An diesem Samstag gibt der Musikverein Vaihingen Rohr sein Jubiläumskonzert mit der Bigband und der Jugendband. Eine Zeitreise durch die Jahrzehnte.
Noch in den 1980er Jahren war es üblich, dass die Orchester von lokalen Musikvereinen vor allem Volksmusikhaft mit Märschen, Polkas und Walzer in der Öffentlichkeit aufgespielt haben, garniert mit aktuellen Stimmungsschlagern dieser Zeit. Auf Stadtteilfesten und bei diversen Vereinsfeiern hat das durchaus seinen Anklang gefunden. Musikalischer Nachwuchs konnte damit freilich kaum noch angelockt werden, den meisten jungen Leuten war dieses musikalische Gewand zu bieder. Und inzwischen hat sich auch der allgemeine Musikgeschmack gewandelt: Klassische Blasmusik ja – aber bitte nur in homöopathischen Dosen.
Aus der Blaskapelle wird eine Bigband
Beim Musikverein Rohr erinnert man sich noch gut an diese Zeit. Und auch an die Gefahr, da ins musikalische Abstellgleis zu geraten. Deshalb wurden dort Ende der 1990er Jahre die Weichen anders gestellt in Richtung dessen, was heute viel Anklang findet: Die MVR Bigband vom Musikverein Vaihingen Rohr. Dazu mussten sich viele ordentlich ins Zeug legen, das hat gedauert. Aber dafür kann der Verein unter anderem jetzt an diesem Samstag sein 100-Jahr-Jubiläum feiern im Rahmen des Frühjahrskonzerts im Rudi-Häussler-Saal (Schwabenplatz 3).
Das Programm zum Jubiläumskonzert
Sarah Biekert und Isabel Slupek vom Verein geben einen Einblick in das Programm: „Wir laden da ein zu einer Zeitreise durch die Jahrzehnte. Aus den 1920er Jahren haben wir in unserem Notenregal Musik zu den Stummfilmhelden Dick und Doof gefunden, wir spielen aber auch was zu James Bond, wir haben „Simply the best“ von Tina Turner im Programm, etwas von Secret Service, unser Jugendorchester spielt unter anderem „Major Tom“. Und dazu verzichten die Musizierenden auf die sonst übliche einheitliche Gewandung: „Jeder zieht etwas an, das für eine ganz bestimmte Zeit steht“, so die beiden Frauen.
Denn die Fans dieser Bigband wissen Bescheid: Da erklingt Musik, dazu gibt es aber auch allerlei Showeinlagen, Spiele mit Requisiten, eine Moderation – am Jubiläumskonzert Sarah Biekert mit Carsten Steede –, auch Tanzeinlagen gehören dazu. Die anderen Titel sollen hier nicht verraten werden. Aber die Auswahl ist groß: Die aktive Repertoireliste, also all die Musikstücke, die schon mal gespielt wurden und die noch nicht ganz in Vergessenheit geraten sind, liegt bei 700. „Etwa 50 bis 70 davon pflegen wir aktiv, spielen die also bei unseren Auftritten“, so Biekert, „und einmal im Jahr gehen wir über diese Liste, überlegen uns, was wir rausnehmen, was dafür reinkommt.“
Eine Probe kostete zwei Mark
In Sachen Jubiläum hätte man durchaus noch weiter zurückblicken können, bis ins Jahr 1912. Da wurde in Rohr ein Posaunenchor gegründet, hervorgegangen aus dem Jünglingsverein. Doch im Zweiten Weltkrieg wurde alles vernichtet: Noten, Instrumente, Unterlagen, Proberäume. „Es ist so gut wie nichts übrig geblieben“, so Slupek, „nur ein Hinweis etwa: 1920 kostete eine Probenteilnahme zwei deutsche Mark“: Das änderte nichts daran, dass im Winter 1923 der Probenbetrieb eingestellt werden musste mangels Heizmöglichkeit des Probenraums.
Auf dem Weg zur Bigband
Die Musiker heute haben andere Probleme gemeistert. Günther Fischer lenkte als Dirigent von 1998 an das große Orchester erstmals in Richtung Bigband. Er konnte Jörg Gebhardt gewinnen. Der in Vaihingen wohnende Musiker spielte in der SWR-Bigband und er schrieb etliche Arrangements für die Rohrer und Vaihinger Musiker. Unterstützung bekamen sie auch von Götz Wendlandt, in den 1950er bis 1970er Jahren musikalischer Tausendsassa in der deutschen Fernsehunterhaltung. Fischer gründete auch 1998 das Jugendorchester. Und 2005 war es dann so weit: Die Bigband war so herangereift, dass sie auch offiziell diese Namen bekommen hat.
Heute tritt die Band mit gut 20 Musizierenden auf. Ein paar mehr könnten das natürlich immer sein, altersbedingt gibt es bei jungen Leuten ja auch stets Ortswechsel. Dafür komme auch neue. Was da aber auch vor allem zählt, ist der Umstand, dass da Talente heranwachsen, die man dank des differenzierten Bigband-Profils auch halten kann: „Matthias Scheidewig ist ein Sänger, der seit vielen Jahre bei uns mitmacht. Und Marta Bauer unsere Sängerin, die aus unserem Jugendorchester kommt. Und jeder aus unserer Band, der mal ein Solo spielen will, ist herzlich dazu eingeladen“, berichten Biekert und Slupek.
So können sich ja mal ganz andere Auftrittsmöglichkeiten ergeben: Warum mal nicht das Rohrer Seefest eröffnen oder „Umsonst & Draußen“? – Auch das gigantische Heavy-metal-Festival im nordrhein-westfälischen Wacken wird ja von der örtlichen Feuerwehrkapelle eröffnet. „Gespräche hat es da schon gegeben“, berichtet Sarah Biekert, „aber es hat mit den Terminen nie geklappt. Im Sommer ist halt immer viel los.“ Immerhin, auf acht bis zehn Auftritte im Jahr kommen sie auch so in Vaihingen, Rohr und der weiteren Umgebung. Und beim Waldfest auf der Rohrer Höhe Ende Juni sind sie schon gesetzt.