Der Weg ist das Ziel für Jan (Anton Spieker) und Jule (Mala Emde) Foto: Alamode - Alamode

Der Regisseur Hans Weingartner schätzt Filme, die uns mit den aktuellen Fragen des Lebens konfrontieren. In seinem neuen Roadmovie „303“ erzählt er von zwei grundverschiedenen jungen Menschen, deren Wege sich zufällig kreuzen und die mehr und mehr spüren, wie erfüllend es sein kann, wenn zwei Seelen zueinander finden.

Esslingen„Neunzig Prozent des Unglücks dieser Erde gehen auf gebrochene Herzen zurück“, findet der Regisseur Hans Weingartner. Doch mit Beziehungen ist das so eine Sache: Feste Bindungen findet längst nicht mehr jeder erstrebenswert, Beziehungen werden obsolet, man twittert oder whatsappt, anstatt Kontakte von Angesicht zu Angesicht zu pflegen. Was es heißt, sich ganz und gar auf einen anderen Menschen einzulassen, zeigt Weingartner in der bezaubernden Kinoromanze „303“, die uns daran erinnert, wie gut die Liebe unserer Seele tun kann. Und wie erfüllend es sein kann, wenn zwei Herzen zueinander finden.

Jan (Anton Spieker) und Jule (Mala Emde) sind an Wendepunkten angekommen: Seine wissenschaftliche Karriere hat einen Dämpfer erhalten – nun ist er auf der Suche nach seinem Vater, den er in Spanien finden will. Und sie ist durch die Uni-Prüfung gerasselt, ungewollt schwanger und möchte mit ihrem Freund, der in Portugal studiert, überlegen, wie es weitergehen soll. Als sich Jule mit ihrem alten Wohnmobil auf den Weg gen Süden macht, begegnet sie Jan, der eine Mitfahrgelegenheit sucht. Obwohl die beiden vollkommen unterschiedlich sind, nimmt sie ihn mit. Anfangs ist es nicht viel, was Jan und Jule verbindet: Er glaubt, dass der Mensch von Natur aus egoistisch ist und dass sich daran auch nichts ändern wird. Sie ist überzeugt, dass der Mensch im Grunde seines Herzens empathisch und kooperativ ist und nur erkennen muss, was wirklich zählt im Leben. Doch je länger die beiden in Jules klapprigem „303er“ unterwegs sind, desto persönlicher werden die Gespräche und desto näher kommen sie einander. Sie diskutieren über Gott und die Welt und beginnen, einander besser zu verstehen. Und mit der Zeit fällt es ihnen immer schwerer, sich nicht ineinander zu verlieben ...

„Ich wollte diesen Film schon immer machen, weil ich gedankliche Auseinandersetzungen und Theorien über alles liebe: Wie funktioniert die Welt?“, sagt Hans Weingartner. Schon deshalb läuft der Regisseur nie Gefahr, nur irgendeine belanglose Schnulze zu liefern, weil er nicht bloß an der Oberfläche kratzen wollte. „Es gibt nichts, was politischer ist als die Liebe und nichts Radikaleres, als sich hundertprozentig auf einen anderen Menschen einzulassen“, findet Weingartner. Doch trotz seines philosophischen Anspruchs ist dieser Film ungeheuer beglückend und voller echter Gefühle. Es ist eine Freude, die beiden Protagonisten zu erleben, wie jeder für sich seinen eigenen Weg sucht und wie sie am Ende immer mehr zueinander finden. Sie lernen, Nähe zuzulassen und sich aufeinander einzulassen. Und am Ende ist es ausgerechnet Jan, der staunend feststellt: „Eine einzige zärtliche Berührung killt Tausende von Stresshormonen.“

Zwei grundverschiedene junge Menschen finden in diesem reizvollen Roadmovie zueinander – und zu sich selbst.