Eva (Ida Ursin-Holm) lebt ein Leben im Abseits. Foto: Tom Trambow Quelle: Unbekannt

Von Julia Wäschenbach

Esslingen - Als die kleine Eva Arctander 1912 in einem norwegischen Ort zur Welt kommt, trauen die Menschen ihren Augen nicht. Das Baby ist am ganzen Körper behaart wie ein Löwe - und von Geburt an verdammt zu einem Leben als Außenseiterin. Der Vater, der sich schämt, lässt seine Tochter fast nie aus dem Haus. Als sie endlich zur Schule darf, wird sie gehänselt. Doch obwohl sie mit ihrem Äußeren ringt, gibt Eva ihren Traum nicht auf. Vibeke Idsøes Film „Das Löwenmädchen“ erzählt nach einem Roman von Erik Fosnes Hansen die Geschichte einer jungen Frau, die trotz ihres Andersseins ihren Weg im Leben findet.

Neugierig auf die Welt da draußen

Evas Vater, der Stationsmeister Gustav Arctander, malt in seiner Wohnung mit Kreide einen Streifen aufs Parkett: „Sie darf nie näher ans Fenster als bis hier.“ Vor dem Haus lauern sensationslüstern die Bewohner des Ortes. Um die Rarität zu bestaunen, reisen Ärzte und Wissenschaftler von weither an. Während draußen die Züge vorbeirauschen, wird ihr dunkles Zimmer für das Mädchen mehr und mehr zum Gefängnis. Dass sie anders ist, merkt Eva schnell: „Andere haben ein Gesicht, ich nicht.“ Trotzdem ist sie neugierig auf die Welt da draußen. Der Anblick des Löwenmädchens schmerzt den schweigsamen Vater umso mehr, weil seine geliebte und schöne Frau bei dessen Geburt gestorben ist. Evas unbändiges Temperament überfordert ihn. Rolf Lassgård überzeugt als zwischen Liebe und Scham zerrissener Gustav Arctander. Zwischenzeitlich steht er in dem melancholischen Streifen fast zu sehr im Mittelpunkt, während die Entwicklung der Protagonistin, gespielt von Aurora Lindseth Løkka als Siebenjährige, Mathilde Thomine Storm als 14-Jährige und Ida Ursin-Holm als junge Frau, erst spät Fahrt aufnimmt.

„Das Löwenmädchen“ zeigt das Gefühlsleben einer jungen Frau, die dieselben Träume und Wünsche hat wie andere in ihrem Alter, aber nirgendwo dazugehört. Selbst als sie in ein Kuriositäten-Kabinett türmt, um unter ihresgleichen zu sein, fühlt sich Eva nicht am richtigen Ort. In Nebenrollen der norwegisch-deutsch-schwedischen Co-Produktion sind auch einige deutsche Schauspieler wie Ken Duken, der den ebenfalls an einem Gendefekt leidenden „Echsenmann“ spielt, und Burghart Klaußner als Direktor der skurrilen Truppe zu sehen. Für Eva blitzt im Film - im Gegensatz zum Roman - am Ende doch noch Hoffnung auf, als sie einen Weg findet, ihr Schicksal zu akzeptieren und ein selbstbestimmtes Leben zu führen.

Ein Mädchen kommt mit einem Fell wie ein Löwe zur Welt. Ihr Vater schämt sich, die Leute gaffen, und für Forscher ist das „Löwenmädchen“ eine kuriose Sensation. Doch das hochbegabte Kind aus Erik Fosnes Hansens Roman findet sich nicht mit seinem Schicksal ab.