In Plochingen wurde schon früh eine „Sanitätskolonne“ gegründet. Das Rote Kreuz feiert deshalb dieses Jahr sein 155-jähriges Bestehen und freut sich über die wachsende Jugendgruppe.
1863 hat der Schweizer Henry Dunant das Internationale Rote Kreuz gegründet, und schon sieben Jahre später gab es in Plochingen bereits eine „freiwillige Sanitätskolonne“, die in seinem Sinn aktiv wurde. Ihre Gründung am 29. Juli 1870 ist belegt. Damit ist der Ortsverein Plochingen, zu dem seit zwei Jahren auch Hochdorf gehört, einer der ältesten in der Region. Er feiert jetzt seine 155 Jahre, weil das 150-jährige Bestehen in die Corona-Zeit fiel.
Plochingen war schon im 19. Jahrhundert ein Bahnknotenpunkt. 1870, zur Zeit des Deutsch-Französischen Krieges, verkehrten hier zahlreiche Lazarettzüge. Die verwundeten Soldaten mussten teils umsteigen oder vom Bahnhof ins Lazarett des Johanniterordens – dem Vorläufer des späteren Johanniterkrankenhauses – gebracht werden. Die Freiwilligen halfen bei ihrem Transport, was der Impuls für die erste Sanitätsgruppe war. Sie erstreckte sich auch auf einige Nachbargemeinden. „Wir waren also sozusagen die Wiege vieler heutiger Ortsvereine in der Region“, sagt Christa Gronau, die Vorsitzende des Ortsvereins Plochingen-Hochdorf.
Das Engagement war stark sozial geprägt, man half den Armen, verteilte Kleidung und mehr. Die erste „Fahrtrage“ im Jahr 1915 erleichterte den Krankentransport, den man sich dennoch nicht sehr komfortabel vorstellen sollte: Einen Kranken aus Baltmannsweiler nach Plochingen zu bringen, konnte, je nach Wetterverhältnissen, zwei bis vier Stunden dauern.
Ins Feuerwehrmagazin dringt Wasser ein
Heute verfügt der DRK-Ortsverein über moderne Ausrüstung und moderne Fahrzeuge. Ungünstig ist allerdings, dass die vier Plochinger Fahrzeuge im ehemaligen Feuerwehrmagazin am Burgplatz stehen, in den Wasser eindringt. „Da ist es wahnsinnig feucht“, bedauert Christa Gronau, zudem sei es im Winter sehr kalt. Weiteres Material ist in einer Doppelgarage und in Hochdorf gelagert. Was eigentlich nur als Übergangslösung gedacht war, dauert schon fast zehn Jahre. Denn bislang fanden sich, trotz vieler Ideen und Gespräche mit der Stadt, weder geeignete Räume für den Ortsverein noch eine Fläche, auf der man bauen könnte. Die Rotkreuzler hoffen jetzt auf Möglichkeiten im Sanierungsgebiet Fils-West.
Für die Verwaltung und das Gruppenleben hat das DRK seit Jahrzehnten Räume in der Wilhelmstraße, im gleichen Gebäude wie das Plochinger Jugendzentrum. Die stoßen allerdings auch an ihre Grenzen, denn der Ortsverein wird größer. „Wir sind in den letzten Jahren sehr gewachsen, was den Ortsverein und die Bereitschaft angeht“, erklärt Marc Behringer, der stellvertretende Bereitschaftsleiter. Er wohnt in Hochdorf, dessen Ortsverein vor zwei Jahren mit Plochingen fusioniert hat, „um Ressourcen zu schonen“, wie Christa Gronau sagt: „Man kann viel mehr bewegen mit mehr Leuten.“
1500 Einsätze in zehn Jahren
Kooperiert haben Hochdorfer und Plochinger schon lange, unter anderem bei der Betreuung von Geflüchteten in den Jahren 2015/16 oder bei einer Drive-In-Teststation an Weihnachten 2020, während der Coronapandemie. Auch die „Helfer vor Ort“, die es in Hochdorf seit zehn Jahren gibt, waren von Beginn an ein gemeinsames Projekt. Diese „First Responder“ werden bei Notfällen direkt mit alarmiert und sind dann oft schneller vor Ort als die angeforderte Bereitschaft. Das könne gerade in kleineren, ländlichen Gemeinden „wirklich einen effizienten Zeitvorsprung“ bringen, sagt Behringer. In den zehn Jahren ihres Bestehens hatten die Helfer vor Ort schon rund 1500 Einsätze.
Im Einsatz sind die DRKler aber auch bei großen Veranstaltungen als Bereitschafts- und Sanitätsdienst. Sie organisieren Blutspendetermine, in Plochingen und Hochdorf jeweils drei Mal dieses Jahr. Sie haben seit den 90er Jahren mehr als 25 humanitäre Hilfstransporte nach Litauen auf den Weg gebracht und haben eine eigene Drohnengruppe für die Personensuche. Besonders stolz sind sie auf die Jugendarbeit, die sich, so Gronau, „dynamisch und erfolgreich“ entwickelt. Das führt das Vorstandsduo auf die gute Arbeit der Jugendleiter Luca de Caro und Nina Behringer zurück, die zum Beispiel an Helfer- und Katastrophenschutztagen auch in die Schulen gehen. „Die meisten Kinder und Jugendlichen kommen aber über die Feste mit dem Bärenhospital“, erzählt Gronau: Beim Verarzten von niedlichen Teddybären haben schon einige Kinder ihre Berufung gefunden.
Das Bärenhospital feiert mit
155 Jahre
Den Festakt zum 155-jährigen Bestehen hat der Ortsverein Plochingen-Hochdorf des DRK bereits am 10. Mai in der Breitwiesenhalle in Hochdorf begangen, mit einem Vortrag zum humanitären Völkerrecht und zahlreichen Grußworten. Einen Tag später wurde in Plochingen beim Bruckenwasenfest weitergefeiert, unter anderem mit Einblicken in die Rot-Kreuz-Arbeit und dem Bärenhospital.
Nachkommen der Gründer
Am Festakt in Hochdorf war eine Ururenkelin des Kaufmanns Braun, einer der Gründerväter der Sanitätskolonne, dabei. Sie lebt in Plochingen, ebenso wie die Apothekerfamilie Laccorn, die ebenfalls von einem der Gründer abstammt.