Von Tobias Schmidt

Fünf Monate ist es her, dass der Tunesier Anis Amri mit einem gekaperten Lastwagen auf den Berliner Weihnachtsmarkt gerast war und zwölf Menschen getötet hatte. Fünf Monate Zeit, um den folgenschwersten islamistischen Anschlag in Deutschland aufzuklären. Dass jetzt scheibchenweise immer neue Details über das Behördenversagen und gezielte Manipulationen ans Licht kommen, ist ein Hohn und ein Schlag ins Gesicht für die fast 70 Verletzten und die Angehörigen der Todesopfer. Immer klarer wird, dass beim Berliner Landeskriminalamt versucht worden ist, den unfassbaren Fehler zu vertuschen, Amri wegen seines bandenmäßigen Drogenhandels nicht hinter Gitter gesteckt zu haben. Die nachträgliche Veränderung der Daten, das Löschen von Dealer-Namen, die mit Amri Drogengeschäfte machten, ist ein krimineller Akt, der nicht nur schnellstmöglich lückenlos aufgeklärt werden muss. Die Verantwortlichen dafür müssen zur Rechenschaft gezogen werden. Waren es wirklich nur zwei LKA-Beamte, die auf eigene Kappe vertuschen wollten? Oder hatte die Behörde doch versucht, Amri als V-Mann einzusetzen? Wurde er gezielt laufen gelassen und dann nicht mehr rechtzeitig eingefangen?

Dass der Verdacht immer noch nicht aufgeklärt ist, schreit zum Himmel und ist Wasser auf den Mühlen all jener, die dem Rechtsstaat misstrauen. Wer jetzt im Bund oder in anderen Ländern mit dem Finger auf Berlin zeigt, lenkt indes davon ab, dass im Fall Amri schwerwiegende Fehler auf vielen Ebenen und an vielen Stellen gemacht worden sind. Damit sich ein Fall Amri nicht wiederholt, muss die Zusammenarbeit der Behörden von Bund und Ländern weiter verbessert werden - und die Wachsamkeit darf nicht nachlassen. Noch immer sind hunderte islamistische Gefährder in der Bundesrepublik Deutschland unterwegs.