Von Roland Pichler

So komfortabel war die Lage in der Rentenpolitik seit Jahrzehnten nicht mehr: Die Beschäftigten und Arbeitgeber zahlen einen Beitrag, der gegenwärtig mit 18,7 Prozent so niedrig ist wie zuletzt 1996. Dennoch kann der Beitrag 2018 leicht sinken. Das sollte die geschäftsführende Bundesregierung beschließen, denn die Rentenversicherung ist keine Sparkasse.

Die Erfahrung lehrt, dass hohe Rücklagen in der Rentenversicherung nur Begehrlichkeiten wecken. Die Versuchung, Geld für Wohltaten auszugeben, ist riesig. Auch wenn die Beitragszahler etwas entlastet werden, bleibt die Finanzsituation blendend: Zum Jahresende wird die Rentenversicherung Rücklagen von 33 Milliarden Euro auf der hohen Kante haben. Das ist beachtlich, denn die große Koalition hat mit der höheren Mütterrente und der Rente mit 63 aus dem Vollen geschöpft.

Die Mehrausgaben müssen allein die Beitragszahler berappen. Bisher hat das die Rentenversicherung gut überstanden: Weil die Löhne noch kräftig steigen und die Konjunktur brummt, können die 21 Millionen Ruheständler im nächsten Jahr eine Rentensteigerung von drei Prozent erwarten. Also alles bestens bei der Rente?

Erfahrene Politiker wissen, dass die Gefahren dann am größten sind, wenn es sehr gut läuft. Noch nie war es für die Jamaika-Parteien so leicht, auf Kosten der nächsten Generation die Rentenkasse zu plündern. Die CSU fordert die weitere Erhöhung der Mütterrente, die Grünen planen eine Mindestrente gegen Altersarmut und die FDP träumt vom flexiblen Renteneintrittsalter. All das kostet viel Geld.

Da der Spielraum im Bundeshaushalt begrenzt ist, mag es naheliegend erscheinen, die Milliardenrücklagen der Sozialkassen für neue Leistungen auszugeben. Doch das wäre ein folgenschwerer Irrtum, der sich in wenigen Jahren rächen würde. Denn bei der Rente erleben wir ein Zwischenhoch. Noch ist die Mehrzahl der Baby-Boomer im Beruf. Im nächsten Jahrzehnt wird sich das ändern: Die demografischen Veränderungen werden sich zeigen. Immer weniger Beitragszahler müssen mehr Rentner finanzieren. Die Politik ist gut beraten, sich darauf frühzeitig einzustellen. Schon jetzt ist absehbar, dass der Beitragssatz 2022 wieder steigt. Auch das Rentenniveau wird im nächsten Jahrzehnt sinken. Niemand kann zudem absehen, wie lange der Aufschwung anhält.

Die Rentenpolitik sollte sich nicht an Konjunkturzyklen orientieren, sondern nach langfristiger Absicherung trachten. Bei aller Freude über die positive Momentaufnahme gerät in Vergessenheit, dass die deutsche Sozialpolitik auf mittlere Sicht ziemlich blank dasteht. Das gültige Rentenkonzept reicht nur bis 2030. Bis dahin sollen die Beiträge unterhalb von 22 Prozent gehalten werden und das Rentenniveau über 43 Prozent des Bruttoeinkommens. Mit den bisherigen Reformen mag das vielleicht gelingen. Doch wie es danach weitergeht, steht in den Sternen.

Die nächste Regierung muss sich diese Frage stellen, zwölf Jahre sind in der Rentenpolitik ein Klacks. Wenn sich Jamaika dieser Herausforderung stellt, dürfte dies zur Ernüchterung führen. Es ist zwar Spielraum vorhanden, um punktuelle Verbesserungen etwa bei der Erwerbsminderungsrente zu beschließen. Vor neuen Milliardengeschenken etwa bei der Mütterrente ist zu warnen. Das käme einem sozialpolitischen Bumerang gleich.

Weil die Herausforderungen groß sind, sollte die nächste Regierung eine Rentenkommission einsetzen. Deutschland ist gut damit gefahren, rentenpolitische Lösungen im Konsens zu verabschieden. Jamaika sollte die Chance nutzen.