Quelle: Unbekannt

Von Dagmar Weinberg

Sich mit anderen mal zu einem Kaffee und zum Plaudern zu verabreden, ist für Menschen, die körperlich stark eingeschränkt sind oder im Rollstuhl sitzen, nicht so einfach zu organisieren. Dank der Amsel-Kontaktgruppe Wernau können sich an Multiple Sklerose (MS) Erkrankte aus dem Altkreis Esslingen aber regelmäßig im Katholischen Gemeindezentrum St. Magnus in Wernau zum Kaffeenachmittag treffen.

„Auf diesen Termin fiebern die Betroffenen schon die ganze Woche hin“, berichtet Willi Holub, der gemeinsam mit Ralf Fischer die vor mehr als 40 Jahren gegründete Kontaktgruppe leitet. „Denn für viele ist es die einzige Möglichkeit, mal aus den eigenen vier Wänden herauszukommen. Und für die Angehörigen ist es eine Möglichkeit, mal ein paar Stunden für sich zu haben.“ Denn die meisten Betroffenen leben in ihren Familien.

Wie die anderen Frauen und Männer, die an diesem Nachmittag Kaffee kochen und selbst gebackenen Kuchen servieren, engagieren sich die beiden Kontaktgruppenleiter ehrenamtlich für zurzeit etwa 200 MS-Betroffene im Einzugsbereich der Wernauer Amsel. Der reicht von Lenningen über Weilheim bis nach Köngen, Plochingen und Aichwald. „Wir sind dazu da, dass es den Leuten gut geht und sie gut drauf sind“, erläutert Holub das Selbstverständnis der etwa 30 Ehrenamtlichen. „Denn wenn jemand die Diagnose Multiple Sklerose bekommt, ist das für die Betroffenen und auch für ihre Familien schon der Hammer.“

Unterstützt wird die Gruppe zurzeit von einer jungen Frau, die ihren Bundesfreiwilligendienst (BFD) macht, sowie von Andrea Werner. Sie ist als Teilzeitkraft beim Landesverband angestellt und koordiniert unter anderem den Einsatz der BFDler oder FSJler, „sofern wir denn überhaupt jemanden haben, der bei uns seinen Freiwilligendienst macht“. Auch Willi Holub trauert den Zeiten nach, als die Amsel-Kontaktgruppe noch Zivildienstplätze anzubieten hatte. „Damals war vieles deutlich leichter zu organisieren.“ Er hat aber noch Hoffnung, dass sich eine junge Frau oder ein junger Mann für den Freiwilligendienst findet, um sich ab März gemeinsam mit den Ehrenamtlichen der Wernauer Gruppe unter anderem um MS-Patienten zu kümmern, die in Pflegeheimen leben. „Denn dort müssen wir inzwischen mehr unterstützende Arbeit als früher leisten.“

Hilfe im Alltag

Dass MS-Betroffene mehr umsorgt werden müssen als es der Betreuungsschlüssel im normalen Altenpflegebereich hergibt, weiß Willi Holub aus Erfahrung. Im Plochinger Johanniterstift hatte man darauf reagiert und einen speziell ausgestatteten Wohnbereich für MS-Patienten eingerichtet. „Nachdem die MS-Gruppe aber vor gut zwei Jahren aufgelöst worden ist, hat sich die Situation der betroffenen Bewohner leider deutlich verschlechtert“, erklärt der Kontaktgruppenleiter. Als Folge sind einige Bewohner in umliegende Einrichtungen gezogen.

Damit alle betreut werden können, gehen Spenden der EZ-Leserinnen und -Leser an die Amsel-Kontaktgruppe in Wernau. „Unsere Mitarbeiter leisten für die Bewohner in den Pflegeheimen wertvolle Handreichungen“, berichtet Willi Holub. So erledigen sie zum Beispiel für die MS-Kranken Einkäufe, helfen ihnen beim Telefonieren und Briefeschreiben, gehen mit ihnen spazieren oder holen sie zum Kaffeenachmittag in St. Magnus ab. „Ganz wichtig sind natürlich auch unsere Ausflüge, die wir im Verlauf des Jahres immer mal wieder machen“, sagt der Kontaktgruppenleiter.

Die Wernauer Amsel-Gruppe ist aber nicht nur für all jene da, bei denen die Multiple Sklerose (siehe Anhang) bereits weit fortgeschritten ist. „Wir haben auch einige Mitglieder, denen es reicht, wenn wir ihnen regelmäßig unsere Infobroschüren zuschicken“, berichtet Willi Holub. Die meisten nehmen aber die verschiedenen Angebote der Kontaktgruppe wahr - sei es, dass sie sich gemeinsam kreativ betätigen, in der Tanzwerkstatt ihre Koordination verbessern oder sich einmal im Monat zum Essen treffen. „Da wird natürlich nicht nur über die Krankheit, sondern auch über Alltägliches gesprochen“, erzählt der Kontaktgruppenleiter. Zudem gibt es eine „Junge Initiative“ für Neuerkrankte unter 40 Jahren. „Wenn man die Diagnose MS bekommt, ändert sich oft auch schnell etwas im Freundeskreis“, weiß Andrea Werner aus der Begleitung Betroffener. „Und da ist es gut, wenn man sich auch unter Gleichaltrigen austauschen kann.“

Die Spendenkonten

Kreissparkasse Esslingen IBAN: DE38 6115 0020 0000 9020 36

BIC: ESSLDE66XXX

Baden-Württembergische Bank IBAN: DE24 6005 0101 0008 4053 53

BIC: SOLADEST600

Volksbank Esslingen IBAN: DE81 6119 0110 0126 8880 00 BIC: GENODES1ESS

Oder im Internet: http://bit.ly/2zYFYAa

Die Krankheit mit den 1000 Gesichtern

Multiple Sklerose (MS) ist die häufigste chronisch entzündliche Erkrankung des zentralen Nervensystems. Betroffen sind die Nerven des Gehirns sowie des Rückenmarks. Vom Gehirn - mit Milliarden von Nervenzellen eine Art Schaltzentrale - werden Signale über das Rückenmark zum Körper gesendet und dort empfangen. Umhüllt sind die Nervenfasern, die die Signale weiterleiten, von der Isolierschicht Myelin. MS schädigt in den Entzündungsherden diese Isolierschicht und behindert damit die schnelle und reibungslose Weiterleitung der vom Gehirn ausgesandten Signale.

Der Name der Krankheit rührt daher, dass die Entzündungsherde an unterschiedlich vielen (multiple) Orten auftreten und zur Narbenbildung (Sklerose) führen können. Je nachdem, welche Nervenfasern betroffen sind, treten bei den Betroffenen die unterschiedlichsten Beschwerden auf - von Sehstörungen über Blasenschwäche bis zum unsicheren Gang. Da MS bei jedem Betroffenen unterschiedlich verläuft, wird sie auch die Krankheit der 1000 Gesichter genannt. „MS kann bis zur vollständigen Lähmung gehen, die dann auch das Sprachzentrum oder den Schluckreflex befällt“, erklärt Willi Holub, der Leiter der Amsel-Kontaktgruppe Wernau.

Die Krankheit tritt im jungen und mittleren Erwachsenenalter auf und kann zu einer dauerhaften Behinderung führen. „Meistens wird sie im Alter zwischen 20 und 40 Jahren diagnostiziert“, berichtet Willi Holub. Bei der schubförmig verlaufenden MS „kann es Phasen geben, in denen lange Zeit überhaupt nichts passiert und die Betroffenen normal weiterleben können“. Beim sogenannten chronisch-progredienten Verlauf nimmt die Behinderung konstant zu, ohne dass Schübe abzugrenzen sind.

Medikamente können die Schübe zwar hinauszögern. Heilbar ist Multiple Sklerose, die nach dem derzeitigen Stand der Forschung eine Autoimmunerkrankung mit zusätzlichen genetischen Faktoren ist, allerdings nicht. Trotz umfangreicher Forschung ist die genaue Ursache der Krankheit, von der allein in Baden-Württemberg 16 000 bis 18 000 Menschen betroffen sind, bis heute nicht bekannt.