Von Christoph Reisinger

In Berlin wird es noch schwieriger. Zwar gestaltet sich auch die Regierungsbildung in Hannover sicher nicht einfach, aber der Kurs auf eine schwarz-gelb-grüne Jamaika-Koalition im Bund wirkt nach der niedersächsischen Landtagswahl noch sturmanfälliger als zuvor. Schließlich gingen CDU, FDP und Grüne geschwächt daraus hervor.

Das verstärkt die Gär-Geräusche in der Union. Mit unberechenbaren Folgen für Deutschland. Für die Republik kann es schließlich nur von Nachteil sein, wenn Kanzlerin Angela Merkel angesichts von EU- und Euro-Krise sowie einer sich zwischen Nordirak und Nordkorea erheblich destabilisierenden Lage zu Hause nicht den Rücken frei hat. Nicht einmal in ihrer CDU. In der wirft die Niederlage vom Sonntag die Fragen nach Richtung und nach längerfristigen Machtoptionen mit neuer Schärfe auf.

Noch turbulenter geht in der Schwesterpartei CSU zu. Die bleibt als bayerische Regionalgröße zwar unberührt vom Votum der Niedersachsen. Aber sie ist schon aus der Bundestagswahl besonders lädiert hervorgegangen. Ihr Boss Horst Seehofer sieht sich mit der verdienten Quittung konfrontiert für seine Politik, in Berlin zugleich regieren und ständig Stunk machen zu wollen. Wähler wie Parteifreunde haben es offensichtlich satt, nie zu wissen, woran sie sind mit dieser Politik.

Merkel gestutzt, Seehofer außerdem laut angezählt von den Rivalen im eigenen Haus - die Entscheidung über seine Entfernung von der Parteispitze wurde ja nur vertagt: Wer wollte da behaupten, das schwarze Flaggschiff segle mit prallen Segeln Richtung Jamaika?

Dessen Schlingern und Stampfen lenkt zwar von den Schwierigkeiten der möglichen Partner ab. Doch auch die sind nicht zu übersehen. Man muss sich nur das Personal anschauen, mit dem die FDP seit der Bundestagswahl die Talkshows im Fernsehen besetzt. Mit Wolfgang Kubicki, manchmal auch mit Kubicki, aber besonders gern doch mit Kubicki. Die personelle Auszehrung und die mangelnde politische Erstliga-Erfahrung bergen für den Christian-Lindner-Wahlverein FDP die Gefahr, in den Koalitionsverhandlungen zu kurz zu kommen. Das Wissen um diese Gefahr wird die Vertreter der Liberalen kaum kompromissbereiter stimmen.

Welche Zerreißproben den Grünen bevorstehen, zeichnet sich seit Tagen ab: Vor allem Alt-Grande Jürgen Trittin stichelt, wo er kann, gegen ein mögliches Bündnis mit Union und FDP. Bundestagsfraktionschef Anton Hofreiter schwadroniert über eine angeblich mögliche rot-grüne Minderheitsregierung in Niedersachsen. Was nicht mehr ist als ein Wunschgedanke dessen, der ihn äußert.

Stichhaltig scheint an dieser Einschätzung nur, dass Jamaika im Bund keinen Rückenwind aus Niedersachsen bekommen wird. Denn rechnerisch mag ein schwarz-gelb-grünes Regierungsbündnis in Hannover möglich sein. Doch der Wählerauftrag, die nächste Regierung zu bilden, ging klar an die SPD.

All das macht Jamaika nicht unerreichbar für Angela Merkel. Aber nach dem niedersächsischen Wahltag ist die Gefahr gewachsen, dass ein solches Bündnis als gefühlte Zwangsgemeinschaft von Verlierern an den Start gehen wird. In einer Zeit großer Umbrüche braucht Deutschland aber eine Koalition, die diesen Start als Aufbruch begreift und gestaltet.