Von Johannes von der Gathen und Alexander Maier

Esslingen - Der Kinosommer wirft seine Schatten voraus, und dies bedeutet Fortsetzungen, wohin das Auge schaut. Gleich 15 Sequels von bewährten Hollywood-Reihen werden nach Angaben des Fachmagazins „Variety“ von Mai bis August in den Kinos anlaufen - das Spektrum reicht von „Alien“ über die „Transformers“ und „Planet der Affen“ bis hin zu „Spider-Man“. Und es gibt ein Wiedersehen mit dem schrägen Captain Jack Sparrow, der wieder gespielt wird vom unverwüstlichen Johnny Depp. Der

Hollywood-

Star darf bereits in der fünften Auflage der „Pirates of the Caribbean“ ran, seit diese erfolgreiche Reihe 2003 zum ersten Mal in den Kinos zu sehen war - diesmal trägt der Film, den die Regisseure Joachim Rønning und Espen Sandberg inszeniert haben, den Untertitel „Salazars Rache“. Und so heißt es von heute an in deutschen Filmtheatern wieder „Leinen los“. Das Wiedersehen mit den Freibeutern und ihren gruseligen Widersachern macht Freude - vorausgesetzt, man erwartet nicht allzu viel Neues.

Abenteuer, Action und Komödie

„Pirates Of The Caribbean 5“ setzt routiniert und überraschungsarm auf die bewährten spektakulären Schauwerte, die skurrilen Charaktere und hanebüchenen Plotkonstruktionen. Die norwegischen Regisseure, die mit ihrem Expeditionsabenteuer „Kon-Tiki“ 2012 eine Oscar-Nominierung einheimsen konnten, haben das alte Blockbuster-Schlachtschiff aus dem Hause Disney behutsam modernisiert und auf den neuesten Stand der Digitaltechnik gebracht. Dass sie sich selbst als Fans der Piraten der Karibik outen, war der Sache gewiss nicht abträglich: „Wir sind mit dieser Art von Film groß geworden“, sagt Espen Sandberg. „Was uns immer an den großen amerikanischen Filmen fasziniert hat, war dieser Mix aus Abenteuer, Action und Komödie.“ Und Joachim Rønning gesteht: „Die ‚Pirates’ erinnern mich an die Art von Filmen, die mich als Kind dazu inspiriert haben, selbst Filmemacher zu werden. Jetzt, da ich selbst Kinder habe, freue ich mich, einen Film zu machen, den auch sie ansehen können. Es ist ein Familienfilm durch und durch. Uns war klar, dass es eine Herausforderung werden würde, beim fünften Teil etwas Einzigartiges zu schaffen. Aber das war uns wichtig.“ Und Sandberg ergänzt: „Als wir uns an die Arbeit machten, haben wir uns intensiv mit dem ersten Film beschäftigt. Es ist ein wunderbares Franchise und eine großartige Verantwortung für uns. Es gibt so viele Fans auf der ganzen Welt, und wir waren ebenfalls Fans, als

wir die Filme in Norwegen im Kino angeschaut haben.“

Natürlich musste für die fünfte Auflage der „Piraten der Karibik“ auch die Crew verjüngt werden - ein neues Liebespaar sorgt diesmal für die romantischen Momente. Die 25-jährige Britin Kaya Scodelario spielt die bildhübsche Astronomin Carina Smyth, die mit ihrem Wissen über die Himmelsgestirne das Schiff der Piraten durch alle Untiefen - auch die des Drehbuchs - bis zum sagenhaften „Dreizack des Poseidon“ führt. Ihr zur Seite steht der Draufgänger Henry, ein junger Matrose der Royal Navy, schmissig gespielt vom australischen Newcomer Brenton Thwaites. Er ist ein Herzensbrecher wie aus dem Bilderbuch, ein Burt Lancaster für die Generation der Youtube-Fans.

Richtig zum Fürchten dagegen kommt Javier Bardem als finsterer Captain Salazar daher, der mit seinen Mannen aus dem sagenhaften Teufelsdreieck entkommen ist - wenn Captain Sparrow und seine Crew den todbringenden Seemännern aus der Schattenwelt nicht Einhalt gebieten, sind sie im wahrsten Sinn des Wortes dem Untergang geweiht. Der spanische Oscarpreisträger hat den Part des Bösewichts, den er auch schon in dem Bondfilm „Skyfall“ übernommen hatte, längst perfektioniert. Als eine Art

Vampir an Deck führt Salazar eine Bande von Geistermatrosen an, die Jagd auf den unverzagten Captain Sparrow und seine bunt

gescheckte Piratentruppe machen, die ihren betagten Segler mit dem sprechenden Namen „The Dying Gull“ (zu deutsch: „Die sterbende Möwe“) nur mühsam wieder flott gemacht haben.

Und wie sieht’s aus mit Captain Jack Sparrow, den Johnny Depp so unvergleichlich spielt? Der blickt meist verdutzt aus seinen dick umschminkten Augen und torkelt ansonsten eher lustlos und mit ordentlich Schlagseite durch die simple, grotesk aufgeblasene Seeräubergeschichte. Dieser Jack Sparrow gibt mittlerweile eine ziemlich jämmerliche Figur ab, vom anarchistischen Furor und subversiven Witz früherer Auftritte ist nicht mehr viel übrig geblieben. Aber Johnny Depp ist eben das Gesicht der

„Fluch der Karibik“-Reihe, und angesichts der chronischen Finanznöte, in denen der Schauspieler zu stecken scheint, wird uns sein Sparrow wohl noch einige Zeit erhalten bleiben. Ein wenig erscheint er wie der „Fliegende Holländer“ aus der gleichnamigen Wagner-Oper: ein verfluchter Seemann, dazu verdammt, bis in alle Ewigkeit auf den Meeren dieser Welt zu kreuzen.

Einen großen Auftritt absolviert dagegen Geoffrey Rush als angegrauter Captain Barbossa. Der Veteran der Reihe, der von Anfang

an dabei ist, hat sich längst zum altersmilden Seebären gemausert. Und wenn sein Blick sehnsuchtsvoll übers Meer schweift, hält die atemlos durchkalkulierte Piratensaga für einen Moment den Atem an. Damit Captain Sparrow und seine Crew wieder in See stechen konnten, betrieben die Filmemacher einen Riesenaufwand: Szenenbildner Nigel Phelps musste eine Vielzahl von Kulissen bauen - vom kompletten karibischen Dorf über ein Göttergrab am Grund des Ozeans hin zu 13 Schiffen, einige von ihnen mehr als 50 Meter lang. Und Kostümbildnerin Penny Rose schuf mit ihrem Team mehr als 2000 Kostüme, Hüte, Schuhe und Accessoires.

„Ein Piratenleben für uns alle“

Doch die Arbeit mit den „Piraten der Karibik“ ist für Produzent Jerry Bruckheimer und seine Crew mit den Jahren zu einem Herzensanliegen geworden: „Als wir den ersten Film gedreht haben, konnten wir nur davon träumen, dass wir jemals so weit kommen würden. Es ist ein großes Privileg, das wir nicht nur den fabelhaften Künstlern verdanken, die vor und hinter der Kamera mitgearbeitet haben, sondern auch dem Publikum auf der ganzen Welt, bei dem wir einen Nerv getroffen haben. Uns lag am meisten am Herzen, das Publikum für ein paar Stunden in eine andere Welt zu entführen. Niemals hätten wir uns träumen lassen, dass die Reise in diese Welt beinahe 15 Jahre anhalten würde. Es ist eben ein Piratenleben für uns alle.“

Unter der Führung des Regie-Duos Joachim Rønning und Espen Sandberg stechen die Piraten der Karibik wieder in See - Action, Fantasy und viel Humor sind einmal mehr ihr Erfolgsrezept. Johnny Depp torkelt über die Schiffsplanken, Javier Bardem zeigt Vampirzähnchen, und ein junges Liebespaar gibt es auch. Disneys unverwüstliche Piratensaga geht mit leicht verjüngter Crew routiniert und ohne Überraschungen in eine neue Runde.