Der FDP missfallen starre Altersgrenzen für amtliche Weinprüfer. (Symbolbild) Foto: imago/photothek/Ute Grabowsky/photothek.net

Die FDP hält Altersgrenzen in bestimmten Jobs für überholt und fordert deren Abschaffung. Für amtliche Weinprüfer ist 62 Jahre das kritische Alter. Geht der Geschmack flöten?

Die FDP stört sich an starren Altersgrenzen für amtliche Weinprüfer, öffentlich bestellte Vermessungsingenieure und den ehrenamtlichen Feuerwehrdienst. So dürfen Männer und Frauen, die das 62. Lebensjahr vollendet haben, nicht mehr Mitglieder einer Prüfungskommission für die amtliche Qualitätsweinprüfung werden, wie aus einer Antwort des Wirtschaftsministeriums auf eine Anfrage der FDP-Fraktion im Stuttgarter Landtag hervorging. Begründet wird dies unter anderem mit schwindendem Geschmacks- und Geruchssinn.

Die Liberalen-Abgeordnete Julia Goll sagte, man sollte hin zu einer individuellen Betrachtung des Einzelnen kommen, beispielsweise mit Tests. „Starre Grenzen sind in vielen Bereichen nicht mehr nachvollziehbar.“ Das gelte für fitte Feuerwehrleute im freiwilligen Dienst genauso wie für die Prüfer bei einer Weinverkostung.

Der Geschäftsführer des Badischen Weinbauverbands, Holger Klein, sprach sich ebenfalls für die Überprüfung der sensorischen Fähigkeiten der Prüfer ab einem gewissen Alter aus. Er verwies drauf, dass für die Ausprägung des Geschmacks- und Geruchssinns jahrelanges Training und viel Erfahrung notwendig seien.

Agrarministerium verteidigt Altersgrenze

Ein Sprecher des Agrarministeriums verteidigte dagegen die Altersgrenze für die Weinprüfer. Mit zunehmendem Alter lasse der Geschmacks- und Geruchssinn nach. „Mit der seinerzeitigen Einführung dieser Regelung wurde versucht, diesem Umstand Rechnung zu tragen.“ Im Gegensatz zum Seh- und Hörsinn gebe es beim Geruchs- und Geschmackssinn, der für die Qualitätsweinprüfung essenziell sei, keine individuellen technischen Hilfsmittel, um diesen zu ergänzen.

Weiter erklärte der Sprecher: „Die Anforderungen der Verbraucher an einen Qualitätswein entwickeln sich erfahrungsgemäß mit nachfolgenden Generationen weiter. Auch diesem Umstand soll diese Regelung Rechnung tragen.“ Durch Altersgrenzen werde zudem ein kontinuierlicher Nachzug neuer Prüferinnen und Prüfer gefördert und sichergestellt.

Darüber hinaus werde man nur für einen definierten Zeitraum und nicht auf Lebenszeit in eine solche Prüfungskommission berufen. „Diese Regelung soll den oben dargestellten Anforderungen ebenfalls Rechnung tragen, um die Prüfungskommissionen den Anforderungen der Qualitätsweinprüfung entsprechend zusammenstellen zu können.“

235 Millionen Liter Wein und Most

Deutscher Qualitätswein bestimmter Anbaugebiete (b.A.) und deutscher Prädikatswein kann nach Angaben der Staatlichen Lehr- und Versuchsanstalt für Wein- und Obstbau Weinsberg als solcher nur bezeichnet werden, wenn ihm auf Antrag eine Prüfungsnummer zugeteilt worden ist. Voraussetzungen für eine solche Prüfung seien unter anderem eine genehmigte Rebanlage, die Anpflanzung klassifizierter Rebsorten beziehungsweise bei Neuzüchtungen Versuchsgenehmigungen, eine Weinbuchführung sowie die Meldung unter anderem der Ernte.

Dass Baden-Württemberg ein Weinland ist, machen Zahlen des Statistischen Landesamts deutlich: Gut 235 Millionen Liter Wein und Most wurden hier vergangenes Jahr erzeugt - mehr als in den drei Vorjahren.

Winzer aus Baden steuerten dabei mit knapp 137 Millionen Liter mehr bei als Kolleginnen und Kollegen aus dem württembergischen Landesteil (98 Millionen). Während in Baden der Anteil an Weißwein größer ist als an Rotwein, ist es in Württemberg genau andersrum. Mehr als ein Drittel (68,6 Prozent) des erzeugten Weins ist den Daten zufolge 2022 als Qualitätswein ohne Prädikat ausgezeichnet worden, 30,5 Prozent sogar als Prädikatswein - das ist die höchste Qualitätsstufe.

Altersgrenzen auch für andere Jobs

Auch für andere Jobs gibt es Altersgrenzen: Wer das 60. Lebensjahr vollendet hat, darf nicht mehr in das öffentliche Amt des Vermessungsingenieurs bestellt werden. Der ehrenamtliche Feuerwehrdienst in einer Einsatzabteilung endet mit Vollendung des 65. Lebensjahrs. „Für Helferinnen und Helfer der Hilfsorganisationen gibt es keine gesetzlichen Regelungen“, hieß es in der Antwort des Wirtschaftsministeriums weiter.

FDP-Politikerin Goll kritisierte, die Landesregierung gehe der Frage aus dem Weg, inwieweit eine starre Altersgrenze in Zeiten des Fachkräftemangels und zunehmender Fitness im fortgeschrittenen Alter noch zeitgemäß sei. „Das ist erstaunlich, zelebriert sie doch beim Regierungschef förmlich sein hohes Alter und die angebliche Erfahrung, die das mit sich bringt.“ Winfried Kretschmann ist 75 Jahre alt. Goll sagte: „Es wäre wirklich eine gute Idee, wenn die Landesregierung diese Verordnungen mal renovieren würde.“