Hugh (Stanley Tucci, vorn) und seine Familie kämpfen ums Überleben. Foto: Constantin - Constantin

John R. Leonetti erzählt in seinem Fantasy-Horrorthriller „The Silence“ von geheimnisvollen Flugmonstern, die zwar nichts sehen, dafür jedoch umso besser hören. Und weil sie nach Gehör Menschen jagen, versinkt die einst so laute Welt in Stille.

EsslingenDie Apokalypse ist da. Eine Familie flüchtet in den Wald und lebt ständig in der Gefahr, von Monstern getötet zu werden. Die fiesen Kreaturen können nichts sehen, aber sehr gut hören. Deswegen werden sie von Geräuschen angelockt – ein Ton könnte die Menschen das Leben kosten. Aus dieser spannenden Prämisse strickte vor einem Jahr Regiedebütant John Krasinski in „A Quiet Place“ einen fesselnden und klugen Thriller. Die Schockeffekte waren heruntergedimmt, stattdessen ging es um die Dynamik in einer nicht mehr intakten Familie. Nun startet mit John R. Leonettis Fantasy-Horrorthriller „The Silence“ ein Film, der zunächst wie eine Kopie klingt: Auch hier muss eine Familie in apokalyptischen Zeiten vor fiesen Monstern fliehen, die wie kleine Flugsaurier aussehen, blind sind und nach Gehör jagen. Dennoch ist „The Silence“ keine Kopie: Tim Lebbons’ gleichnamiger Bestseller, der diesem Film zugrunde liegt, ist bereits 2015 erschienen – noch ehe „A Quiet Place“ gedreht wurde.

Als Forscher in einem geheimnisvollen Höhlensystem in Nordamerika eine unbekannte Parasitenart entdecken, ahnt zunächst keiner, wie gefährlich diese Spezies ist. Die Urzeitmonster vermehren sich nicht nur rasant – sie greifen bald auch Menschen an: Weil sie vom kleinsten Geräusch in Massen angelockt werden, verstummt bald die einst so laute Welt. Hugh Andrews (Stanley Tucci) versteckt sich mit seiner Frau Kelly (Miranda Otto) und den Töchtern Ally (Kiernan Shipka) und Lynn (Kate Trotter) im Wald, wo die Familie versucht, in völliger Stille zu überleben. Doch die Andrews’ sind nicht die einzigen, die um ihr Überleben kämpfen – bald kreuzt eine bedrohliche Sekte ihren Weg, die es ausgerechnet auf die gehörlose Ally abgesehen hat …

„Wenn man Romane liest, entdeckt man eine neue Welt“, sagt Produzentin Alexandra Milchan, die sofort von diesem Projekt überzeugt war. „Tim Lebbons’ Buch hat mich gepackt. Es ist heftig, sehr beeindruckend, emotional und beängstigend. Unsere Gesellschaft hat die Bedeutung der Stille aus dem Auge verloren, die Bedeutung, die es hat, auf unseren eigenen Herzschlag zu hören, auf unsere eigenen Bedürfnisse. Wir haben Angst vor der Stille, weil wir so darauf gepolt sind, ständig durch akustische Reize stimuliert zu werden, dass wir gar nicht mehr unterscheiden können, welche Informationen wichtig für uns sind und welche nicht.“

„The Silence“ wurde vom Streamingdienst Netflix koproduziert. Wahrscheinlich wundert es einen dann auch weniger, dass dieser Endzeit-Horror an andere Netflix-Formate wie „Bird Box – Schließe deine Augen“ erinnert. Doch bei „The Silence“ fühlen sich nicht nur die Monster-Animationen wie direkt aus dem Computer an – vieles wirkt wie aus dem Horror-Baukasten. Da gibt es keine klugen Kniffe und soghaften Abkürzungen, die Spannung schaffen. Konventionell und ohne ironische Brechung wird erzählt, wie es zur Freilassung der mittelalterlichen Monster aus einer unterirdischen Höhle und zu immer mehr Toten kam. Ausführlich verhandelt wird, wie die Tiere zu besiegen sind. Halbherzig etabliert wird, dass Hauptfigur Ally verliebt ist. Auch Besetzungsabteilung, Drehbuchautoren und Soundtechniker haben sich nicht über Gebühr bemüht. Und anders als beim Kommerzhit „A Quiet Place“ ist hier die junge Hauptdarstellerin nicht wirklich taub, was man Kiernan Shipkas Spiel anmerkt. Für den Film ist das am Ende egal, denn das Drehbuch hat ohnehin kein großes Interesse, auf diese Einschränkung der Protagonistin einzugehen. Bleibt noch, die Mängel an Sound und Musik zu erwähnen. Statt an entscheidenden Stellen den Ton zu reduzieren, wie es die Handlung erfordern könnte, schmatzen die Monster, streichen die Geigen und dröhnen die Bässe.

Fiese Urzeit-Kreaturen kommen in „The Silence“ ans Tageslicht und drangsalieren die Menschheit, die sich bald im knallharten Überlebenskampf wiederfindet. Die üblen Viecher sind zwar blind, doch dafür hören sie umso besser – jedes Geräusch kann für ihre Opfer den Tod bedeuten. John R. Leonettis neuer Film bietet Horrorstandardware, die für Genre-Fans aber vielleicht trotzdem einen Reiz darstellt. Sie bekommen statt eines klugen Kammerspiels einen konventionellen Endzeit-Katastrophenthriller, einen auf vielen Ebenen kalkulierten Horror.