Nach einer unbeschwerten Jugend muss Astrid Lindgren (Alba August) schwere Zeiten überstehen. Foto: DCM - DCM

Jeder kennt die schwedische Kinderbuchautorin Astrid Lindgren, doch nur die wenigsten wissen, dass es ein langer, schwerer Weg war, bis sie zu jener wunderbaren Geschichtenerzählerin und Ermutigerin wurde. Davon erzählt Pernille Fischer Christensen in ihrem neuen Film „Astrid“.

EsslingenMit wundervollen Büchern wie „Pippi Langstrumpf“, „Michel aus Lönneberga“, „Wir Kinder aus Bullerbü“ oder „Ronja Räubertochter“ hat sie unzählige Kinderherzen im Sturm erobert. Und jeder weiß, dass die schwedische Autorin Astrid Lindgren das Leben und die Menschen liebte. Dass in ihrem Leben nicht immer eitel Sonnenschein war, ist weniger bekannt. Nun blättert Pernille Fischer Christensen eines der weniger schönen Kapitel im Leben der grandiosen Geschichtenerzählerin auf. „Mein Film über die Jugend von Astrid Lindgren ist eine persönliche Hommage an eine der großartigsten Künstlerinnen Skandinaviens“, sagt die Regisseurin. „Es ist eine Liebeserklärung an eine Frau, die mit ihrer starken Persönlichkeit die herrschenden Normen von Geschlecht und Religion ihrer Gesellschaft gesprengt hat.“ Und die es verdient hat, dass ihr ein so feinfühlig inszenierter Film die Ehre erweist.

Astrid (Alba August) ist glücklich in den Wäldern und Wiesen von Småland aufgewachsen – nun träumt sie als junge Frau von einer erfüllten Zukunft in der großen Welt. Doch zunächst will sie ihr Talent daheim in Vimmerby bei der örtlichen Tageszeitung beweisen. Deren Herausgeber Blomberg (Henrik Rafaelsen) erkennt sofort ihr Talent. Fasziniert von Astrids wachem Verstand und jugendlicher Unbekümmertheit verliebt sich der deutlich ältere Mann in sie, was nicht unerwidert bleibt. Blomberg ist in Scheidung begriffen, als Astrid schwanger wird. Er verspricht ihr, sie nach der Scheidung zu heiraten – bis dahin soll sie Liaison und Kind geheim halten. Weil sie ihren Eltern keine Schande machen will, zieht Astrid 1926 nach Kopenhagen, wo sie ihren Sohn Lasse (Isak Lydik Radion) zur Welt bringt. Ungern lässt sie ihr Kind in der Obhut der Pflegemutter Marie (Trine Dyrholm), schlägt Blombergs Heiratsantrag aus und geht nach Stockholm. Das wenige Geld, das sie dort verdient, nutzt sie, um möglichst oft zu Lasse und Marie zu reisen. Astrid vermisst ihren Sohn fürchterlich, doch sie spürt, dass der Junge mehr und mehr die Nähe zu Marie sucht. Und auch wenn es sie schier umbringt, ihr Kind bei einer anderen Frau zu lassen, schafft sie es nicht, ihn aus der gewohnten Umgebung zu reißen. Als Marie erkrankt, nimmt Astrid ihren Sohn zu sich. Der anfänglichen Entfremdung begegnet sie mit ihrer Fantasie, mit Kreativität und ihrem Gespür fürs Geschichtenerzählen. Und als sie Jahre später mit Lasse in ihr Heimatdorf zurückkehrt, ist aus Astrid eine erwachsene Frau geworden.

Viele würden von einem biografischen Film über Astrid Lindgren wohl eine Geschichte erwarten, die so heiter, unbekümmert und beschwingt daherkommt wie die Kinderbücher der schwedischen Autorin. Doch davon kann in Pernille Fischer Christensens „Astrid“ keine Rede sein, und das ist auch gut so. Wer verstehen will, wie Astrid Lindgren zu jener außergewöhnlichen Geschichtenerzählerin und Sachwalterin ernst gemeinten Kindeswohls wurde, muss auch die dunklen Zeiten in ihrem Leben kennen. Dass dieser Film trotz all der tragischen Momente nie im Trostlosen versinkt, ist nicht zuletzt der Hauptdarstellerin Alba August zu verdanken, die auf ebenso mitreißende wie berührende Weise die ganze Bandbreite der Gefühle in Astrids Leben auslotet – bis hin zum berührenden Finale, das in vielen Zuschauern noch lange nachklingen wird.

Generationen von Kindern kennen Astrid Lindgren als Autorin heiterer, optimistischer und ermutigender Kinderbücher. Pernille Fischer Christensen zeigt in ihrem Biopic, dass Astrid durch ein Tal der Tränen gehen musste, ehe sie zu jener einzigartigen Geschichtenerzählerin wurde.