Von Gerd Schneider

Noch haben die Verhandlungen über eine Neuauflage der Großen Koalition gar nicht richtig begonnen - schon fragt man sich, wie das funktionieren soll zwischen SPD und Union. Soll zusammen wachsen, was nicht mehr zusammen gehört? Beide Parteien wurden bei der Wahl im September abgestraft. Ihre Spitzen sind geschwächt. Die CDU ist nach zwölf Jahren Marsch in die Mitte unter Merkel erschöpft und blutleer. Noch desolater ist die Lage der SPD. Frontmann Schulz kämpft um sein politisches Überleben. Das Wahldesaster hat die Partei in eine Identitätskrise gestürzt. Sie weiß nicht, wohin - soll sie nach links oder rechts, in eine GroKo oder in die Opposition? Gemein ist beiden Parteien - neben der Abwesenheit von Mut und Energie - nur, dass Neuwahlen für ihre Spitzen hoch toxisch wären.

Die SPD braucht eine Zäsur: einen Neustart, frisches Personal und einen klaren Kurs. Nur kein Weiter-So, in der Umklammerung von Merkel und der CDU. Eine schwache, paralysierte GroKo ist auch nicht das, was das Land in diesen Zeiten nötig hat - zumal die Realisierung von Wahlversprechen wie Bürgerversicherung, Verbesserungen bei der Rente (SPD) und Mütterrente II (CSU) Unsummen verschlingen würde. Womöglich läuft es am Ende doch auf eine Minderheitsregierung hinaus. Warum auch nicht? Gewiss, für Merkel wäre es mit Mühen verbunden, sich für jedes Vorhaben eine Mehrheit im Parlament suchen zu müssen. Die Folge wäre eine Regierung, die sich zurücknimmt. Das muss kein Nachteil sein, im Gegenteil: Es entspricht ja der Idee einer liberalen Grundordnung, dass der Staat nicht zu stark in den Alltag der Bürger hineinregiert. Noch hat Merkel Vorbehalte gegen die Minderheitsregierung. Aber wer, wenn nicht sie, die nervenstarke und ideologiefreie Kanzlerin, wäre dafür die Richtige?