Mit seinen historischen Gewächshäusern und den gepflegten Grünflächen empfiehlt sich der Botanische Garten als Oase der Ruhe. Fotos: Maier Quelle: Unbekannt

Von Alexander Maier

Es gibt viele Möglichkeiten, die Sommerzeit im Badischen zu erleben. Ein besonders sinnliches Erlebnis bietet Karlsruhe mit seinen Schlosslichtspielen. Bis Anfang September verwandeln Künstler aus aller Welt das Schloss in eine Projektionsfläche für ihre bildgewaltigen Kreationen. Zahlreiche Besucher lassen sich jeden Abend im Schlosshof von aufwendigen Klang- und Bildprojektionen in wunderbare Welten entführen. Ihrem Zauber kann man sich kaum entziehen. Und viele kommen immer wieder, um diese opulenten Inszenierungen zu genießen. Die Vorstellungen beginnen nach Einbruch der Dunkelheit, doch auch am Tage hat Karlsruhe viel zu bieten - ganz egal, ob man sich in einem der Parks ergeht, ob man Museen und Galerien besucht, ob man durch die Stadt bummelt oder mit dem Zentrum für Kunst und Medien (ZKM) die kreative Wiege der Schlosslichtspiele besucht.

Es gibt viele Attribute, mit denen sich Karlsruhe schmücken darf: Die badische Metropole war großherzogliche Residenzstadt, ob ihres ungewöhnlichen Grundrisses wird sie „Fächerstadt“ genannt, als Sitz des Bundesverfassungsgerichts ist sie heute Residenz des Rechts. Vor allem aber ist Karlsruhe ein kreativer Ort. So war es kein Zufall, dass dort 1989 mit dem Zentrum für Kunst und Medien eine weltweit einzigartige Kulturinstitution entstand, unter deren Dach unterschiedlichste Gattungen und Medien von Malerei, Fotografie und Skulptur über Film, Video und Medienkunst bis zu Musik, Tanz, Theater und Performance zuhause sind. Ziel war und ist es, die klassischen Künste ins digitale Zeitalter fortzuschreiben - der frühere Leiter Heinrich Klotz sprach von einem „digitalen Bauhaus“.

Auch wenn die Schlosslichtspiele erst abends beginnen, sind kulturbeflissene Tagesausflügler gut beraten, schon vormittags anzureisen. Denn das ZKM ist immer einen Besuch wert. Sein Museum für Neue Kunst bietet ein wechselndes Programm, derzeit etwa die Ausstellung „Markus Lüpertz - Kunst, die im Wege steht“. Und im Medienmuseum kann der Besucher den rasanten Wandel der multimedialen Welt nachvollziehen - vieles, was seit Zuses erstem Computer entwickelt worden war, ist zu sehen und wird interaktiv zum Ausprobieren präsentiert. Und wer nicht so tief eintauchen will, kann einfach die einzigartige Wirkung der Museumsräume in der einstigen Munitionsfabrik erleben oder im Museumsshop, der zu den originellsten seiner Art gehört, stöbern.

Während eines Besuchs im ZKM kann man schon mal die Zeit vergessen. Und es gibt noch viele weitere Möglichkeiten, in Karlsruhe Kunst und Kultur zu erleben: Die Staatliche Kunsthalle und die Städtische Galerie, der Badische Kunstverein und das Landesmuseum oder das Museum in der Majolika, jener legendären Keramik-Manufaktur am Rand des Schlossgartens. A propos Schlossgarten: Dass Karlsruhe mit vielen Baustellen „gesegnet“ ist, sollte niemanden von einem Besuch abhalten: Wer sich nicht mitten hinein ins städtische Getriebe stürzen möchte, kann sich im Umfeld des Schlosses in malerischen Parks ergehen. Wer es etwas lebendiger bevorzugt, genießt das sommerliche Leben im Schlossgarten. Und wer einfach nur in aller Stille ausspannen und die eigenen Gedanken ungestört fliegen lassen will, sollte sich in den Botanischen Garten zurückziehen, der sich als eine Oase der Ruhe empfiehlt.

Mit dem Picknick im Park fängt es an

Solchermaßen eingestimmt geht es vor Einbruch der Dunkelheit zu den Schlosslichtspielen. Viele Karlsruher kommen schon Stunden vor Beginn des abendlichen Spektakels in den Schlosshof, wo man zahlreiche Möglichkeiten findet, um es sich bequem zu machen. Manche beginnen den Abend mit einem mitgebrachten Picknick, andere bevorzugen die gastronomischen Angebote, die vom 8. bis 10. September um eine originelle Facette erweitert werden, wenn sich mehr als 30 rollende Restaurants zur Foodtruck-Convention vor dem Karlsruher Schloss treffen.

Doch das kulinarische Angebot ist nur das Sahnehäubchen - viel wichtiger ist das künstlerische Erlebnis, das die Schlosslichtspiele bieten. Eigentlich sollte das multimediale Spektakel nur ein ganz besonderes Präsent der Kunst zum Stadtgeburtstag 2015 werden, doch die Karlsruher haben sich damals auf Anhieb in das Festival verliebt - nun dürfen sie es bereits zum dritten Mal genießen. Geblieben ist das Erfolgsrezept, das von Jahr zu Jahr weiter verfeinert wird: Unter der Regie der Karlsruhe Event GmbH und des ZKM wird die Fassade des Karlsruher Schlosses zu einer 170 Meter langen Projektionsfläche - stolz sprechen die Macher von der „wahrscheinlich größten, aber auf jeden Fall schönsten Leinwand in Deutschland“. 24 Hochleistungsprojektoren lassen das Schloss jeden Abend in anderer Pracht erstrahlen. Dass jeder dieses Erlebnis kostenlos genießen darf und ganz nach Lust und Laune kommen und gehen darf, macht die Sache noch reizvoller.

Renommierte Künstler und Künstlergruppen von internationalem Rang haben eigens für dieses Ereignis aufwendige Bild- und Toninszenierungen geschaffen. Die ungarische Gruppe Maxin10sity zeichnet in ihren „Structures of Life“ in überwältigenden Bildern und berauschenden Klängen die Entstehung des Lebens von der ersten Zelle bis zu den atemberaubenden Dschungel- und Unterwasserwelten unserer Zeit. Eyal Gever aus Israel lässt in „Cleansing“ virtuelle Wassermassen aus der Schlossfassade hervorbrechen und ruft damit die Schönheit und Zerbrechlichkeit allen Daseins ins Bewusstsein. Das Bremer Künstlerkollektiv Urbanscreen zerlegt die klassizistische Architektur des Karlsruher Schlosses in ihre Grundelemente, um die Fassade neu zu interpretieren, während ZKM-Chef Peter Weibel in „Velografie für Drais“ dem Fahrrad die Ehre erweist. Jeden Abend bedienen sich die Organisatoren aus einem Fundus von zehn verschiedenen Beiträgen. Einige der Bild- und Toninszenierungen der vergangenen Jahre haben so bleibenden Eindruck hinterlassen, dass sie auch diesmal zur Freude des Publikums wieder aufgeführt werden - allen voran „Defilée“ - ein Beitrag zum 100. Geburtstag der Avantgarde, der die Fassade des Karlsruher Schlosses in eine einzigartige Kunstlandschaft verwandelt.

Tipps für den Besuch der Schlosslichtspiele

Anreise: Mit dem Auto ist Karlsruhe von Esslingen aus bei guter Verkehrslage in etwa einer Stunde zu erreichen. Am schnellsten kommt man über die Autobahn A8 ans Ziel. Dort bietet sich das Parkhaus Schlossplatz an, das durchgehend geöffnet ist. Mit der Bahn ist man je nach Verbindung etwa eineinhalb Stunden unterwegs. Wer noch am selben Abend mit der Bahn zurückfährt, sollte den Fahrplan im Auge behalten, damit der letzte Zug vor Mitternacht nicht verpasst wird.

Spielzeiten: Bis zum 10. September gibt es allabendlich die Schlosslichtspiele. Mit dem Sonnenuntergang verschieben sich die Spielzeiten: Bis 17. August dauern die Aufführungen von 21.30 bis 23.30 Uhr, ab 18. August von 21 bis 23.30 Uhr und ab 1. September von 20.30 bis 23.30 Uhr. Die Beiträge wechseln alle paar Tage. Wer sich einen Eindruck verschaffen möchte, findet viele der Clips auch bei Youtube im Internet. Weitere Informationen gibt es unter www.schlosslichtspiele.info

Eintritt: Der Eintritt ist frei. Wer das Projekt unterstützen will, erhält am Infopoint und an den Getränkeständen für fünf Euro ein „Wir lassen das Schloss leuchten“-Bändchen. Der Infopoint bietet eine Broschüre mit früheren und aktuellen Beiträgen.

Einblicke: Wer Näheres über die Künstler und ihre Konzepte erfahren will, erhält an einigen Tagen kurz vor Beginn der Vorstellung eine Einführung. Nähere Informationen gibt es unter events@schlosslichtspiele.info