Diabetes- und Abnehmmedikamente spritzt man sich unter die Haut – in den Bauch, Arm oder Oberschenkel. Foto: Imago/Pond5 Images/xaniloracru631x

Seit Kurzem ist in Deutschland mit Mounjaro eine weitere Abnehmspritze zugelassen. Schlank werden ohne zu hungern, nur mit einem Piks? Präparate wie Ozempic, Wegovy und andere werden als Sensation angepriesen. Doch was können die Mittel wirklich? Und für wen sind sie geeignet?

Millionen Menschen in Deutschland sind zu dick. Das birgt Gefahren. Ob Arthrose, Diabetes Typ 2 oder Herzinfarkt: Übergewicht ist ein Risikofaktor für zahlreiche Erkrankungen. Gewicht zu reduzieren, sich gesund zu ernähren und genügend zu bewegen fällt aber vielen schwer. Kein Wunder also, dass sogenannte Abnehmspritzen wie Wegovy, das seit vergangenen Sommer auch in Deutschland verfügbar ist, vor allem in den sozialen Netzwerken und der Promiwelt als Wundermittel gefeiert werden.

Die Nachfrage ist groß, der Markt teils leer gefegt. Nun gibt es neue Konkurrenz: Mit Mounjaro ist seit Kurzem ein weiteres Mittel zum Abnehmen zugelassen, mit dem ohne Diät noch mehr Pfunde purzeln sollen. Doch was bringen die Präparate wirklich? Und welche Nebenwirkungen haben sie?


Welche Abnehmspritzen sind auf dem Markt? „Diabetesmedikamente, mit denen auch eine therapeutische Gewichtsabnahme möglich ist, gibt es in Deutschland seit mehr als 15 Jahren“, sagt Baptist Gallwitz, Sprecher der Deutschen Diabetes-Gesellschaft in Berlin. Der Hype habe hierzulande begonnen, als der Wirkstoff Semaglutid vor gut einem Jahr in Europa auch als Abnehmmittel zugelassen wurde, so der Facharzt für Innere Medizin, Diabetologie und Endokrinologie.

Die Mittel sind in Fertigspritzen erhältlich, sogenannten Pens. Foto: I/mago/Jaap Arriens

Pharmakonzerne wittern das große Geld. Das dänische Unternehmen Novo Nordisk etwa hat inzwischen drei Mittel im Programm: Ozempic, das in Deutschland allerdings nur zur Diabetes-Therapie zugelassen ist, Wegovy und Saxenda. Weitere Kandidaten drängen auf den Mark. Branchenkenner sprechen von gut 50 Mitteln von zahlreichen Firmen, mit denen in Kürze zu rechnen sei.

Mounjaro vom US-Pharmakonzern Eli Lilly etwa ist seit Dezember in der EU zur Gewichtsreduktion indiziert. Zudem werden von einigen Firmen bereits Generika, also Nachahmerpräparate, entwickelt. Auch zu Fälschungen kam es, deren Einnahme jedoch gefährliche Folgen haben kann.

Ozempic, Wegovy & Co.

Welche Wirkstoffe gibt es? Bisher basierten die Spritzen auf drei sehr ähnlichen Wirkstoffen. Das für Diabetes indizierte Ozempic und auch Wegovy enthalten Semaglutid. Der Unterschied: Wegovy ist deutlich höher dosiert. Eine ähnliche Substanz namens Liraglutid ist in Saxenda. Zudem gibt es Dulaglutid, das etwa im Diabetesmittel Trulicity enthalten ist. Neu ist Tirzepatid, das als Mounjaro auf dem Markt ist.

Wie wirken Ozempic, Wegovy, Mounjaro? Vereinfacht gesagt ahmen Semaglutid und Co. die Wirkung des Peptids GLP-1 nach, das für das Sättigungsgefühl wichtig ist. Die Stoffe signalisieren dem Körper, dass Insulin ausgeschüttet werden soll. Sie senken so den Blutzuckerspiegel und führen dazu, dass man sich satt fühlt. Anwender essen weniger und nehmen ab.

Tirzepatid ähnelt gleich zwei körpereigenen Peptiden: GLP-1 und zudem GIP. Es fördert ebenfalls die Freisetzung von Insulin, verbessert so die Blutzuckereinstellung und zügelt den Appetit. Da es auch die Verdauung verzögert, fühlt man sich noch länger satt. Studien haben gezeigt, dass Gewichtsverluste von mehr als 20 Prozent des Körpergewichts möglich sind – und somit bis zu zehn Prozent mehr als bei Semaglutid.

Wie nimmt man die Präparate? Bisher muss man sich die Mittel unter die Haut injizieren. Je nach Wirkstoff täglich oder einmal pro Woche in den Bauch, Oberschenkel oder Oberarm. Die Mittel sind als Fertigspritzen erhältlich, sogenannte Pens. Experten rechnen damit, dass es bald auch Tabletten geben wird, die zum Abnehmen geeignet sind. Da die Anwendung einfacher ist, wird die Nachfrage wohl weiter steigen.

Ozempic kaufen?

Was kostet die Behandlung? Für eine Monatsration kommen je nach Hersteller in Deutschland 300 bis 400 Euro zusammen. Die Mittel sind verschreibungspflichtig, die Kosten muss man selbst tragen. Obwohl Adipositas seit 2020 als Krankheit anerkannt ist, gehören Abnehmspritzen nicht zum Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenkassen. Private Versicherungen übernehmen sie teils – unter bestimmten Voraussetzungen.

Wer ist Zielgruppe? „Die Mittel sind für Menschen mit Adipositas gedacht“, sagt Baptist Gallwitz von der Deutschen Diabetes-Gesellschaft. Konkret heißt das: Patienten mit einem BMI über 30 können die Therapie verordnet bekommen. Zusätzlich sind die Mittel auch für Menschen mit einem BMI über 27 mit Begleiterkrankungen wie Diabetes zugelassen. Zuvor müssen Betroffene aber konservative Maßnahmen wie Ernährungsberatungen durchlaufen haben.

Wer ein paar Kilo verlieren will, solle die Finger davon lassen, so der Endokrinologe Gallwitz weiter: „Wir warnen davor, Präparate wie Wegovy als Lifestylemedikamente zu nutzen.“ Die Einnahme sei ein Eingriff in den Körper – und müsse ärztlich begleitet werden. Daher gibt es die Mittel nur auf Rezept.

Abnehmspritze macht abhängig

Wie lange dauert die Therapie? Ein paar Mal spritzen – und schon ist man schlank? Von wegen! Stattdessen heißt es: einmal Spritze, immer Spritze. „Studien zeigen, dass die Präparate nur bei dauerhafter Therapie wirken“, erklärt Gallwitz. „Wer sie absetzt, nimmt wieder zu.“ Adipositas sei eine ernsthafte Krankheit: „Prävention ist aber besser, als lebenslang Medikamente zu nehmen.“

Welche Nebenwirkungen gibt es? Die Medikamente werden von Experten wie Baptist Gallwitz für Patienten mit extremem Übergewicht als gute Therapieoption eingeschätzt. Gleichwohl können Nebenwirkungen auftreten: Völlegefühl etwa, Durchfall, aber auch Verstopfung. „Häufig treten Nebenwirkungen nur begrenzt auf, vor allem zu Beginn der Therapie. Deshalb wird die Dosis langsam gesteigert“, so Gallwitz.

Ein Nebeneffekt ist, dass durch die hohe Nachfrage Produktionsengpässe entstanden sind. Diabetesmittel haben sich verknappt. Dass für Diabetiker gedachte Mittel wie Ozempic zum Abnehmen missbraucht werden, kritisiert Gallwitz: „Wer das tut, nimmt Kranken ihre lebenswichtige Arznei weg.“

Abnehmspritze oder Apfelessig, Diät, Bewegung?

Übergewicht
Vor allem in den Industrieländern nimmt Übergewicht und Fettleibigkeit rasant zu. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben an den Folgen inzwischen mehr Menschen als an Untergewicht.

Jo-Jo-Effekt
Abnehmspritzen werden nun als sogenannte Gamechanger gefeiert – sie sollen die Wende bringen. Die Mittel sind laut Studien tatsächlich effektiv. Ab einem bestimmten Punkt stagniert der Gewichtsverlust jedoch. Zudem tritt der berüchtigte Jo-Jo-Effekt ein, wenn man sie absetzt. Um dauerhaft das neue Gewicht zu halten, muss man die Medikamente für immer nehmen. Sonst nimmt man zumindest um einen Teil der abgespeckten Masse wieder zu. Die Sanfte Alternative zur Abnehmspritze ist mehr Bewegung mit Diät, möglicherweise in Verbindung mit Apfelessig.

Milliardengeschäft
Dennoch ist die Nachfrage enorm. Schätzungen zufolge hat der Markt weltweit ein jährliches Umsatzpotenzial von bis zu 140 Milliarden Dollar. Die Produktion kommt aber kaum nach. Der US-Pharmakonzern Eli Lilly etwa plant daher ein neues Werk in Alzey (Rheinland-Pfalz).