Die Logan-Geschwister Jimmy (Channing Tatum), Mellie (Riley Keough) und Clyde (Adam Driver, von links) halten auch in schwierigen Zeiten zusammen und versuchen, dem Schicksal ein Schnippchen zu schlagen. Foto: Studiocanal Quelle: Unbekannt

Von Matthias von Viereck

Esslingen - Eigentlich hatte Steven Soderbergh den Lichtspielhäusern adieu gesagt. Es ist mehr als vier Jahre her, dass sich der renommierte US-Regisseur, dessen Karriere 1989 mit „Sex, Lügen und Video“ begann, öffentlich von der großen Leinwand verabschiedete, um sich dem Fernsehen zu widmen. In seiner Kino-Auszeit arbeitete Soderbergh an TV-Serien wie „The Knick“. Nun hat er den Rücktritt vom Rücktritt erklärt. Soderbergh, der zu den ganz wenigen amerikanischen Filmemachern gehört, denen es immer wieder gelingt, die Stärken eines breitenwirksamen Hollywoodkinos mit den Vorteilen des kleinen, unabhängigen Films zu vereinen, kehrt auf die große Kinoleinwand zurück. In seiner neuen Krimi-Dramödie „Logan Lucky“ geht es um einen gekonnt inszenierten und spannend erzählten Raubzug in einem uramerikanischen Teil der Vereinigten Staaten.

Gaunerstück voller Wendungen

Im Mittelpunkt stehen die Brüder Jimmy (Channing Tatum) und Clyde (Adam Driver). Beide haben es nicht leicht - immer wieder ist im Film von einem Fluch die Rede, der auf der Familie aus West Virginia laste. Während Jimmy getrennt von seiner Frau lebt und sich in finanzieller Hinsicht mehr schlecht als recht behauptet, büßte Clyde bei einem Einsatz im Irak gar einen Großteil des linken Armes ein. Der Barkeeper trägt seither eine Prothese, die noch eine Rolle spielen soll in diesem bunten Gaunerstück voller Wendungen und Überraschungen. So misslich die Lage aber auch ist, irgendwie geht es für die Logan-Brüder und ihre Schwester Mellie (Riley Keough) immer weiter. Jimmy verfällt zudem auf eine zunächst völlig verrückt und gänzlich unrealisierbar anmutende Idee: Ausgerechnet bei einem der größten Autorennen des Landes will er einen unterirdischen Tresor knacken, in dem die Tageseinnahmen gesichert werden. Alleine mag das zwar entschlossene, jedoch leicht naive Brüderpaar nicht agieren: Fachmännischen Beistand holt man sich bei einem berühmt-berüchtigten Safeknacker (Daniel Craig).

„Logan Lucky“ ist ein Film mit vielen Stärken. Einen guten Teil seiner Anziehungskraft verdankt er dem wunderbaren Ensemble. Channing Tatum versteht es, als ehemaliger Football-Star, der sich nach einer Verletzung mit Jobs durchschlägt und rührend mit seiner Tochter umgeht, das Publikum für sich einzunehmen. Driver empfiehlt sich nach seinem grandiosen Spiel in Jim Jarmuschs „Paterson“ endgültig als Jungmime Nummer eins für skurrile Auftritte.

Sehr hübsch und sehr unerwartet sind die Szenen mit Daniel Craig: Der Bond-Darsteller ist in „Logan Lucky“ zunächst kaum wiederzuerkennen, was vor allem am strohblonden Haarschopf liegt. Sein Spiel ist sehr selbstironisch, man wünscht Craig mehr Auftritte dieser Art. Auch die weniger großen Namen können sich behaupten, Riley Keough etwa als Schwester von Jimmy und Clyde: Die Amerikanerin und älteste Enkelin von Elvis Presley hat in Filmen mitgespielt wie „American Honey“. Unbedingt zu erwähnen ist der überraschende Auftritt von Hilary Swank, der daran erinnert, wie wenig Spielzeit die Oscarpreisträgerin im Kino der jüngeren Vergangenheit hatte.

Steven Soderbergh erweist sich auch in seinem neuen Film als Stilist und Farbmagier. Dass ihm knallige Farbpaletten gefallen, hat der Amerikaner längst mit Filmen wie „Magic Mike“ unterstrichen. Auch „Logan Lucky“ bietet etwas fürs Auge. In einer eigentlich nebensächlichen, beiläufigen Szene etwa taucht Soderbergh eine betagte Lady, die gerade von der Polizei angehalten wird, in ein tiefdunkles Lila: Die Haare der Dame, ihre Kleidung und auch ihr Auto - der ganze Moment wirkt wie die Verbeugung vor einer Farbe. Und er huldigt auch anderen Tönen, sein Himmel über West Virginia ist von exquisitem Blau, und sein Rot ist so satt und kräftig, wie man es lange nicht sah.

Der Regisseur unterstreicht mit „Logan Lucky“ freilich nicht nur, dass er sich auf Schauwerte und pointierte Dialoge versteht. Er ist auch ein ungemein schlauer Filmemacher und spielt diese Fähigkeit immer wieder eindrucksvoll aus. Erst nach und nach realisiert man, dass „Logan Lucky“ auch das mehr oder weniger versteckte Porträt eines so autoverrückten wie patriotischen, eines vermeintlich Trump-affinen Amerika ist. Steven Soderbergh, der Intellektuelle, aber führt das vermeintlich rückständige Donald-Trump-Amerika zu keiner Sekunde vor. Das wäre ihm zu einfach, zu wohlfeil. Einen so quietschbunten, so eingängigen wie zugleich sehr klugen Film jedenfalls findet man selten im zeitgenössischen Kino. Soderberghs Rücktritt vom Rücktritt hat sich gelohnt.

Flotte Farben, tolle Musik, eine spannende und zugleich hintersinnige Story sowie ein super Ensemble: In dieser Mischung bekommt das kein US-Regisseur so hin wie Steven Soderbergh.