Mit ihrer überraschenden Rückkehr bringt Carolina (Juno Temple) die bonbonbunte Welt ins Wanken. Foto: Warner Quelle: Unbekannt

Von Barbara Munker

Esslingen - Auf den ersten Blick ist es eine kunterbunte, ausgelassene 50er-Jahre-Welt mit rosa Zuckerwatte, wirbelnden Karussells und leuchtendem Riesenrad: In seinem 48. Regiewerk entführt Woody Allen sein Publikum in den New Yorker Vergnügungspark Coney Island. Dort hat der Rettungsschwimmer und Literaturstudent Mickey (Justin Timberlake) ein Auge auf die Strandgänger, doch eigentlich träumt er davon, als Dramaturg berühmt zu werden. Dass „Wonder Wheel“ keine vergnügliche Romanze ist, macht Kate Winslet als verhärmte Imbissstuben-Kellnerin Ginny sofort klar.

Die Rolle ist eine Tour de Force für die Oscar-Preisträgerin, die von Migräne gepeinigt und von ihrem zweiten Ehemann, dem rüpelhaften Karussellbetreiber Humpty (Jim Belushi), völlig genervt ist. Müde pendelt die fast 40-Jährige zwischen Herd, Job und Therapiesitzungen für ihren missratenen Sohn aus erster Ehe. Nur in den Armen des viel jüngeren Mickey ist der Frust vergessen. Eine Paraderolle für Winslet, die alle Gefühlsregister von Leidenschaft, Hoffnung, Schuldgefühlen und Verzweiflung zieht. Die überraschende Rückkehr ihrer Stieftochter Carolina (Juno Temple) bringt „Wonder Wheel“ in Fahrt. Als 20-Jährige war die hübsche Blondine mit einem Mafia-Gangster durchgebrannt, nun sucht sie bei ihrem entfremdeten Vater in dem turbulenten Vergnügungspark Schutz.

In seinem vorigen Film „Café Society“ ging Woody Allen auf eine nostalgische Zeitreise zurück ins Hollywood der 30er-Jahre - in „Wonder Wheel“ geht es nun wieder so melodramatisch und düster zu wie in „Blue Jasmine“. Auch mit 82 Jahren hat Allen ein Händchen für starke Frauenrollen. Damit konnte der Regisseur und Drehbuchautor offenbar auch Kate Winslet überzeugen: Die Story der vom Leben bitter enttäuschten Frau habe sie sehr betroffen gemacht.

Vergängliche Leidenschaft

Die britische Schauspielerin mag dies selbst so empfunden und auch überzeugend verkörpert haben. Dennoch hat man als Zuschauer irgendwann von Ginnys Dilemma genug. Richtig in die Tiefe geht Allen mit der Figur nicht, die Geschichte bleibt stellenweise flach. Auch verblasst Justin Timberlake an Ginnys Seite. Doch als Erzähler und Verführer verläuft die Leidenschaft des Bademeisters schnell im Sande. Jim Belushi macht das mit hemdsärmliger Präsenz als ungehobelter Ehemann ein wenig wett. „Wonder Wheel“ mag es an fesselnden Dialogen und beißendem Witz fehlen, umso üppiger sind die leuchtenden Farben und poetischen Bilder von Kameramann Vittorio Storaro.

Woody Allen wählt die bunte Kulisse eines Jahrmarkt-Riesenrads für sein Melodram „Wonder Wheel“. Kate Winslet spielt eine gefrustete Ehefrau in den 50er-Jahren, die eine wilde Affäre mit einem Jüngeren hat. Das Melodram ist weit von Allens besten Filmen entfernt, doch die wunderbaren Bilder und Kate Winslet geben „Wonder Wheel“ letztlich genug Schwung für eine nostalgische Zeitreise.