Genug vom Patchwork-Chaos: Die Eltern sind perplex, als ihre Kinder eine eigene WG gründen und ihnen ganz neue Erziehungsmodelle verordnen. Foto: Neue Visionen - Neue Visionen

Wenn Eltern sich scheiden lassen und mit neuen Partnern wieder Familien gründen, macht das für ihre Kinder vieles ziemlich kompliziert. Davon erzählt Gabriel Julien-Laferrières turbulente Komödie „Wohne lieber ungewöhnlich“, in der der Nachwuchs das Heft am Ende selbst in die Hand nimmt.

EsslingenJede zweite Ehe endet in Frankreich mit einer Scheidung. Das scheint inzwischen für viele ganz normal zu sein. Wenn jedoch Kinder im Spiel sind, ist alles komplizierter. Davon erzählt der französische Regisseur Gabriel Julien-Laferrière in seiner turbulenten Komödie „Wohne lieber ungewöhnlich“, die die Irrungen und Wirrungen im Patchworkfamilien-Dschungel auf die Spitze treibt.

Der 13-jährige Bastien (Teilo Azaïs) ist Kummer gewöhnt: Seine Mutter Sophie (Julie Gayet) hat just zum dritten Mal geheiratet und ist überzeugt, mit Hugo (Lucien Jean-Baptiste) endlich den richtigen Mann gefunden zu haben. Doch Bastien fürchtet, dass die nächste Trennung nicht lange auf sich warten lässt. Und mit jeder Trennung wird die Familie, die quer durch Paris verteilt lebt, noch unüberschaubarer – allein Sophie hat mit drei verschiedenen Männern Nachwuchs. Und auch ihre Verflossenen haben mit ihren neuen Frauen bereits weiteren Nachwuchs. So teilt sich Bastien inzwischen mit seinen sechs Halbschwestern und -brüdern ganze acht Erziehungsberechtigte. Weil Oma Aurore (Chantal Ladesou) in diesem Kuddelmuddel den Überblick verloren hat, verpasst sie ihren Enkeln nur noch Fantasienamen. Und auch sonst ist der Ärger im Alltag vorprogrammiert: Wer bringt welches Kind heute zum Schach- und morgen zum Ballettunterricht? In welcher Wohnung trifft man sich wann? Und wer unterschreibt, wenn die Klassenarbeit wieder mal zu schlecht ausgefallen ist?

Irgendwann wird Bastien klar, dass es so nicht weitergehen kann, denn die nächsten Katastrophen kündigen sich schon an: Während Sophie für ihren Job ständig ans andere Ende der Welt reisen muss, will Hugo demnächst ein Restaurant in London übernehmen. Anstatt sich weiter herumschubsen zu lassen, beschließen die lieben Kleinen, eine Wohnung zu kapern – die Eltern, die vorsichtshalber nicht gefragt werden, sollen gefälligst dorthin kommen. Ein passendes Domizil ist rasch gefunden: Die Wohnung einer verstorbenen Großmutter ist groß genug für sieben Kinder. Die Erwachsenen sind erst perplex, dann werden sie ärgerlich, doch irgendwann merken sie, dass ihre Kids zu allem entschlossen sind. Und so lassen sie sich der Not gehorchend auf ganz neue Erziehungsmodelle ein, in denen nicht die Eltern vorgeben, wann sie – wenn überhaupt – für ihre Kinder Zeit haben. Stattdessen gibt es fortan einen verbindlichen Betreuungsplan, der genau regelt, wer von den Eltern wann anwesend zu sein hat ...

„Die Patchworkfamilie wird hier nicht als Modell gezeigt“, sagt Regisseur Gabriel Julien-Laferrière. „Die Kinder leiden unter einer Scheidung, selbst wenn es ihnen jetzt besser geht. Wir wollten die nicht erwachsen werden wollenden Eltern nicht glorifizieren, die mir nichts, dir nichts eine Familie auflösen, um eine neue zu gründen.“ Mag sein, dass gerade die Eltern in „Wohne lieber ungewöhnlich“ zuweilen etwas zu stereotyp gezeichnet sind – einige der Charaktere sind einem aus französischen Komödien durchaus geläufig. Doch das nimmt man gelassen hin, denn das Drehbuchautoren-Quartett Camille Moreau, Olivier Treiner, François Desagnat und Romain Protat hat das ganz alltägliche Patchworkfamilien-Chaos derart vergnüglich überdreht und so viele witzige Wendungen in die Geschichte eingebaut, dass man sich herrlich amüsieren kann. Und wenn man es recht bedenkt, steckt in dieser juxigen Geschichte auch sehr viel Wahres, was durchaus einen zweiten Gedanken verdient.

Sieben Kinder und acht Eltern geraten in Gabriel Julien-Laferrières turbulenter Komödie mit ihrer Patchwork-Familie ins Chaos. Doch irgendwann hat der Nachwuchs genug, gründet eine Kinder-WG und sagt den Eltern, wo es langgeht.