René (Justus von Dohnányi), Stephan (Christoph Maria Herbst), Elisabeth (Caroline Peters), Thomas (Florian David Fitz) und Anna (Janina Uhse, von links) Foto: Constantin - Constantin

Darf man sein Kind heutzutage noch Adolf nennen? An dieser Frage entzünden sich in Sönke Wortmanns neuer Komödie „Der Vorname“ beim Abendessen unter Freunden alte Konflikte, die schon lange schwelen und nun mit Macht Bahn zu Tage treten.

Esslingen Manchmal knallt es, wenn man am wenigsten damit rechnet – zum Beispiel während eines gemütlichen Abends mit Verwandten oder guten Freunden. Man sitzt beisammen, isst und plaudert, ein gutes Gläschen oder zwei lockern die Zunge, und plötzlich ergibt ein Wort das andere. Die Situation eskaliert, und irgendwann wirft man den anderen Dinge an den Kopf, die man besser für sich behalten hätte. Geschichten wie diese sieht man im Kino immer wieder. Mal werden sie mit nachsichtigem Humor, mal mit satirischer Schärfe und manchmal auch knallhart erzählt. In seiner neuen Komödie „Der Vorname“ konfrontiert uns Sönke Wortmann auf unterhaltsame Weise mit der Erkenntnis, dass selbst die vermeintlich aufgeklärtesten und tolerantesten Zeitgenossen bisweilen an die Grenzen ihres eigenen Bewusstseins stoßen.

Stephan (Christoph Maria Herbst) ist Literaturprofessor, seine Frau Elisabeth (Caroline Peters) ist Lehrerin. Er trägt gerne seine Intellektualität vor sich her, sie gibt am liebsten die Verständnisvolle. Familienfreund René (Justus von Dohnányi), ein klassischer Musiker, gibt derweil den Schöngeist, wofür ihn die anderen nicht so richtig ernstnehmen. Dass Elisabeths jüngerer Bruder Thomas (Florian David Fitz) als erfolgreicher Immobilienmakler eigentlich nicht in diese Runde passt, behalten die anderen erst mal für sich. Als er jedoch verkündet, dass seine schwangere Freundin Anna (Janina Uhse) und er ihren Sohn ausgerechnet Adolf nennen wollen, eskaliert die Situation. Elisabeth ist fassungslos, René weiß nicht, wie ihm geschieht – und Stephan ledert kräftig los, weil für ihn Namen nicht nur Schall und Rauch sind. Und als dann auch noch Anna auftaucht und trotz Schwangerschaft ungeniert raucht und trinkt, ist die Runde nicht mehr zu halten. Aus einer Diskussion über falsche und richtige Vornamen wird schließlich ein Scherbengericht. Eitelkeiten prallen aufeinander, Jugendsünden werden ausgeplaudert und die schlimmsten Geheimnisse kommen ungeniert aufs Tapet ...

Die Frage, ob man sein Kind heutzutage allen Ernstes nach einem Diktator nennen darf, der Juden millionenfach verfolgen und umbringen ließ und der den Zweiten Weltkrieg mit 50 Millionen Todesopfern angezettelt hat, hat die französischen Autoren und Regisseure Alexandre de La Patellière und Matthieu Delaporte schon vor Jahren beschäftigt. Ihr Theaterstück „Le Prénom“ war ein Riesenerfolg und wurde später verfilmt. Obwohl diese Geschichte noch besser nach Deutschland passt, war Produzent Tom Spieß dankbar, auf eine französische Vorlage zurückgreifen zu können, die Drehbuchautor Claudius Pläging für Sönke Wortmanns Verfilmung bearbeitet hat. „Hätte die Idee ihren Ursprung in Deutschland gehabt, wäre sie vermutlich zu ausführlich diskutiert worden und es hätte große Vorbehalte gegen eine Verfilmung gegeben“, fürchtet Spieß. „Doch ‚Le Prénom“ hat bewiesen, dass die Idee sehr unterhaltsam, intelligent und letztlich auch sehr erfolgreich umgesetzt werden kann.“ Dass Sönke Wortmann ein Händchen für Verfilmungen von Theaterstücken besitzt, hat er mit „Frau Müller muss weg“ bewiesen. Mit „Der Vorname“ bleibt er sich treu. Differenziert gezeichnete Figuren, eine feine Beobachtungsgabe, überzeugende Darsteller, originelle Dialoge und eine wohl dosierte Prise satirischer Schärfe sind die Pluspunkte eines Films, der bei aller Ernsthaftigkeit auch prima unterhält.

Darf man sein Kind heutzutage noch Adolf nennen? An dieser Frage entzünden sich in Sönke Wortmanns neuer Komödie beim Abendessen unter Freunden alte Konflikte, die schon lange schwelen und nun mit Macht Bahn zu Tage treten.