen sich Unterschiede: Die Agenturen für Arbeit machen es in ihren Berichten seit einigen Monaten deutlich. Bei einer Arbeitslosenquote von zuletzt 3,7 Prozent in der Region stieg die Zahl der Männer und Frauen auf Jobsuche im Januar wieder stärker als im Bundesschnitt. Dabei gab es auch innerhalb der Region, zwischen den einzelnen Landkreisen und der Stadt Stuttgart, Unterschiede in den Zuwachsraten und Quoten, die auf Unterschiede in der Wirtschaftsstruktur weisen. Göppingen hat eine höhere Arbeitslosenquote (vier Prozent) als der benachbarte Kreis Esslingen (3,4) und gilt als eine Art Vorreiter für die Folgen der Flaute in der Industrie, die in Esslingen mit Verzögerung ankommt – weil es dort ein wenig mehr Stellen in anderen Branchen gibt. Dagegen ist die Arbeitslosigkeit in der Landeshauptstadt, die weniger vom produzierenden Gewerbe geprägt ist als die umliegenden Kreise, weniger stark gestiegen.

"Industrie bleibt Achillesferse der lokalen Wirtschaft"

Unterschiede bestätigten auf Nachfrage unserer Zeitung auch die Präsidenten der IHK-Bezirkskammern Göppingen und Esslingen-Nürtingen mit Blick auf die gesamtwirtschaftliche Lage. „Im Prinzip ist die Struktur im Kreis Göppingen ähnlich wie im Landkreis Esslingen“, sagte Wolf Martin, Chef der IHK Göppingen und Co-Geschäftsleiter des Bankhauses Gebr. Martin. Esslingen habe aber als eine Art Sonderkonjunkturmotor die Messe und den Flughafen, die als Jobmotoren im Dienstleistungsbereich fungierten. So etwas fehle im Kreis Göppingen. „Wir sehen mit einer gewissen Erleichterung, dass zum Jahresbeginn der rasche Abwärtstrend aus 2019 vorerst gestoppt ist, auch im Landkreis Esslingen“, sagte Heinrich Baumann, Präsident der Esslinger IHK und geschäftsführender Gesellschafter des Autozulieferers Eberspächer. „Allerdings bleibt die Industrie die Achillesferse der lokalen Wirtschaft.“ Bei einem weltweit anhaltenden Auftragsschwund mache sich der lokale Schwerpunkt im Maschinen- und Anlagenbau mit seinen hohen Exportanteilen stärker bemerkbar. Im Vergleich zur Region Stuttgart zeige sich die Industrie im Kreis Esslingen bei der Bewertung ihrer Geschäftslage stärker unter Druck. „Erfreulich ist, dass aber auch hier die Stimmung dreht – wenn auch verhaltener als im Regionsdurchschnitt“, so Baumann.

Regionsweit geht es der vom Strukturwandel durch Verkehrswende und Digitalisierung sowie internationalen Handelskonflikten gebeutelten Industrie besser – oder zumindest weniger schlecht als noch im Herbst, wie die IHK Region Stuttgart bei der Befragung feststellte. Der Anteil der Optimisten in Bezug auf die Geschäftsentwicklung ist demnach von 16 auf 24 Prozent gestiegen. Mehr als ein Viertel melden gute Geschäfte, nicht ganz so viele schlechte und jeder Zweite sieht sich in einer befriedigenden Situation. Außerdem geben mehr Industrieunternehmen einen gleichbleibenden oder größeren Auftragseingang an. Zudem gibt es wieder mehr Optimismus in Bezug auf die Exportgeschäfte, während die Industrie nicht mit einer Erholung des Inlandsgeschäfts noch in diesem Jahr rechne. Johannes Schmalzl, Hauptgeschäftsführer der IHK Region Stuttgart, verwies in diesem Zusammenhang auf Entspannung in Welthandelskonflikten wie ersten Vereinbarungen zwischen den USA und China. Doch die „Hängepartie“ im Zusammenhang mit dem EU-Austritt Großbritanniens sei noch nicht vorbei. „Für unsere regionale Wirtschaft ist das von größter Bedeutung.“

Für jedes zweite Unternehmen als Geschäftsrisiko gilt der Fachkräftemangel. Entsprechend schätzt die IHK den Arbeitsmarkt als stabil ein. Allerdings zeigen sich die Unternehmen zurückhaltender in der Personalpolitik. Während vor einem Jahr noch 90 Prozent ihren Mitarbeiterstamm aufbauen oder halten wollten, sind es jetzt noch 75 Prozent, merkte die Präsidentin der IHK Region Stuttgart, Marjoke Breuning, an.

Vor allem auch an die Kommunen und ihre Einwohner richtete sich der Appell vom Göppinger IHK-Präsidenten Martin: Die regionale Wirtschaft benötige mehr Gewerbe- und Industrieflächen, um Platz für die Entwicklung technischer Innovationen zu haben und so den Strukturwandel meistern zu können. Der IHK zufolge hat die Region noch ein Potenzial von insgesamt 1000 Hektar – und während andernorts kaum Raum mehr verfügbar ist, rückt der Kreis Göppingen in den Fokus. Leider fänden Unternehmen aber wenig Akzeptanz, monierte Martin und verwies auf ein an einem Bürgerentscheid gescheitertes Gewerbegebiet in Uhingen. „Wenn wir keine Flächen bereitstellen, werden Investoren an uns vorbei und Arbeitsplätze und Wertschöpfung verloren gehen.“