Oscar Wilde (Rupert Everett, rechts) und sein Lover Alfred (Colin Morgan). Foto: Concorde - Concorde

Oscar Wilde war ein genialer Künstler, ein Wegbereiter der Moderne, ein Vorkämpfer für die Rechte Homosexueller – und er war zeitlebens ein enfant terrible. Der Schauspieler Rupert Everett zeichnet nun die letzten Jahre in Wildes Leben nach. In seinem Film „The happy Prince“ spielt die international renommierte Darstellerin Emily Watson Oscar Wildes Frau Constance. Im Interview mit Alexander Maier gibt sie Einblicke in ihre Arbeit an diesem Film und in ihr Selbstverständnis als Schauspielerin.

EsslingenOscar Wilde war ein genialer Künstler, der das Leben ungeniert genoss, auch wenn er damit selbst enge Freunde bisweilen vor den Kopf stieß. Werke wie „Das Bildnis des Dorian Gray“ machten ihn unsterblich, doch seine letzten Lebensjahre verbrachte er in bitterer Armut im Pariser Exil. Der Schauspieler Rupert Everett hat Oscar Wildes späte Jahre in seinem Film „The happy Prince“ eindrucksvoll nachgezeichnet – die Titelrolle übernahm er selbst. An seiner Seite spielt Emily Watson Wildes Ehefrau Constance, die unter den Eskapaden ihres Mannes schwer zu leiden hatte. Emily Watson, die in diesem Film beweist, dass man auch in einer kleinen Rolle große Akzente setzen kann, gibt im Gespräch mit unserer Zeitung Einblick in dieses Projekt und in ihr Selbstverständnis als Schauspielerin.

Sie haben mit Leuten wie Steven Spielberg, Robert Altman und Paul Thomas Anderson gearbeitet. Suchen Sie sich Ihre Filme auch nach den Regisseuren aus?
Es gibt viele Gründe, sich für ein Projekt zu entscheiden – ein interessanter Regisseur ist immer ein wichtiges Argument. Aber man sollte es nicht überbewerten, weil viele Aspekte darüber entscheiden, ob ein Film gelingt. Man hat gewisse Erwartungen – manche erfüllen sich, andere nicht. Ich kann nur versuchen, mein Bestes zu geben und mich ganz auf meine Arbeit einzulassen. Robert Altman hat das sehr schön beschrieben: Wenn man eine Sandburg baut, versucht man, sie möglichst perfekt zu gestalten. Dann setzt man sich in seinen Liegestuhl und schaut zu, wie das Wasser sie wieder wegspült. Manchmal bleibt mehr davon übrig und manchmal weniger. Wenn ich einen Film vollendet habe, ist er für mich erledigt und ich freue mich auf das nächste Projekt.

Wir kennen Rupert Everett als Schauspieler – mit „The happy Prince“ gibt er sein Regiedebüt. Ist es etwas Besonderes, wenn ein Schauspieler Regie führt?
Absolut. Manchmal begegnet man Regisseuren, die vom Dokumentarfilm oder aus der bildenden Kunst kommen. Da ist es etwas schwieriger, eine gemeinsame Ebene zu finden. Für solche Leute haben Schauspieler bisweilen etwas Exotisches. Einem Regisseur wie Rupert Everett braucht man die Perspektive des Schauspielers nicht zu erklären. Er weiß, was ein Darsteller braucht und gibt einem den nötigen Freiraum, um die Rolle angemessen zu interpretieren. Das spürt man hier sehr schön.

War dieser Film etwas Besonderes für Sie?
Er war für Rupert etwas Besonderes und damit auch für mich. Er wollte diese Geschichte schon so lange erzählen, und er hat alles dafür getan, um dieses Projekt zu realisieren. Und wir alle, die wir dabei sein durften, haben vom ersten Augenblick an gespürt, was in dieser Geschichte steckt. Manchmal hat man das große Glück, mit einem wunderbaren Regisseur, einem vorzüglichen Drehbuchautor oder einem außergewöhnlichen Schauspieler-Kollegen arbeiten zu dürfen. Rupert Everett war alles in einem. Als ich diesen wunderbaren Film auf der Leinwand sah, war mein allererster Gedanke: „Was für ein Mann!“

Warum war diese Geschichte für Rupert Everett so außergewöhnlich?
Weil es ihm ein Anliegen war, einen der großen Helden seines Lebens lebendig werden zu lassen. Oscar Wilde hat die Befreiung der Homosexuellen auf den Weg gebracht. Und genau wie er damals ist Rupert Everett heute eine Ikone dieser Bewegung. Er hat es so verdient, diesen Film realisieren zu dürfen, der immer ein Lebenstraum für ihn war. Und ich habe ihm gesagt: „Erlebe jede Sekunde so intensiv wie nur möglich – das ist Dein Film.“

Hätte ein anderer diesen Film genauso realisieren können?
Vielleicht hätte ein anderer Regie führen können, aber er hätte diesen Film nicht so gemacht wie Rupert. Selbst wenn man ihn nicht kennt und überhaupt nichts von ihm weiß, spürt man sofort, dass der Regisseur ein ganz besonderer Mensch sein muss. Das Drehbuch, die Bildsprache, die Musik, die Dramaturgie und vor allem die Intensität dieser kraftvollen, lebendigen Darstellung – all das zusammen wäre wohl nur den wenigsten so perfekt gelungen.

Sie wussten nicht, was Sie erwartet. Lassen Sie sich gern auf solche Wagnisse ein?
Für mich sind es die interessantesten Momente in meiner Arbeit, wenn ich Neuland betreten und Dinge tun darf, die ich noch nie zuvor getan habe. In solchen Momenten spürt man die Faszination dieses Berufs und das Leben ganz allgemein besonders intensiv. Es ist ein großes Geschenk, wenn man das erleben darf.

Ihre Rolle ist in diesem Film nicht die allergrößte, im Mittelpunkt steht Rupert Everett. Macht das für Sie einen Unterschied?
Überhaupt nicht. Ich gehe nicht mit geringerer Ernsthaftigkeit an einen neuen Film heran, nur weil ich nicht die Hauptrolle spiele. Entscheidend ist für mich immer der Moment, in dem ich gerade vor der Kamera stehe. Und da muss ich vollkommen in meiner Rolle aufgehen. Das hat man als Schauspieler verinnerlicht – das passiert ganz automatisch. Und speziell bei diesem Film wussten wir alle, wie wichtig er Rupert Everett ist. Wir waren es schon allein ihm schuldig, alles zu geben.

Was ist der berührendste Moment für Sie?
Dieser Film hat viele berührende Momente. Der eindringlichste war für mich, als sich Oscar am Ende bewusst macht, was er durch seine außergewöhnliche Art zu leben seiner Familie abverlangt hat. Eines seiner Kinder wird von meinem eigenen Sohn gespielt. Als er in die Kamera schaut und in diesem Blick all das zu sehen ist: Das sind Augenblicke, die man nicht vergisst.

Sind das die Momente, in denen man die ganze Magie des Filmemachens spürt?
Solche Momente sind ungeheuer kostbar, weil sie einen daran erinnern, warum man sich für diesen Beruf entschieden hat und weshalb man jedes Mal aufs Neue all seine Kraft und Kreativität und Seele gibt, um das Beste zu erreichen. Und wenn man dann spürt, dass einem das gelungen ist, ist das ein Gefühl, als würde man auf einem fliegenden Teppich sitzen, der einen in ungeahnte Höhen trägt. Das sind die Glücksmomente, die einem dieser Beruf schenkt. Und die man in Filmen wie „The happy Prince“ erleben kann.

Das Interview führte Alexander Maier.

Inhaltliches und Biografisches

„The happy Prince“ ist das Regiedebüt des Schauspielers Rupert Everett, der sich einen Herzenswunsch erfüllte: Er wollte schon immer die letzten Jahre des irischen Poeten Oscar Wilde schildern, der im viktorianischen Großbritannien lange Zeit von vielen als Lyriker, Romanautor, Dramatiker und Kritiker gefeiert wurde, um später zu einem der umstrittensten Autoren seiner Zeit zu werden. Wegen homosexueller „Unzucht“ wurde er ins Zuchthaus gesteckt – später lebte er verarmt in Paris, wo er mit 46 Jahren starb.

Emily Watson spielt in diesem Film Constance, die Ehefrau von Oscar Wilde (Rupert Everett). Die britische Theater- und Filmschauspielerin wird in Hollywood ebenso geschätzt wie in Europa: Sie war zweimal für einen Oscar nominiert und wurde mit dem Europäischen Filmpreis als beste Hauptdarstellerin ausgezeichnet. Mit Lars von Triers „Breaking the Waves“ gelang ihr 1996 der internationale Durchbruch, später folgten hoch gelobte Filme wie „Hilary & Jackie“, „A Royal Night“, „Everest“ und „Kingsman“