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Von Sabrina Erben

Esslingen - Es ist zum Mäusemelken. Da hat man etwas Geld, aber keine Ahnung, wie man es anlegen soll. So geht es zumindest Marianne Schmidt. Die Esslingerin, die ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen möchte, bekommt von einer Lebensversicherung im Januar 25 000 Euro ausgezahlt. Ein stolzes Sümmchen für die alleinerziehende Mutter. „Mein erster Gedanke war, das Geld einfach auf meinem Tagesgeldkonto liegen zu lassen“, sagt die 53-Jährige. Mit Geldgeschäften hatte sie bislang nämlich kaum zu tun. „Ich habe immer gespart, mich aber nie viel um Geldanlage gekümmert. Aktien sind für mich Neuland. Mein Geld soll für mich arbeiten, ich will mich nicht ständig darum kümmern müssen“, sagt Schmidt.

Damit steht die Mutter eines 20-jährigen Sohnes nicht alleine da. Einer Umfrage der Deutschen Bank zufolge wollen 48 Prozent der Befragten das Zinstief am liebsten aussitzen. 56 Prozent sagen, sie verstünden nicht, wie man Sparanlagen in Wertpapiere umschichtet, die Hälfte halten Aktien, Fonds oder Zertifikate für kompliziert und unverständlich. Außerdem hält sich das Vorurteil, dass Aktien nur etwas für vermögende Leute seien (47 Prozent).

Die niedrigen Zinsen zwingen Sparer allerdings zum Umdenken. Bei vielen Banken dümpeln die Zinsen beim Tagesgeldkonto bei 0,1 bis 0,5 Prozent. „Langfristig betrachtet ist die Niedrigzinsphase eigentliche für alle Beteiligten schädlich“, sagt Heinz Fohrer, der zusammen mit Thomas Schaaf den Vorstand der Volksbank Esslingen bildet. „Private Kapitalanleger stellen sich zurecht die Frage, in was überschüssiges Kapital nun sinnvoll investiert werden soll“, sagt der Banker. Das Problem: Klassische Bankanlagen bringen derzeit nur geringe Renditen, die nach Abzug der Inflation keine positive Realverzinsung mehr ausweisen. „Kurz gesagt: Die Sparer verlieren bei der Kapitalanlage Geld“, sagt Fohrer.

Eine Beispielrechnung zeigt: Gibt Schmidt ihre 25 000 Euro im Januar sofort aus, erhält sie dafür auch Waren oder Dienstleistungen im Wert von 25 000 Euro. Legt sie das Geld für ein Jahr zu einem Zinssatz von 0,5 Prozent auf einem Tagesgeldkonto an, würden sich am Jahresende auf dem Konto 25 125 Euro befinden - Guthaben und Zinsen. Abzüglich einer Inflation von einem Prozent haben die 25 125 Euro aber nur noch eine Kaufkraft von 24 875 Euro. Trotz Zinszahlung steht Marianne Schmidt also schlechter da als noch zu Jahresbeginn. Und das geht so weiter, der reale Verlust wird von Jahr zu Jahr immer größer.

Aufklärung notwendig

Aufklärung sei dringend notwendig, sagt Ulrich Stephan, Chef-Anlagestratege für Privat- und Firmenkunden der Deutschen Bank. Das Institut schlägt Einsteigern eine Investition in Fonds vor. „Sie setzt weniger Finanzwissen voraus als die Anlage in Einzelaktien, und kann zudem das Verlustrisiko wegen der breiteren Streuung reduzieren.“

Schmidt informiert sich erst einmal im Internet über ihre Möglichkeiten. Das Portal Finanztip schreibt: „Müssen Sie innerhalb der nächsten fünf Jahre an Ihr Geld, empfehlen wir eine Anlage vorwiegend in Tagesgeld und Festgeld.“ Die Verbraucherzentrale empfiehlt bei längerer Anlagezeit der Geldanlage eine breite Streuung über unterschiedliche Produktklassen und Laufzeiten. Neben Tagesgeld, Festgeld und Sparanlagen kommen auch der Kauf von Investmentfonds, Immobilien, Edelmetallen oder Aktien in Betracht. Eines ist aber sicher: Schulden tilgen ist das beste Investment. Fast immer sind die Zinsen auf die laufenden Kredite höher als die zu erwartende Rendite.

Der Fall von Marianne Schmidt hat eine Besonderheit: Schmidt ist Immobilienbesitzerin. Die Finanzierung steht auf drei Füßen: es gibt einem Bausparvertrag, ein Annuitätendarlehen und ein KfW-Darlehen. Das Annuitätendarlehen könnte 2020 mit der Auszahlung aus der Lebensversicherung getilgt werden. Sie könnte versuchen, den Kredit schon vorab zu tilgen.

Generell bezeichnet sich Schmidt eher als ein risikoscheuer Anlegertyp. Auch das ist typisch, glaubt man der eingangs erwähnten Umfrage der Deutschen Bank: Für 73 Prozent ist Sicherheit der wichtigste Aspekt bei der Geldanlage. Fast zwei Drittel zieht risikoreichere Anlageklassen wie Wertpapiere gar nicht in Betracht.

Umfassende Analyse

Bankvorstand Fohrer betont, wie wichtig bei der Lösungssuche eine Analyse der Kundensituation sei. „Vor allen Dingen dann, wenn sich Kunden wie Marianne Schmidt nicht oft mit finanziellen Angelegenheiten beschäftigt haben und sich unsicher sind.“ Allerdings müsse sich Schmidt festlegen: Sicherheit oder Chance plus Risiko. „Diese Entscheidung muss sie treffen“, sagt Fohrer.

Soll Schmidt das Geld also kursneutral für drei Jahre anlegen oder mit höheren Chancen und Risiken in beispielsweise Investmentfonds anlegen? „Viele Kunden bevorzugen an dieser Stelle die Splittung des Betrages und die Anlage in beide Formen“, sagt Fohrer. Trotz der niedrigen Zinsen hat Marianne Schmidt aber Möglichkeiten: So könnte sie die 25 000 der Lebensversicherung auch im Sinne einer zukünftigen Zinssicherung investieren. Beispielsweise durch eine Sofortaufzahlung eines Bausparvertrages, der nach Ablauf der Zinsbindung den Kredit ablöst.

Und was will die Esslingerin machen? „Ich überlege, ob ich meinen noch laufenden Kredit vorab ausgleichen kann“, sagt die 53-Jährige. Aber auch eine Aufteilung ihres Geldes in verschiedene Investments findet sie interessant. Im Januar stattet sie ihrem Bankberater erst einmal einen Besuch ab. Und sie will sich nun auch vermehrt mit dem Thema Geldanlage beschäftigen. „Und irgendwann in ein paar Jahren werden die Zinsen hoffentlich auch wieder steigen.“