Verbraucherschützer Niels Nauhauser kennt die Verkaufsstrategien von Beratern und Banken. Foto: Bulgrin Quelle: Unbekannt

Stuttgart - In Zeiten der Niedrigzinsphase wissen Sparer oftmals nicht, wo sie ihr Geld am besten anlegen sollen. Niels Nauhauser von der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg beklagt vor allem, dass es keine unabhängige Beratung zu Finanzprodukten gibt.

Auf Konten, Bausparverträge und Lebensversicherungen bekommt man kaum noch Zinsen - welche Alternativen haben Sparer momentan?

Nauhauser: Wenn man das Geld sehr sicher anlegen will, dann gibt es kaum Alternativen. Die meisten Angebote der Banken im Bereich von Tagesgeld und Festgeld liegen bei höchstens einem halben Prozent, vielleicht noch ein bisschen mehr, wenn man eine Direktbank nimmt. Viel mehr ist im sicheren Anlagebereich aber nicht zu holen. Auf höhere Renditen kann man nur hoffen, wenn man bereit ist, Wertschwankungsrisiken zu tragen. Denn klar ist, Rendite und Risiko hängen immer zusammen.

Würden Sie Sparern raten, das Vermögen zu streuen?

Nauhauser: Risikostreuung ist das A und O der Geldanlage. Risiko streuen kann man innerhalb einer Produktart: Bei den relativ sicheren Einlagen etwa kommen Tagesgeld und Festgeld in Frage. Wer mehr als 100 000 Euro anzulegen hat, dem empfehle ich, das Geld auf mehrere Banken mit jeweils deutscher Einlagensicherung zu verteilen. Noch wichtiger ist die Risikostreuung bei den wirklich riskanten Anlageformen wie Aktien. Das funktioniert schon mit fünf Aktien, man kann aber auch über 5000 Aktien kaufen, indem man das Geld auf fünf Indexfonds verteilt. Die Aktienkurse sind aber den Launen der Börse ausgesetzt. Mal dominiert der Optimismus, mal regieren Panik und Angst - entsprechend schlagen die Kurse an den Börsen regelmäßig Kapriolen. Dass einige Aktiengesellschaften auch mal pleitegehen ist normal, aber bei über 5000 Unternehmen merken Sie das nicht. Im Zweifel wird ein Konkurrent von der Pleite profitieren, dessen Aktien Sie ja auch halten.

Risikostreuung bei Aktien - wie geht das genau?

Nauhauser: Sie können für 1000 Euro einen Investmentfonds kaufen, der davon rund 1700 Aktien kauft. Am günstigsten sind Aktienfonds, die einen Aktienindex wie den Dax (30 deutsche Aktien), den S&P 500 (500 US-amerikanische Aktien) oder den MSCI World (1700 Aktien weltweit) abbilden. So können Sie sich sehr kostengünstig an der positiven Entwicklung der Aktienmärkte beteiligen. Bei den teuren Fonds, die Banken verkaufen, geht das nur mit angezogener Handbremse. Die verkaufen wegen der Provision gerne Fonds, die anderthalb oder zwei Prozent pro Jahr kosten. Das heißt, wenn der Aktienmarkt fünf Prozent Gewinn macht, kommen beim Verbraucher nur drei Prozent an.

Was halten Sie von Gold als Anlage?

Nauhauser: Neben Zinspapieren und Aktien kann man auch in Gold anlegen. Gold gilt als Krisenschutz. Wenn die Inflation durch die Decke gehen sollte oder politische Unsicherheiten zunehmen, dann wird wahrscheinlich auch der Goldpreis wieder steigen. Gold wirft auf Sicht von Jahrzehnten kaum Erträge jenseits der Inflationsrate ab. In kleineren Dosen bis zehn Prozent kann man das aber beimischen.

Viele Menschen haben Angst vor dem Aktienmarkt, sie haben vielleicht wenige Kenntnisse und empfinden den Einstieg als hohe Hürde.

Nauhauser: Tatsächlich haben viele Menschen da Vorbehalte, weil sie damit vor allem schlechte Erfahrungen gemacht haben. Dank der oft miserablen Empfehlungen der Bankberater haben viele an der Börse Geld verloren. Denken Sie an den Hype um die Telekomaktien, den Neuen Markt oder den vielen Modethemen in der Anlageberatung. Als die Telekom an die Börse gegangen ist, stand der Dax bei rund 3000 Punkten. Hätte man damals einen Dax-Indexfonds gekauft, hätte man jetzt trotz Finanzkrise aus 3000 Euro 12 000 Euro gemacht und damit eine viel positivere Sichtweise auf die Börse.

Banken müssen Negativzins zahlen und geben die Kosten oftmals in Form von steigenden Gebühren an ihre Kunden weiter. Kann man sich dagegen wehren? Gibt es in naher Zukunft überhaupt noch kostenlose Girokonten?

Nauhauser: Bisher gibt es sie und letztlich wird der Wettbewerb zeigen, ob es sie weiterhin gibt oder nicht. Ein Girokonto kann man jederzeit kündigen, von daher kann auch der Anbieter jederzeit die Preise ändern. Wenn die Banken die Entgelte erhöhen, können Verbraucher den Anbieter wechseln. Es gibt aber auch Entgelte, die nicht ohne Weiteres eingeführt werden können. Manche Bausparkassen führen derzeit Kontoführungsentgelte - sogenannte Servicepauschalen - ein für Leistungen, die sie vorher ohne Extrakosten erbracht haben, weil sie Bestandteil des Vertrages waren. Kunden können sich gegen solche nachträglich eingeführten Entgelte wehren, wenn sie diesen rechtzeitig widersprechen.

Keine Zinsen - das hört sich an, als würden alle nur verlieren. Wer profitiert von der Niedrigzinsphase und wie?

Nauhauser: Die sehr Vermögenden dürften eher profitiert haben, schließlich sind die Aktienkurse und Immobilienpreise dank des billigen Geldes stark gestiegen. Auch diejenigen, die sich verschuldet haben, profitieren. Schließlich zahlen sie nun weniger Darlehenszinsen. Hausbesitzer können jetzt für ein bis zwei Prozent Zinsen eine Immobilie finanzieren, während sie vor ein paar Jahren noch vier oder fünf Prozent bezahlen mussten. Aber auch Staaten können ihre riesige Schuldenlast günstiger finanzieren, was den Steuerzahler entlastet. Das sind die Profiteure. Hätte man die Zinsen hoch gelassen, wären womöglich nicht nur Griechenland in Zahlungsschwierigkeiten geraten, sondern auch etliche andere Staaten, von Italien über Spanien bis nach Portugal. Welche Auswirkungen das auch auf die heimischen Banken und Versicherer gehabt hätte - und damit auch auf die Geldanlagen der Sparer - das wissen wir nicht. Gewiss sind die niedrigen Zinsen eine Stütze, die Dominoeffekte verhindert haben.

Sie haben Immobilien angesprochen: Ist jetzt ein guter Zeitpunkt für den Kauf einer Immobilie?

Nauhauser: Das weiß keiner. Vielleicht erleben wir die nächsten Jahre das Entstehen einer riesigen Immobilienblase, aufgepumpt durch die niedrigen Zinsen, vielleicht kommt es anders. Im Großraum Stuttgart etwa sind in den vergangenen Jahren die Preise teils stark angestiegen - aber davor sind sie über zehn Jahre lang trotz Inflation nicht gestiegen. Eine Immobilie ist definitiv keine sichere Anlage. Es ist auch keine besonders rentable Anlage, wenn man sich die weltweiten Daten der vergangenen hundert Jahre anschaut. Man konnte im Schnitt gerade so die Preissteigerungsrate ausgleichen. Inflationsschutz bietet sie also für gewöhnlich, es gab allerdings auch viele Gegenden gerade im ländlichen Raum, da haben Immobilienbesitzer kein gutes Geschäft gemacht.

Nehmen wir an, jemand möchte trotzdem eine Immobilie kaufen. Wie viel Eigenkapital sollte man mitbringen?

Nauhauser: Eine gängige Regel lautet, man bräuchte mindestens 20 Prozent. Die Nebenkosten - Makler, Provision und ähnliches - liegen oft bei um die 20 Prozent, das finanzieren die Banken ungern. Wenn die Bank das Objekt verkaufen muss, weil der Kreditnehmer die Raten nicht mehr bezahlen kann, will die Bank natürlich aus dem Schneider sein. Je mehr Eigenkapital man einsetzt, desto geringer ist das Risiko. Es schützt einen ein Stück weit davor, bei einem ungeplanten Verkauf netto mit Schulden dazustehen. Ein zweiter Aspekt ist auch die Frage: Wie schnell will man schuldenfrei sein? Unser Rat ist hier, sich den Finanzierungsplan anzuschauen und zu prüfen, wie sich das in den nächsten zehn bis zwanzig Jahren darstellt. Neben der Tilgung darf man den Aufwand für Instandhaltung nicht vergessen.

Finanzberater und Banken sind oft mehr Verkäufer als Berater. Wo können sich Sparer bezüglich ihrer Geldanlage gut beraten lassen?

Nauhauser: Das ist ein riesiges ungelöstes Problem. Tatsächlich sind die Berater in den Banken und Sparkassen Verkäufer. Wenn Sie dort einen Gesprächstermin vereinbaren, bekommen Sie Produkte des Hauses verkauft. Manche Berater verkaufen Ihnen auch Produkte aller möglichen Anbieter, solange die Provision stimmt. Das Interesse der Ratsuchenden steht nicht an erster Stelle. Wir fordern, dass Verbraucher eines Tages die Wahl haben, eine qualifizierte Beratung einzukaufen, die sie selber bezahlen, die sich dann aber ausschließlich an ihren Interessen ausrichtet. Die Politiker scheinen sich mit den Banken nicht anlegen zu wollen, um das für Verbraucher endlich so zu regeln, dass sie sich darauf verlassen können: Wo Beratung drauf steht, ist auch wirklich Beratung drin.

Wie kann der Sparer erkennen, ob das Gebotene für ihn ein geeignetes Produkt ist?

Nauhauser: Sparer, die das wissen, brauchen keinen Berater. Beratung ist Vertrauenssache. Wenn Sie zum Arzt gehen, ist das ähnlich. Woher sollte der Patient wissen, ob die Therapieempfehlung des Arztes die richtige ist? Wie soll denn der Verbraucher erkennen können, ob die empfohlene Geldanlage unter Tausenden von Alternativen eine ist, die gut ist und die zum Anleger passt? Deswegen versuchen die Verkäufer in der Finanzbranche oft auf einer sehr persönlichen Ebene, das Vertrauen der Kunden zu gewinnen. Ist die Vertrauensbasis da, kann man dem Kunden verkaufen, was man gerade verkaufen muss.

Angenommen ich habe das Gefühl, von meiner Bank schlecht beraten worden zu sein: Habe ich die Möglichkeit, mich dagegen zu wehren?

Nauhauser: Vor Gericht sind Verbraucher nahezu chancenlos. Banken dürfen zu riskante und zu teure Produkte verkaufen. Diesem Treiben setzen weder die Finanzaufsicht noch die Gerichte Grenzen. Einige Anwälte konnten Verbrauchern nur mit dem Kniff helfen, dass über die Provision nicht aufgeklärt wurde. Ob das Produkt aber überhaupt bedarfsgerecht war, spielte vor Gericht nicht wirklich eine Rolle. Das ist bedrückend, aber so ist die Rechtslage derzeit.

Kann man denn außergerichtlich irgendwas erreichen?

Nauhauser: Man kann die Verbraucherzentrale einschalten, allerdings lenken die Banken nur selten ein, wenn wir sie auf Fehler in der Beratung hinweisen. Daneben kann man auch den Schlichter der Banken anrufen. Das ist kostenfrei, dieser schlichtet aber leider oft zugunsten der Bank. Einen Anwalt sollte man nur in Erwägung ziehen, wenn man beweisen kann, dass die empfohlene Anlage nicht dem Wunsch entsprochen hat. Ein Indiz wäre, wenn man vorher sehr sicher angelegt hat und dann eine sehr riskante Geldanlage empfohlen bekommt.

Haben Sie praktische Tipps, wie man sich wappnen kann?

Nauhauser: Man kann beim Beratungsgespräch selbst mitschreiben. Was hat der Berater zu den positiven Eigenschaften des Produktes gesagt? Welche Rendite hat er in Aussicht gestellt? Fragen Sie nach den Risiken und den Kosten. Wie viel Geld können Sie maximal unter welchen Umständen verlieren? Wie hoch ist die Provision für den Berater? Wie rasch können Sie an das Geld ran? Schreiben Sie die Antworten mit. Wenn der Berater vorab einverstanden ist, kann man das Gespräch auch per Tonband aufzeichnen. Dann hat man, wenn etwas schief gehen sollte, ein bisschen mehr in der Hand, als wenn man nur den Berater die Notizen anfertigen lässt. Die Beratungsprotokolle der Banken sind immer so geschrieben, dass sie vor Gericht den Banken helfen, nicht den Kunden.

Viele Banken und Sparkassen versuchen, ihre Kunden aus den alten, gut verzinsten Bausparverträgen zu drängen. Was kann man hier tun?

Nauhauser: Kritisch bleiben und sich nicht alles gefallen lassen. Auf unserer Internetseite haben wir zu den Maschen der Anbieter recht umfangreiche Verbraucherinformationen. Der Bundesgerichtshof hat kürzlich entschieden, dass eine Bausparkasse zehn Jahre nach Zuteilung eines Bausparvertrages kündigen darf, weil das Bausparguthaben ein Darlehen an die Bausparkasse sei und die Kasse nach §489, Absatz 2 BGB kündigen kann. Wir finden das Urteil falsch und in hohem Maße ungerecht. Im Vertrag steht von so einem Kündigungsrecht nichts. Die Aachener Bausparkasse kündigt gerade mit dem Argument, die Geschäftsgrundlage sei weggefallen. Dabei ist diese Frage gerichtlich längst entschieden: Wenn ein Geschäft für beide Seiten ein spekulatives Moment hat und sich nur das eingegangene Risiko verwirklicht, kann man sich nicht einfach vom Vertrag lösen. Dagegen sollte man sich wehren. Die Bausparkasse Schwäbisch-Hall fordert Kunden auf, ab sofort die Regelsparrate einzuzahlen. Hier ist es tatsächlich so, dass es im Kleingedruckten einen entsprechenden Passus gibt, aus dem die Bausparkasse das Recht ableiten kann. Wenn sonst keine Vereinbarung über die Sparrate existiert, raten wir hier, die Regelsparrate sofort einzuzahlen, damit man keinen Kündigungsvorwand liefert. Klar ist es, wenn das Guthaben die Bausparsumme übersteigt. Da kann die Bausparkasse tatsächlich kündigen.

Das Interview führten Maria Krell und Lorena Greppo.

Zur Person

Niels Nauhauser ist Abteilungsleiter des Fachbereichs Altersvorsorge, Banken, Kredite bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg in Stuttgart. Nach seiner Bankausbildung und seinem BWL-Studium an der Universität Mannheim arbeitete er bei der Unternehmensberatung McKinsey im Bereich Research. Seit 2004 ist er bei der Verbraucherzentrale Baden-Württemberg beschäftigt. Daneben lehrte er als Dozent unter anderem an der Frankfurt School of Finance und an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Stuttgart.