Von Anne Guhlich

Das Silicon Valley in Kalifornien gilt als die größte Keimzelle für neue Technologien weltweit. Dort sind in den vergangenen Jahren Tech-Konzerne entstanden, die Geschäftsmodelle revolutioniert und ganze Industrien auf den Kopf gestellt haben. Umso unbegreiflicher ist es, dass die Leistungsfähigkeit dieser amerikanischen Innovationstreiber nun aufs Spiel gesetzt wird: Die US-Telekommunikationsaufsichtsbehörde FCC will das Prinzip der Netzneutralität aufgeben.

Wird die Abschaffung der sogenannten Netzneutralität in den nächsten Wochen nicht noch vom Kongress oder den Gerichten blockiert, dann können Netzbetreiber wie Comcast, Verizon und AT&T künftig schnelle Leitungen für Wohlhabende und langsamere für den Rest der Kundschaft anbieten. Auch wäre es ihnen nicht mehr untersagt, eigenen Inhalten den Vorzug zu geben.

Das bedeutet, dass die Netzbetreiber in den USA Daten künftig bevorzugen, verzögern oder sogar blockieren können. Superschnelles Internet gibt es dann nur noch für super viel Geld. Indem die USA aber ihren Start-ups heute Steine in den Weg legen, riskieren sie ihre Wettbewerbsfähigkeit von morgen: Denn die Gründer mögen große Ideen haben, aber ihre Geldbeutel sind klein. Viele werden es sich nicht leisten können, Zusatzkosten für die schnelle Datenautobahn zu stemmen.

Klar ist auch: Der Schritt der US-Behörde könnte Auswirkungen auf Deutschland haben - auch wenn die in Europa geltenden Regeln zur Netzneutralität nicht ohne Weiteres umgekrempelt werden können. Anders als in den Vereinigten Staaten wird die Netzneutralität hierzulande nicht von der Aufsichtsbehörde geregelt, sondern von der Europäischen Union. Gleichwohl ist damit zu rechnen, dass der Druck von Lobbyisten in Brüssel zunimmt. Und dabei spielen nicht nur die Netzbetreiber eine Rolle, die in aller erster Linie von Ausnahmen bei der Netzneutralität profitieren.

Längst befürchten Industrievertreter, dass viele datenintensive neue Technologien wie etwa Industrie-4.0-Anwendungen oder das autonome Fahren ohne eine Sondererlaubnis auf den Überholspuren der Datenautobahnen künftig kaum umsetzbar sein werden.

Beide Beispiele sind freilich zentral für die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen Wirtschaft in den nächsten Jahren. Doch dafür müssen andere Lösungen gefunden werden: Das hohe Gut der Netzneutralität darf nicht der Tatsache zum Opfer fallen, dass Deutschland beim Glasfaserausbau - also bei der Infrastruktur für das schnelle Internet - nichts anderes ist als ein digitales Entwicklungsland.