Gary Oldman lässt Winston Churchill lebendig werden. Foto: Universal Quelle: Unbekannt

Von Uli Hesse

Esslingen - Kurz nach seinem Amtsantritt als britischer Premierminister steht Winston Churchill 1940 vor schwersten Entscheidungen: Hitlers Armeen überrennen Westeuropa und bedrohen Großbritannien. Churchills politische Gegner setzen ihn unter Druck, über einen Frieden zu verhandeln. Doch der Staatsmann riskiert die Evakuierung der britischen Truppen aus Dünkirchen und nimmt dafür hohe Verluste in Kauf. Gary Oldman verkörpert das politische Schwergewicht in Joe Wrights neuem Kino-Drama „Die dunkelste Stunde“. Eigentlich hat der Schauspieler keine Ähnlichkeit mit dem britischen Polit-Helden, doch seine einprägsame und teils fast groteske Verwandlung mit Hilfe von Maskenbildner-Spezialeffekten ist beeindruckend. Oldman gibt glaubhaft den mal mürrisch-depressiven, oft nuschelnden und zunehmend isolierten Premierminister. Er verschwindet fast völlig unter den Polsterschichten, doch seine Manierismen wirken lebensecht.

Sechs Monate dauerten die Tests mit Make-up und Fettprothesen. Gleichzeitig entwickelten Wright und sein Hauptdarsteller die Rolle in allen Details. „Churchill rauchte eine Menge Zigarren und trank viel. Deshalb war sein Atmen sehr spezifisch“, erzählt der Regisseur. „Dann begannen wir darüber zu diskutieren, wie er ging - zielgerichtet, mit Energie und Dynamik.“ So lässt Oldman den damals unpopulären Politstrategen lebendig werden. Die Reden des begnadeten Rhetorikers setzen die Höhepunkte des Films, verraten aber auch seine Schwäche: Die langatmige Rhetorik seiner „Blut, Schweiß und Tränen“-Botschaft erinnert an eine Geschichtsstunde, vieles wird über Worte statt Bilder erzählt. Nur wenn der Film aus der wunderschön stilisierten Isolierung der unterirdischen Kommandozentrale ausbricht, erhascht man kurze Blicke auf die Verzweiflung der britischen Soldaten und den Durchhaltewillen der Bevölkerung.

Joe Wright ist für seine elegante Filmästhetik bekannt: In „Abbitte“ zeigte er in einer unvergesslichen Sequenz das Grauen des Kriegs am Strand von Dünkirchen. Nun erzählt er diese Geschichte als Polittheater und verknüpft es mit Churchills Biografie. Den Staatsmann verkörpert zwar Oldman, doch vor allem Kristin Scott Thomas als seine Frau Clementine und Lily James als junge Privatsekretärin schaffen es, die Legende greifbar zu machen und mit manchmal beißendem Humor den Menschen Churchill von seinem Mythos zu trennen.

„Die dunkelste Stunde“ zeigt Gary Oldman als Churchill. Elegant und zielstrebig erzählt das Politdrama von Churchills ersten, kriegsentscheidenden Wochen im Amt. Einen Golden Globe gab es für Goldman bereits.