Von Michael Weißenborn

Chinas Staats- und Parteichef platzt geradezu vor Eigenlob. Hatte Xi Jinping zu Beginn seiner Herrschaft noch seine Vision des „chinesischen Traums“ verkündet, sieht er sein Land fünf Jahre später in eine „neue Ära“ eintreten, in der es die „zentrale Rolle in der Welt einnehmen“ sollte. Die hochfliegende Parteilyrik zum Auftakt des 19. Parteikongresses der chinesischen Kommunisten wird in der Welt aufmerksam verfolgt. Schließlich steht dahinter die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt, die nicht davor zurückschreckt, wirtschaftliche Abhängigkeiten auch zur politischen Einflussnahme einzusetzen. Hinzu kommt die wachsende Militärmacht Chinas, das dieses Jahr den ersten Auslandsstützpunkt in Dschibuti am Horn von Afrika eröffnet hat und im Sommer mit der Marine sogar in der Ostsee aufgetaucht ist.

Schon gilt Xi , weil US-Präsident Donald Trump weitgehend ausfällt, manchen gar als „mächtigster Mann der Welt“. Der Mann im Weißen Haus fördert die tiefgreifende Machtverschiebung von West nach Ost mehr noch als die zerstrittenen und mit sich selbst beschäftigten Europäer. Genug Gründe also, genau hinzuschauen, wenn die Tausenden Delegierten in Peking die Bilanz der chinesischen Regierung abnehmen, die strategischen Ziele für die nächsten fünf Jahre abstecken und neue mächtige Mitglieder in die obersten Parteigremien aufnehmen.

Dieses nicht nur für Ausländer völlig undurchsichtige Innenleben der allmächtigen KP ist diesmal besonders interessant: Es sind ungewöhnlich viele Posten zu vergeben. Wie stark wird Parteichef Xi seine Leute durchsetzen? Wird er den Premier ersetzen? Und, wie eigentlich üblich, einen Nachfolger ernennen? Oder signalisiert er, dass er auch nach dem Ende seiner Amtszeit weitermachen will?

Seine Macht im Innern ist größer als die jedes anderen chinesischen Führers seit Mao Tse-tung. Und „Onkel Xi“ verspürt keinerlei Neigung nach Pluralismus und Demokratie. Im Gegenteil: Unter seiner Führung wurden der Einparteienstaat und das autoritäre System nur gestärkt. Mithilfe modernster Überwachungstechnik will er die Kontrolle über die chinesische Gesellschaft noch weiter ausbauen. Auch die Verstöße gegen die Menschenrechte sind schlimmer geworden. Nur die Wirtschaft soll liberalisiert werden und von ineffizienten Staatsbetrieben Abschied nehmen.

In der Außenpolitik tritt Chinas starker Mann gerne selbstbewusst, aber nicht als Unruhestifter auf. In einer Welt in Unordnung offeriert er China als Vorkämpfer für Frieden und Freihandel. Doch Peking tut bei weitem nicht genug, um das verbündete Nordkorea einzuhegen. Die auch militärisch aggressiv vertretenen Gebietsansprüche im südchinesischen Meer beunruhigen Regierungen von Hanoi bis Tokio. Die Seidenstraßen-Initiative verspricht Milliarden für den Bau von Eisenbahnen, Häfen und Kraftwerken in vernachlässigten Gegenden auch in Europa.

Diese knallharte Interessenpolitik bedarf dringend einer eindeutigen Antwort aus dem Westen. Das zeigt die milliardenschwere Einkaufstour chinesischer Investoren, die Zukunftstechnologien in Deutschland abgreifen wollen - mit unabsehbaren Folgen für Innovation und Arbeitsplätze hierzulande. Oder Pekings Versuche, über Investitionen in EU-Krisenstaaten wie Griechenland zunehmend Einfluss zu gewinnen. Die Europäer müssen zusammenrücken und selbstbewusst auf eigenen Regeln wie die freie Marktwirtschaft und der Rechtsstaat beharren. Und das idealerweise im Schulterschluss mit den Vereinigten Staaten. Das Risiko ist allerdings groß, dass EU und Deutschland lieber weiter Nabelschau betreiben.