Als das Fernsehen ein Lagerfeuer war: Vor vierzig Jahren ging die erste Ausgabe der ZDF-Show „Wetten, dass..?“ über die Bühne. Wir lassen Aufstieg und Niedergang des TV-Klassikers Revue passieren.
Düsseldorf - Eine Samstagabendshow, über die die Leute noch am Montag sprechen: Das war das Ziel von Frank Elstner, als er sich schlaflos im Bett wälzte und schließlich „Wetten, dass..?“ erfand. Am 14. Februar 1981 ging die erste Ausgabe der ZDF-Show in Düsseldorf über die Bühne. Der Vorspann klang nach Disco und sah mit seinen bunt hüpfenden Buchstaben noch nach Siebzigern aus, das TV-Voting der Zuschauer hieß TED, die Sessel waren braun und Elstners Sakko war kariert.
Zu Gast waren der Filmstar Curd Jürgens und die Schauspielerin Barbara Valentin. Der damals 38-jährige Elstner brauchte lang, um das Konzept zu erklären. 215 Ausgaben gab es in fast 34 Jahren von dem ZDF-Klassiker, der jahrelang als größte Fernsehshow Europas galt.
Brustmuskelzucken, Buntstifteschmecken
In der dritten Ausgabe im Mai 1981 legte Karlheinz Böhm den Grundstein für seine Äthiopienhilfe. Er wettete, dass nicht einmal jeder dritte Zuschauer eine Mark, einen Franken oder sieben Schillinge für Notleidende in der Sahelzone spende – und gewann.
Die Leute in Deutschland, Österreich und der Schweiz diskutierten nicht immer über die Wetten, die vom Brustmuskelzucken bis zum Buntstifteschmecken reichten (letztere Wette war 1988 ein Betrug des Satiremagazins „Titanic“), sondern oft auch über die Star-Gäste und die vielen Minuten, die die Live-Show überzogen wurde.
Und natürlich auch über Kleidung und Gags des langjährigen Moderators Thomas Gottschalk, der die Show von 1987 bis 1992 und nach dem Intermezzo von Wolfgang Lippert auch von 1994 bis 2011 präsentierte.
Jahrzehntelang gab es ein eigenes Medien-Genre der „Wetten, dass..?“-Berichterstattung mit eigenen Vokabeln wie „Saalwette“ - so wie es heute Talkshow-Nacherzählungen, Dschungelcamp-Berichte oder „Tatort“-Bestandsaufnahmen gibt.
Als Götz George ausflippte
Thema in Büros, Ämtern, Zeitungen und auf Schulhöfen war 1995 etwa der über der Bühne hängende Superstar Michael Jackson mit seinem „Earth Song“ oder 1998 Götz George, der ausflippte, weil sich Gottschalk angeblich so schlecht über seinen neuen Film informiert hatte – oder Gäste wie Karl Lagerfeld, Inge Meysel, Mickey Rourke, Tina Turner, Madonna, Hannelore Kohl, Norbert Blüm oder Gerhard Schröder und seine damalige Frau Hiltrud. 1996 nahm auf der Show-Couch sogar Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow Platz.
Und immer wieder verabschiedete sich ein ausländischer Gast frühzeitig von der Bühne, um noch angeblich den Flieger zu kriegen. Der britische Popstar Robbie Williams erklärte dazu einst der „Welt am Sonntag“, er sei stets gerne in die Show gekommen: „Ich will nur nicht drei Stunden auf diesem Sofa sitzen. Ich habe das nie mitgemacht. Meine Ausrede war immer: Mein Flugzeug wartet draußen auf mich.“ Williams war auch im November 2012 in jener Sendung zu Gast, in der sich Hollywood-Star Tom Hanks eine Katzenmütze aufsetzen musste. Oft wurde über diese Ausgabe gespottet; Williams und Hanks sprachen in einer Radio-Sendung der BBC darüber.
Häufigste Gäste waren deutschsprachige Künstler wie etwa Peter Maffay, Udo Jürgens und Herbert Grönemeyer. Bei den Wettpaten führten Promis wie Iris Berben, Otto und Boris Becker.
Florian Illies guckte im Kapuzenbademantel
In seinem Bestseller „Generation Golf“ aus dem Jahr 2000 beschrieb der heute knapp 50 Jahre alte Autor Florian Illies nostalgisch seine heile Kinderwelt der 80er Jahre, in denen er im Kapuzenbademantel „Wetten, dass..?“ gucken durfte (damals die Ausgaben mit Elstner): „Niemals wieder hatte man in späteren Jahren solch ein sicheres Gefühl, zu einem bestimmten Zeitpunkt genau das Richtige zu tun.“
Bei 884 Wetten ging alles gut, doch dann wollte Samuel Koch am 4. Dezember 2010 als 885. Wette mit Powerjumpern über fahrende Autos springen. Der 23-Jährige stürzte beim Salto und verletzte sich so schwer, dass er gelähmt blieb. Die Live-Show wurde abgebrochen - Stars wie Cher, Justin Bieber, Christoph Waltz oder Take That flogen ohne Auftritt wieder ab, die Fernsehnation war geschockt.
Vor sieben/acht Jahren war es gefühlt dann so, dass die Show bloß noch eine Sendung war, über die parallel zur Ausstrahlung in sozialen Netzwerken gelästert wurde. Die Zeit der TV-Unterhaltung als Lagerfeuer der Nation mit allseits beliebten Showmastern (wie einst auch Rudi Carrell und Hans-Joachim Kulenkampff) schien endgültig tot.
Dann kam Markus Lanz
Der smarte Südtiroler Markus Lanz vermochte zwischen 2012 und 2014 nicht einmal mehr, mit dem scheinbar gegen einen Untergang gewappneten Fernsehflaggschiff „Wetten, dass..?“ die Zehn-Millionen-Marke zu knacken. In den ersten Jahrzehnten war dies (wohl auch mangels Alternativen) geradezu eine Selbstverständlichkeit – allein in der Bundesrepublik lockte die Show regelmäßig um die 20 Millionen Zuschauer vor die Glotze. So kommt es, dass in Deutschland heutzutage die zweistellige Millionenzahl nur noch die „Tagesschau“, große Politik oder großer Sport sowie Primetime-Krimis schaffen.
Im Herbst soll es, wenn Corona es nicht erneut verhindert, eine einmalige Retro-Ausgabe mit Thomas Gottschalk (70) geben. Auf die Einschaltquote und Durchschlagskraft im Jahr 2021 dürfen Nostalgiker gespannt sein. In einer Diskussion auf der Audio-App Clubhouse kündigte Gottschalk am Samstag (6.2.) an, am 13. Februar solle es zum 40. Jubiläum der Show ein virtuelles „Wetten, dass..?“ bei Clubhouse geben.