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„Bei den Burgfestspielen möchten wir gerade ein junges Publikum für Weltliteratur begeistern.“

Gespannt warten die Schüler darauf, wann denn der Götz von Berlichingen endlich das berühmte Zitat sagen wird: „Mich ergeben! Auf Gnad und Ungnad! Mit wem redet ihr! Majestät hab ich, wie immer schuldigen Respekt. Er aber, sag‘s ihm, er kann mich im Arsche lecken.“ In der schnellen, zeitgemäßen Inszenierung von Peter Dehler kommen die Worte, die als „schwäbischer Gruß“ in den Volksmund eingegangen sind, später als erwartet. So aufregend wie einen Comic-Strip hat der Schweriner Regisseur das Hauptwerk des Sturm und Drang in Szene gesetzt. Das junge Publikum fiebert auf den Bänken im Burghof mit, ob denn Adelbert von Weislingen die schöne, aber intrigante Adlige Adelheid bekommt, oder ob sich der Götz aus der Kerkerhaft in Heilbronn befreien kann. Smartphones sind in der Vorstellung schnell vergessen. Die Jungen und Mädchen verfolgen das Bühnengeschehen gebannt.

„Gerade ein junges Publikum für Weltliteratur begeistern“ möchte Eva Hosemann, die in der Rolle von Götzens Frau Elisabeth auf der Bühne steht. Aus ihrer Sicht bekommen die jungen Leute die Historie der Bauernkriege lebendig vermittelt. Zwischen Hosemann und Walter Plathe, ehemals Fernseh-Landarzt und ein gefragter Filmschauspieler, stimmt die Chemie. Die ehemalige Leiterin des Stuttgarter Autorentheaters Rampe genießt es, dass sie bei den Burgfestspielen auch selbst wieder auf der Bühne stehen darf. Sie arbeitet inzwischen meist als Regisseurin. Gemeinsam mit dem künstlerischen Leiter Axel Schneider zeichnet sie für das Programm der Festspiele verantwortlich.

Weil Freifrau Alexandra von Berlichingen selbst in der Burg lebt, ist das historische Gebäude nur bei Führungen zu besichtigen. Das gilt auch für das Schlossmuseum, in dem die Eiserne Hand des Götzen ausgestellt ist. Die Ehefrau des im Januar in Jagsthausen verstorbenen Alt-Bundespräsidenten Roman Herzog ist eine der Geschäftsführerinnen der Festspiele. Bei den Vorstellungen sitzen die Besucher im Innenhof, der einen schönen Blick auf die Fassade der Burg offenbart. Das Gebäude, „Götzenburg“ genannt, stammt aus dem Mittelalter und wurde im 19. Jahrhundert umfassend restauriert. Vor den Vorstellungen gibt es einen Barbetrieb auf Bierbänken. Da können sich die Gäste mit Sekt, Orangensaft, Bier und Wasser erfrischen. Für den kleinen Hunger sind da auch Brezeln und Würste zu haben. Wer vor den Vorstellungen gepflegt speisen möchte, kann das im Schlosshotel Götzenburg tun. Die Götzenstube bietet im mittelalterlichen Ambiente moderne und klassische Küche. Von da hat man einen herrlichen Blick auf das Jagsttal. Da der Platz begrenzt ist, empfiehlt es sich, einen Tisch zu reservieren. In dem Ort mit 1800 Einwohnern gibt es einige Lokale. Da wird den Festspielgästen, von denen ein großer Teil aus der Region Heilbronn kommt, vieles geboten.

Im Hauptberuf ist Roland Halter, der Hauptgeschäftsführer der Burgfestspiele, Bürgermeister von Jagsthausen. Theater und Kunst sind die großen Leidenschaften des Jeansträgers, dessen Begeisterung ansteckt. „Es ist schön, dass wir nicht nur Goethes Stück jedes Jahr in einer neuen Fassung zeigen können“, findet Halter. Dem Kulturfreund ist es auch wichtig, zeitgenössisches Theater zu präsentieren, „auch wenn das bei einem Teil des Publikums nicht so leicht durchzusetzen ist.“ 2017 steht die Uraufführung von Jonas Jonassons „Die Analphabetin, die rechnen konnte“ auf dem Spielplan. Regie führt der künstlerische Leiter Axel Schneider. Er präsentiert die Musicals„Catch me if you can“ und „Backbeat - die Beatles in Hamburg“. Für Kinder und Jugendliche stehen Jules Vernes „In 80 Tagen um die Welt“ sowie „Petterson, Findus und der Hahn“ nach Sven Nordqvist auf dem Plan.

Besonders freut sich Halter, wenn Schülergruppen den Burghof in Jagsthausen mit Leben erfüllen. Die Festspielmacher sind immer wieder in den Schulen der Region präsent, um auf das Kulturangebot aufmerksam zu machen. „Wir vermitteln ihnen hier Literatur aus nächster Nähe.“ Auf der Homepage der Festspiele gibt es auch Materialien zur Vorbereitung.

Der Verwaltungschef freut sich darüber, dass die Burgfestspiele seit 1949 viele Besucher aus nah und fern locken. Deshalb hat sich der kleine, über die Autobahn gut zu erreichende Ort nahe Heilbronn zu einem beliebten Ziel für kulturell Interessierte gemausert. Für Eva Hosemann, die inzwischen im Norden lebt und arbeitet, sind die Monate in Jagsthausen ein schönes Erlebnis. „Viele Künstler aus ganz Deutschland treffen sich hier in der Idylle.“ Den engen Kontakt zum Publikum schätzt die Theaterfrau.

Wer das Grab des historischen Gottfried, genannt Götz von Berlichingen besuchen möchte, kann das wenige Kilometer entfernt im Kreuzgang des Klosters Schöntal tun. Auf dem Weg dorthin lohnt sich ein Abstecher in den Weiler Berlichingen. Da ist die Jagst besonders schön. Zwar rät das Gesundheitsamt vom Baden im Fluss wegen der Kolibakterien ab. Viele Spaziergänger lassen an heißen Sommertagen einfach die Füße im Wasser baumeln.

Abgesehen von den Theatererlebnissen bietet Jagsthausen ein Römerbad. Schautafeln bieten Besuchern die Möglichkeit, sich mit der römischen Geschichte Jagsthausens zu beschäftigen. 200 Jahre nach Christus lag das Dorf am obergermanisch-rätischen Limes.

Tipps und Informationen

Anfahrt: Mit Bus und Bahn ist Jagsthausen schwer zu erreichen. Es gibt zwar tagsüber die Möglichkeit, mit der Bahn nach Möckmühl zu fahren und dann einen Bus nach Jagsthausen zu nehmen, aber das dauert knapp zweieinhalb Stunden. In eineinhalb Stunden schafft man die Strecke aus dem Raum Esslingen mit dem Auto. Über die B 10 und die A 81 geht es zum Kreuz Weinsberg, von da aus weiter in Richtung Würzburg. Über die Ausfahrt Möckmühl ist Jagsthausen gut zu erreichen.

Burgfestspiele: Die Burgfestspiele Jagsthausen in der Götzenburg finden bis 27. August statt. Sie enden mit einer Vorstellung des „Götz von Berlichingen“, die etwa zwei Stunden dauert. Weitere Spieltermine des Stücks sind am 5., 12., 13. und 24. August. Auch für Jonas Jonassons „Die Analphabetin, die rechnen konnte“, die Kinderstücke und Musicals gibt es noch weitere Vorstellungstermine und Karten. Kontakt: Burgfestspiele Jagsthausen, Schlossstraße 12, Jagsthausen, Tel. 0 79 43/91 23-45

www.burgfestspiele-jagsthausen.de

Sehenswertes in und um Jagsthausen: Das römische Bad im Ort lohnt einen Abstecher. Didaktische Tafeln, die Mitarbeiter des Landesdenkmalamts erstellt haben, informieren Spaziergänger über die Geschichte. Im Park der Götzenburg sind noch bis 21. September die modernen Skulpturen von Werner Pokorny zu besichtigen. Das Grab des Götz von Berlichingen ist im Kloster Schöntal zu finden.

www.jagsthausen.de