Am Standort Kornwestheim kritisieren Mitarbeitende schon länger den hohen Arbeitsdruck. Foto: /Simon Granville

Die Gütersparte der deutschen Bahn DB Cargo hat entschieden, bundesweit 2300 Stellen zu streichen. Am Standort Kornwestheim sorgt nicht nur das „Freiwilligenprogramm“ bei den Mitarbeitern für Aufregung.

Die angeschlagene Güterverkehrstochter DB Cargo hat beschlossen, bundesweit 2300 Stellen zu streichen. Am Güterbahnhof in Kornwestheim ist derweil nach Informationen von Mitarbeitern das „Freiwilligenprogramm DB Cargo AG“ ins Gleis gesetzt worden, das bis Ende November läuft. Laut Aushang, der unserer Redaktion vorliegt, richtet sich das vor allem an rentennahe Jahrgänge, denen ein „einvernehmliches und schnelles Beenden des Arbeitsverhältnisses“ ermöglicht werden solle.

GDL rät Beschäftigten, den Dienstleister zu wechseln

Die Gewerkschaft Deutscher Lokomotivführer (GDL) kritisiert das Freiwilligenprogramm. „Wir verstehen den Ansatz der DB nicht. Das sind alles Eisenbahner, die wechseln die Branche und sind verloren für die Schiene“, sagt ein Sprecher. Umschulungen wären billiger für die DB Cargo als eine Abfindung. In der offiziellen Stellungnahme heißt es weiter: „Aus Sicht der GDL kann man den Eisenbahnern im direkten Bereich derzeit nur raten, zu anderen Arbeitgebern im Bereich des Schienengüterverkehrs beziehungsweise der Dienstleister zu wechseln.“

Beunruhigender als das Freiwilligenprogramm ist für die Mitarbeiter ein Fragebogen, den sie ausfüllen sollen. Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten. In einem Schreiben, das unserer Zeitung ebenfalls vorliegt, heißt es, dabei handle es sich um eine „vorbereitende Maßnahme“. Um die Mitarbeitenden benennen zu können, die vom Arbeitsplatzwegfall betroffen seien, müsse eine Sozialauswahl stattfinden. Daran, dass der Fragebogen erst einmal dazu dient, über jeden Mitarbeiter aktuelle Informationen zu führen, glauben viele Beschäftigten nicht.

Vielmehr befürchten sie, dass damit bestimmt werden soll, wem gekündigt wird, falls sich bei dem Freiwilligenprogramm nicht genügend Mitarbeiter finden. „Erst darf sich bis November jeder freiwillig melden und wenn das nicht genug sind, kommt der Sozialplan nach Punkten“, mutmaßt ein Angestellter, der anonym bleiben möchte.

Mitarbeiter befürchten, dass junge Kollegen gehen müssen

Mitarbeiter des Standortes Kornwestheim kritisieren schon länger den hohen Arbeitsdruck, der durch eine dünne Personaldecke und einen hohen Krankenstand zustande komme. „Das führt zu Demotivation, die Leute, die arbeiten, fühlen sich ausgenutzt und bewerben sich dann um“, sagt ein Mitarbeiter. Mehrere Arbeitnehmer berichten übereinstimmend von ihrer Sorge, dass durch eine Sozialauswahl junge, motivierte Kollegen entlassen werden und sich die Abwärtsspirale dadurch weiter vorsetze. DB Cargo dementiert auf Anfrage, dass es am Standort Kornwestheim zu Entlassungen kommt und eine Sozialauswahl geplant ist. „Dank konzerninterner Regelungen der DB zur Beschäftigungssicherung und einem großen konzerninternen Arbeitsmarkt sind keine betriebsbedingten Kündigungen geplant“, sagt ein Sprecher. Das Marktumfeld der Logistik bleibe jedoch weiter schwierig. „Wir werden darauf reagieren und gehen von weiteren deutlichen Anpassungen aus.“

Der Einzugsbereich des Güterbahnhofs Kornwestheim reicht vom Schwarzwald bis zum Bodensee. Foto: Simon Granville

DB Cargo unter wirtschaftlichem Druck

Der Druck von DB Cargo, Personal einzusparen, hat mehrere Gründe. Zum einen fährt das Unternehmen seit Jahren hohe Verluste ein. Allein im ersten Halbjahr dieses Jahres betrug das operative Minus vor Zinsen und Steuern mehr als 260 Millionen Euro. Zum anderen läuft derzeit noch ein Beihilfeverfahren der EU-Kommission. Dabei wird geprüft, ob der Ergebnisabführungsvertrag, mit dem der Mutterkonzern die Verluste der Güterbahn ausgleicht, zulässig ist. Schon jetzt steht fest, dass DB Cargo zukünftig selbst schwarze Zahlen schreiben muss.

Der Standort Kornwestheim gehört zu den größten Güterbahnhöfen in Deutschland und geriet im Juli in die Kritik, weil sich Mitarbeiter über die Arbeitsbedingungen vor Ort beschwert hatten. Laut Aussagen sei dort monatelang die Wasserversorgung und Heizung ausgefallen. Unsere Zeitung berichtete exklusiv. Mitarbeiter beanstandeten außerdem schon damals den hohen Arbeitsdruck durch steigende Krankheitsausfälle und Kündigungen. Der Personalmangel wirke sich auch auf die Arbeitssicherheit aus, erzählten Beschäftigte. Nach der Veröffentlichung des Artikels meldeten sich weitere Mitarbeiter, die diese Schilderungen bestätigten.

Arbeitsbedingungen haben sich Berichten zufolge nicht verbessert

Die Standortleitung wehrte sich gegen die Vorwürfe und vermutete dahinter einzelne, unzufriedene Mitarbeiter. Bei einem Gang über das Gelände teilte Standortleiter Andreas Ludwig mit, die Gebäude würden nach und nach saniert werden. An der Situation habe sich seit Juli nichts verändert, berichten Mitarbeiter heute. „Die Umstände haben sich nach dem Artikel weder gebessert noch verschlechtert“, sagt einer von ihnen. Im Fokus stehe derzeit die Wirtschaftlichkeit, nicht die Sanierungen.