Streaming-Empfehlungen fürs Wochenende: „Inventing Anna“, „The Legend of Vox Machina“, „The Power of the Dog“, „What we do in the Shadows“ und „Bennys Video“ (von links oben im Uhrzeigersinn) Foto: Netflix (2), Amazon,/imago images/Mary Evans

Welche neue Serie sollten Sie jetzt bingen? Welchen Film schauen, wenn Sie am Wochenende nur wenig Zeit vor dem Bildschirm verbringen wollen? Gibt es bei Netflix, Amazon und Co. Schätze, die Sie übersehen haben? Und was lohnt sich in den Mediatheken der öffentlich-rechtlichen Sender? Hier erfahren Sie, was sich gerade zu schauen lohnt.

So viele Streamingdienste, so viele Mediatheken, so viele Serien, Filme und Dokus – und so wenig Zeit. Und weil das Wochenende viel zu kostbar ist, um es vor dem Fernseher bei einem schlechtem Programm zu vergeuden, verraten wir Ihnen hier, was sich jetzt besonders zu schauen lohnt.

► Ich habe Lust auf starke Art-Styles und Tiefe

Love, Death + Robots

Zu sehen bei Netflix

Fantasy, Horror, Komödie oder Science-Fiction gefällig? In „Love, Death + Robots“ präsentiert der Ideengeber Tim Miller („Dead Pool“) eine Fülle an Kurzfilmen, die in sich abgeschlossen unterschiedliche Genres bedienen. Meist mit Komik am Zahn der Zeit, bissiger Gesellschaftskritik und einer gewissen Tiefe, werden die Geschichten in 6 bis 18 Minuten erzählt. Die einzelnen Folgen sind dabei stets stimmungsvoll und packend, sättigen wegen ihrer außergewöhnlichen und dystopischen Settings aber auch schnell.

Wirklich außergewöhnlich macht die Serie vor allem ihre Grafik: Je nach Episode wechselt der optische Stil – mal gibt es Computerspiel-Simulationen, an anderer Stelle Comic-Zeichnungen. Wer stets aufs Neue überrascht werden möchte, ist hier richtig. „Love, Death + Robots“ hat Mitte 2021 eine zweite Staffel erhalten und umfasst 26 Episoden. (xan)

         

► Lohnt sich wirklich dieser Spielfilm mit den vielen Oscar-Nominierungen?

The Power of the Dog

Zu sehen bei Netflix

Die kurze Antwort lautet: Ja, unbedingt!

Die etwas längere Antwort lautet: Es ist wahrscheinlich nicht das, was sich viele Leute unter einem Western vorstellen. Aber gerade darum ist es noch viel, viel besser. Der Film spielt 1925 in Montana; die beiden Brüder Phil und George führen gemeinsam eine Rinderranch und leben entspannt und unkompliziert miteinander – bis George die Gasthausbesitzerin Rose kennenlernt und sehr zum Widerwillen seines Bruders heiratet. Daraufhin entwickelt sich das, was man heutzutage wohl eine „toxische Beziehung“ nennt, nämlich zwischen Phil und seiner ungeliebten Schwägerin, vor allem aber zu deren fast erwachsenem schwulen Sohn Peter. Der Zuschauer ahnt schnell, dass die heftige Reaktion Phils auf Peter tiefere Gründe haben muss – und es ist meisterhaft, wie die neuseeländische Regisseurin Jane Campion („Das Piano“) dieses hochaggressive Beziehungsgeflecht aufbaut, entfaltet und zuspitzt, in eher spröden, aber manchmal zum Gruseln spannenden Bildern.

Vier Schauspieler stehen hier im Mittelpunkt, und alle vier sind großartig: Jesse Plemons („Breaking Bad“) und Kirsten Dunst („Fargo“) als Ehepaar (übrigens auch privat liiert), der hochtalentierte Australier Kodi Smit-McPhee („X-Men“) als Peter – und vor allem der sensationell gute Benedict Cumberbatch als Ekel Phil. Alle vier sind nun für einen Schauspieler-Oscar nominiert; allein das ist schon ungewöhnlich und eine Auszeichnung für sich. Man will wirklich nicht zu viel verraten, wie diese Geschichte ausgeht. Nur so viel: Die Dinge nehmen zum Schluss ihren dramatischen Lauf, weil hier das Opfer seine Opferrolle aufgibt, verweigert, und die Dinge selbst in die Hand nimmt. Jane Campion ist mit diesem scheinbar historischen Stoff also ganz auf der Höhe der Zeit! Großartige Schauspieler in einem Psychodrama, das jüngst bei den Golden Globes schon abgesahnt hat – und Ende März im Zweifel jeden der zwölf möglichen Oscars wert ist!

     

► Hat dieser Film von Michael Haneke auch heute noch Schockpotenzial?

Benny’s Video

Zu sehen in der Arte-Mediathek

Unsere Realität ist immer stärker von gefilmten Bildern und dem Blick in Displays bestimmt. Was passiert, wenn einem das Gefühl für die Wirklichkeit komplett abhanden kommt, wenn Leidenschaft und Empathie schwinden? Bereits 1992 hat Michael Haneke in seinem Spielfilm „Benny‘s Video“ darüber nachgedacht und malte die verstörenden Konsequenzen einer Entfremdung der Menschen voneinander aus.

Und ja, sein düsteres Bild bleibt bis heute verstörend. Indem Haneke es am Beispiel eines Teenagers zeichnet, macht er viele Filmmotive zur Belastungsprobe. Benny filmt gern, sein Video von einer Schweineschlachtung ist Ausgangspunkt für ein Drama, das eine Freundin das Leben kostet und seine Eltern zu Mittätern macht. Die sind mit Angela Winkler und Ulrich Mühe stark besetzt und gespielt. Video- und Filmbilder sowie ihre Tonspuren mischen sich zu einem vielschichtigen, auch heute noch beeindruckenden Spiel mit Ebenen. Das hatte seine Oscar-Nominierung verdient, so verstörend wie raffiniert ist „Benny’s Video“ inszeniert, gefilmt, erzählt. (ak)

         

► „The Witcher habe ich gesehen, „Der Herr der Ringe“ schon fünf Mal – wo finde ich mehr Fantasy?

The Legend of Vox Machina

Zu sehen bei Amazon Prime

Aus dem Reich der Spiele kommt diese Animationsserie: Eine divergente siebenköpfige Söldnertruppe aus Menschen, Elfen, Zwergen und Riesen, die meisten davon Mischwesen, sorgt in einem Fantasy-Szenario für Chaos – und auch ein bisschen für Ordnung. Der Humor ist schwarz, es wird reichlich geflucht und zwischendurch spritzt Blut.

Die Basis ist „Critical Role“, eine US-Webserie (seit 2015), in der professionelle Synchronsprecher das Fantasy-Game „Dungeons & Dragons“ spielen. Diese Sprecher geben nun den Figuren ihre Stimmen, Laura Bailey der Anführerin und Drachenfühlerin Vex Vessar, Taliesin Jaffe dem traumatisierten Revolverhelden Percy de Rolo, Marisha Ray der Druidin Keyleth, Sam Riegel dem promiskuitiven Barden Scanlan Shorthalt.

Sanft persiflierend unterhält „Vox Machina“ Fantasy-Freundinnen und -Freunde mit Genre-Zitaten, Zaubertricks, roher Gewalt, wüsten Intrigen und sarkastischen Kommentaren. Die Traditionslinie ist klar: „Der Herr der Ringe“ und „Game of Thrones“ lassen ebenso grüßen wie die aktuelle Netflix-Serie „The Witcher“. (ha)

         

► Ich mag leicht Durchgeknalltes. Aber keine geschniegelten Vampire!

What we do in the Shadows

Zu sehen bei Joyn+

Am 24. Februar ist es endlich soweit: bei Joyn startet die dritte Staffel der wunderbaren Vampirkomödie „What we do in the Shadows“. Wer die noch nicht kennt – und sie ist traurigerweise ziemlich unbekannt – sollte also jetzt mit dem Bingen der ersten beiden Staffeln beginnen.

Es geht um ein Grüppchen Vampire, das als WG in New Yorks wenig glamourösem Stadtbezirk Staten Island haust. Ein paar der Blutsauger sind im Kopf aber immer noch im Rumänien des 15. Jahrhunderts zu Hause, was zu ständigen Reibereien führt. Wer will, kann diese Serie also als tolldreiste Persiflage auf alle Debatten um Leitkultur, Parallelgesellschaften und Integrationsdefizite deuten.

Vor allem aber werden die Horrorvisionen all jener angesprochen, die fürchten, irgendwann auch mal in eine WG ziehen zu müssen. Ja, hier hocken lauter egomanische Spinner aufeinander. Jede Menge Charaktermacken machen da schon den Alltag zur Katastrophe. Aber obendrauf sitzen eben noch all die Abscheulichkeiten, Problematiken und Wunderlichkeiten des Vampirlebens. Zwei Sorten Menschen werden dabei richtig viel Vergnügen finden: alle, die Vampire lieben, und alle, denen normale Vampire auf die Nerven gehen. (tkl)