Bhopal heute: Erst seit 2014 werden die an das Werk angrenzenden Wohngebiete mit Trinkwasser aus einer entfernten Quelle versorgt. Die Leitungen sind jedoch ungenügend verlegt, so dass nach Regenfällen kontaminiertes Umgebungswasser eindringt. Anschließend ist auch dieses Wasser belastet. Foto: Imago/Depositphotos

Vor 40 Jahren traten im indischen Bhopal Giftgase aus. Das Ereignis gilt als größte Chemiekatastrophe. Erst jetzt wird weiterer Giftmüll vom betroffenen Fabrikgelände entsorgt.

40 Jahre nach einer der weltweit verheerendsten Industriekatastrophen in der zentralindischen Stadt Bhopal sind hunderte Tonnen gefährlicher Abfallstoffe vom Unglücksort entfernt worden.

Das verfallende Industriegelände von Bhopal. Foto: Imago/Depositphotos

337 Tonnen kontaminierter Abfall

Laut der Nachrichtenagentur Press Trust of India begannen am späten Mittwochabend (1. Januar) rund ein Dutzend Lastwagen damit, die 337 Tonnen Abfall – versiegelt in Containern und begleitet von einer Polizeieskorte – in einem Konvoi zur gut 200 Kilometer entfernten Entsorgungsstelle im indischen Pithampur abzutransportieren.

„Der Konvoi wurde vom strengsten Sicherheitsprotokoll begleitet, das je beim Transport von Industrieabfällen im Land eingesetzt wurde“, zitiert die „Times of India“ den Direktor der staatlichen Gasversorgungs- und Sanierungsabteilung, Swatantra Kumar Singh. Seinen Angaben zufolge werden die Abfälle nun „einer fachgerechten Entsorgung“ durch Verbrennung unterzogen.

Austritt von 27 Tonnen giftigem Gas aus Pestizid-Fabrik

Am 3. Dezember 1984 wurden beim Austritt von 27 Tonnen giftigem Gas aus einer Pestizid-Fabrik des damaligen US-Chemie-Giganten Union Carbide in Bhopal rund 3500 Menschen getötet. Zehntausende weitere starben in den folgenden Jahren an gesundheitlichen Schäden, die sie bei dem Vorfall erlitten hatten.

3. Dezember 1984: Nachdem im Zuge von Reinigungsarbeiten durch eine unglückliche Verkettung von Ereignissen sowie von Versäumnissen beim Unterhalt der Anlage Wasser in einen Tank für Methylisocyanat eingedrungen war, kam es zu einer exothermen Reaktion. Foto: Imago/Depositphotos
Dabei wurde so viel Kohlenstoffdioxid freigesetzt, dass sich der Tankinnendruck stark erhöhte und zwischen 25 und 40 Tonnen Methylisocyanat sowie andere Reaktionsprodukte, vor allem Dimethylamin, 1,3,5-Trimethylisocyanurat und 1,3-Dimethylisocyanurat durch die Überdruckventile in die Atmosphäre entwichen. Foto: Imago/Depositphotos
Methylisocyanat verursacht bei Exposition Verätzungen der Schleimhäute, Augen und Lungen, jedoch wurden bei Bhopalopfern vielfach auch schwere Verätzungen innerer Organe gefunden. Foto: Imago/Depositphotos
Obwohl zur Sicherung der Lagerung des MIC bei 0 Grad C ein separates Kühlsystem installiert war, wurde dies etwa fünf Monate vor dem Unfall abgeschaltet. Foto: Imago/Mukesh Parpiani/Dinodia Photo

Krebserregende Chemikalien im Grundwasser

Der Auftrag zum Abtransport der gefährlichen Abfälle war im Dezember von einem Gericht im nordindischen Bundesstaat Madhya Pradesh erteilt worden. Die Justiz warf den Behörden Medienberichten zufolge „Trägheit“ vor und räumte ihnen eine einmonatige Frist ein.

Das frühere Gelände der Chemiefabrik gleicht einer Geisterstadt. Foto: Imago/Depositphotos
Das am 3. Dezember 1984 aus einem unterirdischen Tank der Union-Carbide-Fabrik in Bhopal ausgetretene Gas Methylisocyanat basierte auf einem chemischen Kampfstoff, der im ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Foto: Imago/Depositpjotos
Bei diesem Kampfstoff handelt es sich um Phosgen, ein schweres Lungengift. Foto: Imago/Dreamstime

Auch Jahrzehnte nach der Katastrophe waren im Grundwasser nahe der Unglücksstelle krebserregende Chemikalien gefunden worden, deren Konzentration 50-mal höher ist als die von der US-Umweltschutzbehörde als sicher akzeptierten Werte. Vertreter umliegender Gemeinden führen auch das Auftreten von Hirnschäden, Hör- und Sprachstörungen und andere Behinderungen auf den Chemieunfall und die Verunreinigung des Grundwassers zurück.

Bis zu 25.000 Todesopfer

Über die Gesamtzahl der Bhopal-Opfer gibt es unterschiedliche Angaben. Schätzungen der Opferzahlen reichen von 3800 bis 25.000 Toten durch direkten Kontakt mit der Gaswolke sowie bis zu 500.000 Verletzten, die mitunter bis heute unter den Folgen des Unfalls leiden.

Die zum Teil großen Abweichungen der Schätzungen erklären sich vor allem aus der ungenauen Kenntnis über die Zahl der Einwohner des betroffenen Elendsviertels in dieser Zeit. Es lebten damals etwa 100.000 Menschen in einem Radius von einem Kilometer rund um die Pestizidfabrik.

Die Katastrophe ist eines der schwersten Industrieunglücke in der Geschichte. Noch immer kommen als Folge missgebildete Kinder zur Welt.

Es lebten damals etwa 100.000 Menschen in einem Radius von einem Kilometer rund um die Pestizidfabrik. Die indischen Behörden hatten die Ansiedlung rund um die bestehende Fabrik zunächst geduldet, später sogar mit der Übertragung des Landes an die Bewohner legalisiert. Später kamen Fehlbildungen an Neugeborenen und Wachstumsstörungen bei heranwachsenden Kindern hinzu (historische Aufnahme). Foto: Imago//Hindustan Times
Tausende erblindeten, Unzählige erlitten Hirnschäden, Lähmungen, Lungenödeme, Herz-, Magen-, Nieren-, Leberleiden und Unfruchtbarkeit (historische Aufnahme). Foto: Iamgo//Hindustan Times
Union Carbide hatte das Chemiewerk aus finanziellen Gründen in ein Niedriglohnland mit niedrigen Sicherheitsvorschriften verlegt historische Aufnahme). Foto: Imago//Hindustan Times

Gas Methylisocyanat basierte auf Kampfstoff Phosgen

Das am 3. Dezember 1984 aus einem unterirdischen Tank der Union-Carbide-Fabrik in Bhopal ausgetretene Gas Methylisocyanat basierte auf einem chemischen Kampfstoff, der im ersten Weltkrieg eingesetzt wurde. Bei diesem Kampfstoff handelt es sich um Phosgen, ein schweres Lungengift. Es entsteht aus Kohlenmonoxid und Chlor und wird mit Hilfe von Methylamin in Methylisocyanat umgesetzt.

Das Erdreich rund um Bhopal ist bis heute kontaminiert. Foto: Imago//Dreamstime

Methylisocaynat hat einen stechenden, süßlichen Geruch und ist ein farbloses bis hellgraues Giftgas. Es reagiert mit Wasser und reizt Augen, Nase, Mund oder Lungen. Bei Reaktionen in der Lunge wird die Atmung erschwert und es kommt zu Erstickungen.

Das Gift wurde zur Produktion von Insektenbekämpfungsmitteln für die Landwirtschaft gebraucht. Die Firma Union Carbide stellte den Stoff damals auch in einem Werk in Institute (US-Bundesstaat West Virginia) her.