Von Torsten Henke

Wer mit Kollegen, Freunden oder Familienmitgliedern spricht, wer den Gesprächen im Betrieb, beim Bäcker oder in der Bahn lauscht, der weiß längst: Deutschland hat die Nase voll vom Koalitions-Hickhack in Berlin. Die wochenlange Jamaika-Sondierung mit ihren ermüdenden Balkonszenen war schon eine Zumutung. Was CDU, CSU und SPD nun aufführen, grenzt an eine Beleidigung der Wähler. Noch bevor sie überhaupt offiziell miteinander reden, werden schon rote Linien gezogen und Bedingungen gestellt, von denen jeder weiß, dass die andere Seite unmöglich darauf eingehen kann.

Am Mittwoch treffen sich die Spitzen von Union und SPD zum ersten Mal. Heute werden die Parteien ihre Positionen festzurren. Es ist eine unbehagliche Vorstellung, dass sich dieses Theater womöglich noch Monate hinzieht. Die angeschlagenen Vorsitzenden von drei Parteien, die am 24. September vom Wähler gerupft wurden, sollen sich zusammenraufen und etwas Ordentliches zustande bringen? Schwer vorstellbar. Zumal hinzu kommt, dass sich die Sozialdemokraten nach der Opposition sehnen - in der so vagen wie verzweifelten Hoffnung, sich dort erneuern zu können. Dass mit Jens Spahn mittlerweile allerdings auch ein CDU-Präside offen Sympathien für eine Minderheitsregierung erkennen lässt, ist kein gutes Omen für die Gespräche über Sondierungen über eine Koalition.