Als die Rassekatzen aus einer kleinen Wohnung befreit wurden, waren sie in sehr schlechtem Zustand. Im Tierheim wurden sie aufgepäppelt. Foto: Bulgrin - Bulgrin

Schlechte Hygiene und wenig Futter: 43 verwahrloste Rassekatzen hat die Tierrettung Esslingen aus einer Wohnung geholt. 33 Tiere kamen ins Esslinger Tierheim und haben sich dort erholt.

Esslingen"Arielle“ begrüßt ohne Scheu die Besucher des Esslinger Tierheims durch die Glasscheibe, während sich „Aurora“ ganz entspannt auf dem Kletterbaum räkelt. Den beiden Rassekatzen mit den blauen Augen ging es aber nicht immer so gut, im Gegenteil: „ Ich bekomme heute noch Tränen in die Augen, wenn ich an den Zustand der Balinesen und Siam denke“, erzählt Lenore Völker von der Tierrettung Mittlerer Neckar. Gemeinsam mit ihrem Mann Jürgen sowie zwei Tierärztinnen vom Veterinäramt Esslingen und in Begleitung von zwei Polizeibeamten hatte die ausgebildete Tierrettungssanitäterin 43 beschlagnahmte Rassekatzen aus einer 60 Quadratmeter großen Wohnung geholt. Zehn davon sind später nach Kirchheim gekommen und der Rest nach Esslingen. Das Veterinäramt sei schon seit längerer Zeit Hinweisen gefolgt, hatte beim ersten Besuch aber nur zehn Samtpfoten in der Privatwohnung vorgefunden.

Rettung hat Stunden gedauert

Eines Morgens klingelte das Telefon bei der Tierrettung wieder einmal und nun packte das Ehepaar Völker den umgebauten Rettungswagen des Roten Kreuzes sowie ein weiteres Fahrzeug voll mit zahlreichen Transportboxen. Das Tierheim Esslingen habe sich sofort bereit erklärt, die Katzen anschließend aufzunehmen. „Die Zusammenarbeit klappt nämlich prima“, lobt Lenore Völker. Das sei bei anderen Tierschutzvereinen nicht immer so selbstverständlich wie hier. Die Besitzerin habe dann, als alle eingetroffen waren, um jede ihrer Katzen gekämpft. Und sogar versucht, eine in einer Sporttasche zu verstecken und heraus zu schmuggeln. „Die Tierärztinnen haben jedoch die Ruhe bewahrt, jede Matratze in der kleinen Wohnung umgedreht und insgesamt 43 Siamkatzen und Balinesen eingefangen. Erstaunlicherweise habe es, obwohl es nur zwei Katzenklos gab, in der Wohnung nicht gestunken, berichtet Völker weiter. Aber die Stubentiger seien größtenteils sehr abgemagert gewesen, die Augen waren verklebt und die Näschen liefen. Es habe Stunden gedauert bis alle Katze aus dem vierten Stock durch das enge Treppenhaus in die Fahrzeuge und anschließend ins Tierheim auf der Neckarinsel transportiert worden waren. Die Besitzerin habe sicherlich auf ihre krankhafte Art jede einzelne geliebt, sucht die Tierretterin nach Erklärungen. Die Frau habe nämlich noch eine Liste mit allen Namen der Katzen mitgeben wollen.

Die fast verhungerten Samtpfoten, darunter auch einige ganz junge, wurden nun in der neuen Kranken-und Quarantänestation, die gerade fertig geworden war, eingeliefert. „Gott sei dank stand schon der Neubau“, sagt die stellvertretende Tierheimleiterin Manuela Schlattner. Jahrzehntelang waren die Neuzugänge zuvor in einem maroden, ehemaligen Baucontainer untergebracht worden. Jede einzelne beschlagnahmte Katze wurde nun untersucht, versorgt und auch registriert. „Wir haben das Alter geschätzt und nach Geschlecht getrennt“, erzählt Schlattner. Eine Gruppe von zehn, knapp einem Jahr alten Weibchen hat dann Jürgen Völker ins Tierheim nach Kirchheim gefahren. „Die meisten Katzen, bis auf die Kater waren wirklich sehr, sehr abgemagert und aufgrund der Mangelerscheinungen und der Inzucht ist der Nachwuchs auch klein geraten“, schildert die stellvertretende Tierheimleiterin. Wenn es normale Hauskatzen gewesen wären, dann hätte es aber angesichts der Größe der Gruppe schnell Probleme gegeben. Rassekatzen sind nämlich friedlicher. Dennoch haben sich die männlichen Siam und Balinesen ab und zu geprügelt. Eine Kastration hätte da Abhilfe schaffen können. Der Eingriff war aber erst möglich, nachdem dem Tierheim das Eigentum an den beschlagnahmten Samtpfoten übertragen worden war. Bis dahin übernimmt übrigens das Veterinäramt die Kosten. Die anschließenden Kosten für Futter, Medikamente und auch die Kastration aller 33 Rassekatzen hat dann der Tierschutzverein getragen. Da kommen schon mal Beträge im fünfstelligen Bereich zusammen. Erst nach der Enteignung kann übrigens auch vermittelt werden.

Viele Samtpfoten sind vermittelt

Und bis auf fünf, haben alle Rassekatzen inzwischen ein neues Zuhause gefunden. Das krankhafte Verhalten gegenüber Tieren nimmt laut Lenore Völker jedoch zu. Ein paar Wochen später hatte die Tierrettung über 40 beschlagnahmte Kaninchen ins Tierheim gebracht. Zurzeit sind aber wieder Zimmer frei auf der Neckarinsel und das kann man durchaus auch im übertragenen Sinn verstehen: Denn es gibt noch einige „freie“ Hundezwinger oder Katzenzimmern, für die eine Patenschaft, beginnenden ab 2000 Euro, übernommen werden kann. Als Dankeschön wird eine Tafel mit den Namen angebracht. Um den über zwei Millionen Euro teuren Neubau, der seine erste Bewährungsprobe mit Bravour bestanden hat, zu stemmen ist der Tierschutzverein nämlich weiterhin auf Spenden angewiesen.