Gemeinsam mit schlagkräftigem Humor gegen das Böse: Michael Englert als Professor Vitzliputzli und Björn Trenner als Hadschi Halef Omar. Quelle: Unbekannt

Von Marc Baumann

Die Süddeutschen Karl May-Festspiele in Dasing bei Augsburg bieten mit der Inszenierung „Winnetou und die Felsenburg“ in diesem Jahr in vielerlei Hinsicht wieder das Besondere. Textbuchautor und Regisseur Peter Görlach wagte sich an eine Geschichte, die der sächsische Märchenerzähler auf drei Bände verteilt hat: Die Felsenburg, Kürger Bei und Satan und Ischariot. Der erste und der letzte Band der Trilogie lieferten Görlach den Stoff, aus dem das Abenteuer „Winnetou und die Felsenburg“ entstand und damit eine der kurzweiligsten und actionreichsten Inszenierungen, die in 13 Jahren auf der Dasinger Bühne zu sehen war. Die Aufführung geriet kürzer und wirkt damit in sich kompakter. So wird der Besucher von der ersten bis zur letzten Minute gefesselt. Die ausgewählte Musik ergänzt die Dramaturgie der Handlung perfekt. Gerade in der passenden Musikauswahl ist Görlach ein Meister seines Fachs, weil Spiel und die musikalische Untermalung zu einer emotionalen Einheit verschmelzen. Mit „Winnetou und die Felsenburg“ erreicht die Dasinger Bühne nach „Winnetou und Kapitän Kaiman“ im Jahre 2009, erneut eine Ausnahmestellung. Die Geschichte um den falschen Mormonen Harry Melton, der einen Erbschaftsbetrug plant und deutsche Einwanderer für sein Bergwerk Almaden Alto versklaven will, lässt Görlach im Orient beginnen, um nahtlos mit dem Geschehen in den Wilden Westen zu wechseln. Gleich zu Beginn nimmt das Stück Fahrt auf, als in einem Beduinenlager der von Kara Ben Nemsi und seinem Gefährten Hadschi Halef Omar gefasste Schurke Thomas Melton nach einem Überfall fliehen kann. Kara Ben Nemsi hatte inzwischen das Lager verlassen, um wieder in den Wilden Westen zurückzukehren, wo er unter dem Namen Old Shatterhand bekannt ist. Halef kann Melton noch einen Brief entreißen, der ihm verrät, dass sein Freund in höchster Gefahr schwebt. Unverzüglich folgt er ihm über das große Wasser. Hadschi Halef erstmals im Wilden Westen an der Seite Old Shatterhands: Das ist ein Novum, das es noch auf keiner Karl May-Bühne gab. Diese Konstellation hat aber durchaus ihren Reiz.

Görlach hat den sonst üblichen Pathos seiner Inszenierungen etwas zurückgenommen und setzt vor allem auf Tempo und Action. Besonders Matthias M., dienstältester Bühnen-Winnetou Deutschlands, überzeugt mit einigen neuen Stunts in den Kampfszenen, für die er als Co-Regisseur auch in diesem Jahr mit verantwortlich zeichnet. Ansonsten ist sein Winnetou untadelig und so ist es seit Jahren kein Geheimnis, dass Matthias M. mit seiner Darstellung des Apachen-Häuptlings maßgeblich am Erfolg der Dasinger Bühne beteiligt ist.

Der Komik räumt Peter Görlach einen angemessenen, aber nicht zu breiten Raum ein. Zuständig dafür sind Michael Englert als kauziger Indianerforscher Professor Vitzliputzli und Björn Trenner als Hadschi Halef Omar. Der Wechsel ins humorvolle Fach ist Trenner schon im vergangenen Jahr als schlagkräftiger chinesischer Koch Hatschi Ling hervorragend gelungen. Auch sein Halef wirkt solide und überzeugend. Zudem harmoniert er gut mit Helmut Urban, der bereits im sechsten Jahr in Dasing routiniert Old Shatterhand (und erstmals auch Kara Ben Nemsi) mimt. Peter Bechtel spielt den bösen und arglistigen Mormonenpriester Harry Melton mit leichter, hinterhältiger Ironie. Ihm zur Seite steht Eva Begaß als Judith Silberstein, die ihre Skrupellosigkeit überzeugend auf die Bühne bringt. Swetlana Gerkhardt tritt diesmal als Martha Vogel auf, die im amerikanisch-mexikanischen Grenzgebiet um das Erbe ihres Vaters kämpft. Ein Gewinn sind Martin Jung als Capitan Perez, der keinem Zweikampf aus dem Weg geht und sicherlich am meisten einzustecken hat und Reinhold Summer in der Rolle des Schamanen Tatellah Satah, gleichsam Hüter des Schatzes in der Felsenburg. So weist die diesjährige Inszenierung keine erkennbare Schwäche im Ensemble und in der Handlung auf. Im finalen Kampf um die Felsenburg explodiert es an allen Ecken und Enden (Pyrotechnik: Roland Neumann) und mitten drin Winnetou (Matthias M.) mit einer waghalsigen Abseil-Aktion. Ein Lob gilt auch der Kostümbildnerin Petra Laschner, die seit Jahren mit viel Liebe zum Detail Banditen, Indianer und Westmänner einkleidet.

Das Hautnah-Gefühl zwischen Publikum und Darstellern gibt es sonst auf keiner anderen Karl May-Bühne, was natürlich eine ganz besondere Atmosphäre schafft, für die Dasing steht. Die Kampfszenen gewinnen so unglaublich an Intensität, sind für die Besucher zum Greifen nah. Hier ist man nicht nur nah dran, sondern mittendrin. Und so nimmt der Zuschauer am Ende zufrieden Old Shatterhands Botschaft mit nach Hause: „Heimat ist dort, wo unsere Herzen wohnen“.

Wie es auf der Dasinger Karl May-Bühne weitergeht, ist nach dem verheerenden Brand in der Western City noch unklar. Da das Festspielgelände nicht von dem Feuer betroffen war, ist geplant, den Spielbetrieb ab 12. August wieder aufzunehmen. Die Eintrittspreise betragen für Erwachsene 25 Euro, für Kinder bis 14 Jahre und Senioren über 65 Jahre 19 Euro. Vorstellungen samstags um 16 und 20 Uhr und sonntags um 17 Uhr. Anfahrt über die A 8 Richtung München, Ausfahrt Dasing.