Einen 33-Jähriger aus Backnang muss wegen gefälschter Sprach- und Einbürgerungstests für vier Jahre und drei Monaten in Haft. Seine beiden Brüder waren bereits im August verurteilt wurden, der Angeklagte hatte zunächst sein Heil in der Flucht gesucht.
Nach nur zwei Verhandlungstagen ist im zweiten Prozess um gefälschte Sprach- und Einbürgerungstests in Backnang bereits das Urteil gefallen. Die 8. Große Strafkammer des Landgerichts Stuttgart verurteilte einen 33-Jährigen – knapp zwei Monate nach dem ersten Urteil gegen seine zwei Brüder – wegen banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung zu vier Jahren und drei Monaten Haft. Damit blieb das Gericht nur knapp unter dem Schlussantrag der Staatsanwaltschaft, die vier Jahre und fünf Monate Haft gefordert hatte. Die Verteidigung hatte keinen bezifferten Antrag gestellt.
Die Brüder verlangten im Schnitt 2000 Euro für ihre Fälschungen
Das schnelle Ende des Prozesses kam nicht überraschend. Schon am ersten Verhandlungstag hatten sich Richter, Staatsanwaltschaft und Verteidigung auf eine Prozessverständigung geeinigt und einen Strafkorridor zwischen vier Jahren und drei Monaten und vier Jahren und neun Monaten vereinbart. Der Angeklagte hatte daraufhin ein umfassendes Geständnis abgelegt.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der 33-Jährige in insgesamt 355 Fällen Sprachzertifikate und Bescheinigungen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (BAMF) gefälscht hatte, mit denen Ausländer einen Aufenthaltstitel erwerben beziehungsweise ihre Einbürgerung beantragen konnten oder eine höherwertige berufliche Tätigkeit ausüben.
Nach den Erkenntnissen des Gerichts verlangten die Brüder für die Fälschungen im Schnitt 2000 Euro. Die Interessenten mussten zunächst eine Anzahlung leisten, bei der Übergabe der Dokumente – häufig in einem Café in Backnang oder einer Sprachschule in Ellwangen – wurde dann der Restbetrag beglichen. In Ausnahmefällen wurden die Dokumente mit der Post versandt. Kontakt zu den Kunden nahmen die Brüder häufig über Soziale Medien auf.
Angeklagter wurde mit internationalem Haftbefehl gesucht
„Die gefälschten Urkunden wiesen eine hohe Qualität auf“, sagte der Vorsitzende Richter Ulrich Tormählen in seiner Urteilsbegründung. Sie enthielten zum Teil sogar QR-Codes, die auf eine extra eingerichtete Datenbank mit falschen Testergebnissen oder real nicht existierende Internetseiten verwiesen. Das Gericht geht von 355 nachweisbaren Fällen mit einem Gesamtschaden von rund 314 000 Euro aus, die es vom Angeklagten im Wege des Wertersatzes verlangt.
Die beiden 32 und 37 Jahre alten Brüder des jetzigen Angeklagten waren bereits im August wegen banden- und gewerbsmäßiger Urkundenfälschung sowie banden- und gewerbsmäßigen Einschleusens von Ausländern ebenfalls von der 8. Großen Strafkammer des Landgerichts Stuttgart zu Haftstrafen von viereinhalb und vier Jahren und acht Monaten verurteilt worden. Der Prozess gegen den dritten Bruder musste getrennt verhandelt werden, weil dieser geflüchtet war und mit internationalem Haftbefehl gesucht wurde. Im März dieses Jahres wurde er in Montenegro festgenommen und saß dort drei Monate in Auslieferungshaft. Seit Juni war er in deutscher Untersuchungshaft.
Im Vorfeld der beiden Prozesse hatten die Ermittlungsbehörden einen enormen Aufwand betrieben. Über die Abnehmer der Urkunden war die Polizei auf die Angeklagten gestoßen. Bei der Wohnungsdurchsuchung fanden die Beamten dann Unterlagen über Bestellvorgänge, Anzahlungen und Schulden. Daraufhin wurden die Ermittlungen auf Sprachschulen, Ausländerbehörden und das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ausgeweitet. Insgesamt stießen die Behörden auf 1500 Fälle, 355 sind nunmehr nachgewiesen.
Was passiert jetzt mit den Aufenthaltstiteln?
Seit 2008 müssen Zuwanderer für den deutschen Pass Sprachkenntnisse nachweisen, um sich im Alltag mit Mitmenschen, bei der Arbeit und mit den Behörden in Deutschland verständigen zu können. Betrugsversuche sind dabei immer wieder bekannt geworden: Mal halfen Sprachschulen bei den Tests oder sahen über Schummeleien hinweg, mal wurden Betrüger mit guten Deutschkenntnissen in die Prüfungen geschickt.
Rechtlich unklar ist noch, ob die betrügerisch erlangten Dokumente wie Einbürgerungen oder Aufenthaltstitel einkassiert werden können. Ein Sprecher des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge hat erklärt, dies sei unter bestimmten Voraussetzungen möglich. Zuständig dafür sind die Ausländerbehörden in den Bundesländern.